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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Ratzka, Arthur Ludwig: Einiges über Porträtmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0273

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Die Werkstatt der Kunst

sseäakleur: Z)sUn>ag. VII. Jakrg. Heft 20. n ^ebr. 1908.

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— eine ilebereinstirnrnung rnit clen auf cliese Meise vorgetrsgenen Meinungen zu erkennen. —

Einiges über Porträtmalerei.
Von Arthur Ratz ka-Berlin.

Ls ist schwierig und überflüssig zugleich, über
Kunst im allgemeinen zu sprechen, da dieses Wort
die verschiedensten Aeußerungsarten zusammenfaßt,
die — selbst wenn man sich auf die malerische
Kunst beschränkt — in ihren Absichten und Zielen
oft gar nichts miteinander gemein haben.
Und das niuß doch als Basis der Beurteilung
jeglicher menschlichen Aeußerung feststehen, daß die
Absicht bei Schaffung eines Werkes durch das Werk
erreicht sein soll. Die Absicht, etwas Dekoratives
zu malen, entschuldigt, ja rechtfertigt sogar in ein-
zelnen Fällen eine mangelhafte oder schlechte Zeichnung,
während der Wangel an dekorativer Wirkung na-
türlich unentschuldbar wäre; eine historisch-realistische
Darstellung hingegen kann der dekorativen Wirkung
oft ganz entraten, und dennoch, wie das vorerwähnte
auch, ein Kunstwerk allerersten Ranges sein.
Keine Kunstäußerung aber bildet so sehr eine
Art für sich, wie das Porträt. Alles, was man über
Kunst im allgemeinen sagt, trifft das Porträt im be-
sonderen nicht, und in der instinktiven Lrkenntnis
dieser Wahrheit sagte mir einmal ein Kunsthistoriker,
er wisse sich über das Porträt nichts zu denken.
Tatsächlich begegnet man in keinem Kunstzweig
einer solchen Verwirrung der Begriffe, wie gerade
im Porträt.
Wie verschämt sagt der reiche Herr A. vom
angeblichen Bilde seiner Frau: „Aehnlich ist es ja
zwar gar nicht, aber das soll ja auch nicht nötig
sein." — Gewiß läßt sich in der Kunst so vieles
nicht in Worte und Regeln fassen, und das „je ne
sais Huoi" hat ein großes Feld, aber nur aus „je
ne Lais guoi", um das man einen undurchdringlichen
(logisch undurchdringlichen) Wall von ätherischen
Phrasen baut, besteht sie denn doch nicht, denn sie
erfordert bewußtes Können, bewußtes Arbeiten
und vollkommenes Durchdrungensein von
Absicht.
War: kann viel über Kunst und viel über
Porträt sagen, was breit auf dem Boden des Realen,
der Logik, steht, und es bleibt des Geheimnisvoller:
immer noch genug.
Wie über Kunst im allgemeinen, so wurde auch
über das Porträt schon sehr viel geschrieben, und es
gäbe ein dickes Buch voll tiefsinniger, oder wenigstens
tiefsinnig scheinender Gedanken, wenn man alles Ge-
sagte zusammenfassen wollte.

Was hat man nicht schon alles als besondere
(Qualitäten eines guten Porträts aufgezählt! Die
Naiven sprechen noch von Aehnlichkeit in erster
Linie, dann wohl von Komposition, Farbe und
wenn sie sich den Anschein von Kennern geben
wollen — von Zeichnung, Technik, Strich und ähn-
lichen intimen Teilen der malerischen Wache. Das
sind, wie gesagt, die Naiveren. Die Ganzklugen, die
Wetaphysiker unter den Kennern, wie man sie in
ehrerbietiger Unterscheidung nennen müßte, geben
sich mit solchen Kleinigkeiten, wie etwa Aehnlichkeit,
nicht ab. Aehnlichkeit, oder besser Lebenswahrheit
(denn ähnlich sind einander auch Bruder und Schwester,
ja sogar Fremde, deren getreue Wiedergabe aber nicht
das Bild des andern sein könnte) — also Aehnlich-
keit oder Lebenswahrheit sind so vielsagende kleine
Wörtchen, daß sie eine ganze Wenge anderer Worte
überflüssig machen. Ls ist daher notwendig, die
Sache auf ein anderes Gebiet zu schieben, ihr den
Boden der Logik — den Zusammenhang zwischen
Ursache und Wirkung — zu entziehen. — Lin An-
hänger einer sehr modernen Schule der Wusiktheorie
behauptete einmal mir gegenüber, daß ein und das-
selbe Wusikstück, das in der Griginaltonart einen
majestätisch-schwermütigen Lharakter hat, um einen
halben Ton erhöht oder vertieft, eine ganz andere
Farbe bekommt. Wehe euch Sängern und Sängerinnen,
die ihr jedes bekannte Werk je nach eurer Stimm-
lage hoch oder tief gesetzt singt!
Das Porträt ist aber, solange noch irgendein
für jedermann verständlicher Zusammenhang mit
der realen Welt anerkannt wird, wie die Lebens-
wahrheit es ist, kein passendes Gebiet zur Anbringung
solch imponierend paradoxer Behauptungen: man
dokumentiert daher geradezu, daß Aehnlichkeit, wenn
nicht eben schädlich, so doch gewiß überflüssig ist.
Sie haben den schönen Satz: „Wasch mir den pelz,
aber mach ihn nicht naß" hierher übertragen und
sagen: „Aehnlichkeit ist überflüssig, wenn nur der
Lharakter da ist." Und mit tiefsinniger Wiene,
als hätte er diese Weisheit eben durch langes Denken
gefunden, wiederholt Herr Weier den Satz, wenn
auf dem nächsten Zour die Rede aufs Porträt kommt.
Warum sollte er es auch nicht? Zst er's denn nicht
gewöhnt, daß gerade alles das, was er nicht
versteht, für großartig gilt? Lr fühlt sich —
wohl mit Recht — nicht berufen, Logik und Wahr-
 
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