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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Luthardt-Teuschnitz, Ernst: Der "Münchener Kunstverein" und seine künftigen "Vereinsgaben", 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0497

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Die Werkstatt der Kunst

keäaktem: fritz tzettnag.

VII. Jakrg. Heft 36. s 8. Juni 1908.

2n ctislern ^eite unserer Leillckrifi erteilen xvir jecieni llünstier ctss freie Mort. Wir sorgen cissür, ctals keinerlei
Angriffe aus Personen ocier 6enossensckssten abgeiiruckt tvercien, okne Usg vorder äer Angegriffene clie Möglickkeit geksbt
KLtte, in clernselben l)efte zu ertviclern. Oie lisäsktion kält fick vollstänclig unpÄrtsiisck uncl gibt riurck cien TIbciruck keinesxvegs
--eine Nebereinstirnrnung mit cten auf cliess Meise vorgetrsgenen Meinungen zu erkennen.

Oer „Münckener Runllverem" uncl seine künftigen „Vereinsgaben". II.
Eine Replik von Ernst Lu thardt-Teuschnitz. (Vgl. Heft 32, 5. H38.)

Die Erwiderung des Herrn Geschäftsleiters des M. K.V.
veranlaßt mich, noch einmal in dieser Angelegenheit das
Wort zu ergreifen.
s. Eingangs dieser Erwiderung wird mir zum Vor-
wurf gemacht, ich hätte die ziemlich ausführliche Begrün-
dung des von mir beanstandeten Antrages übergangen.
Da möchte inan auf absichtliche oder fahrlässige Uebergehung
meinerseits schließen. Dem ist nicht so; mir standen ledig-
lich die Berichte der „Münchener Bleuesten Nachrichten" und
der „Augsburger Abendzeitung" zur Verfügung. Ein Jahres-
bericht wurde mir als auswärtigem Mitglied nicht zugeschickt.
2. Wenn die Leitung des M. K. V. erfreulicherweise
vollständig auf meinenr Standpunkt steht, so dürfte dies
doch bloß in der Theorie der Fall sein. Es wäre zu wünschen,
daß sie von dieser Anschauung in der gewiß nicht unwich-
tigen Sache auch praktischen Gebrauch machte, nicht nur
bezüglich der Ausstellungen, sondern auch hinsichtlich der
Vereinsgaben.
3. Ich habe schon in meinem ersten Artikel behauptet,
daß das sehr große Format der bisherigen Vereinsblätter
keine Annehmlichkeit sei. Ich kann auf Grund der bei
Kupferstichauktionen gewonnenen Erfahrungen konstatieren,
daß die großformatigen Stiche wegen ihrer Unhandlichkeit
und schwierigen Aufbewahrung wenig Liebhaber finden
und daher meist zu niederen Preisen abgehen. Es mag
dies einer der Gründe der Unzufriedenheit der Mitglieder
fein, von welchen der Herr Geschäftsleiter spricht. Lin
anderer Grund aber ist der, daß infolge der großen Mit-
gliederzahl des M. K. V. seine Prämien eine ungemein
große Auflage erleiden und somit die Eigenschaft verlieren,
welche man bei Kunstwerken liebt, daß sie nämlich nicht
in aller Welt Hände zu finden seien. Kaum sind die Prämien
ausgegeben, wandern sie zu Antiquaren und werden dort
zu billigem Preis ausgeboten, und in Kunstauktionen sinken
sie auf 50 Pf. herab oder finden auch nicht selten gar keinen
Abnehmer. Sogar die zugkräftige Lenbachmappe, von
welcher seinerzeit behauptet wurde, sie repräsentiere einen
wert von HO Mk., wurde mir wenige Tage nach ihrer
Ausgabe beim Antiquar F. in München um 8 Mk. an-
geboten !
Diese große Auflage mag auch bei den sehr hübschen
Mappen der Jahre t8y7 und ^902 der Grund gewesen
sein, daß sie nicht gebührend geschätzt wurden, und mag
endlich auch die Schwierigkeiten erklärlich machen, welche
dem M. K. V. nach den Klagen seines Herrn Geschäfts-
führers bei Zusammenstellung einer geplanten dritten Mappe
mit Radierungen erwuchsen. Ich weiß nicht, ob sie sich
nicht hätten überwinden lassen; vielleicht ergreift hierzu ein
beteiligter Künstler-Radierer das Wort zur Aufklärung
in diesen Blättern. Die Herren Kupferstecher stehen nach
althergebrachter Tradition, welche auf der raschen Abnützung
der Kupferplatten beruht, einer hohen Auflage ihrer höchst
mühsamen Arbeiten nicht freundlich gegenüber. Marr kann
ja jetzt mit Hilfe der galvanischen Verstählung der Platten
beliebig viel Abdrücke Herstellen; allein ein geübtes Auge
findet immerhin einen Unterschied zwischen Abdrücken von
unverstählten und von verstählten Platten, und die Sammler
wählen mit begreiflicher Vorliebe die ersteren.

Um nun nicht bloß zu kritisieren, habe ich in meinem
ersten Artikel auch einen Modus in Vorschlag gebracht, der
geeignet wäre, diesen Mißstand zu beseitigen. Mein Vor-
schlag scheint aber einer Prüfung nicht für wert erachtet
worden zu fein.
H. Die Lenbachmappe war ein Zugstück. Ls hing
das wohl mit dem kurz vorher erfolgten Ableben des
großen Künstlers zusammen. Es wäre interessant, zu er-
fahren, ob auch die Spitzwegmappe etliche hundert Mit-
glieder mehr gebracht hat. Auch wollen wir sehen, welchen
Zuwachs die Rembrandtmappe bringen wird.
Die Rechnung mit dem plus von tvooo Mk. zu-
gunsten der Künstlerschaft, welche der Herr Geschäftsleiter
aufstellt, dürfte wohl einseitig fein. Um welchen Betrag
mußte denn das Jahr vorher die Ankaufssumme gekürzt
werden, um die Lenbachmappe im werte von HO Mk. Her-
stellen zu können? Und welche Summen hat die Spitzweg-
mappe verschlungen? Und was ist für die Rembrandt-
mappe ausgesetzt? Ls sind dies lauter Beträge, welche der
Künstlerschaft nicht zugute kamen!
Doch angenommen, die aufgestellte Rechnung wäre
richtig, so entschuldigt dies meines Erachtens doch nur die
einmalige Ausnahme, es rechtfertigt dies aber nicht das
System, welches man nunmehr verfolgen will, und welches
nichts anderes bezweckt, als die mehr oder weniger voll-
ständige Ausschaltung der Graphiker und den dauernden
Uebergang zur mechanischen Reproduktion (Nachschlagewerk
der klassischen, d. h. alten Kunst)! Mir scheint es eines so
angesehenen Kunstvereins unwürdig zu fein, für seine
Prämien nicht regelmäßig Originale zu wählen. Auch muß
ich darauf stehen bleiben, daß ein Kunstverein die Aufgabe
hat, fein Publikum zu erziehen, wenn er aber den Ge-
schmacksverirrungen desselben nachgeht, um ein Geschäft
zu machen, so wird er prinzipienuntreu und schadet der
wahren Kunst mehr, weil dauernd, als der momentane
Nutzen wert ist. wenn der Kunsthandel dem Publikum
Konzessionen macht, so ist das verzeihlich, denn der Kunst-
händler ist Gewerbetreibender und muß vom Publikum
leben. Ein Kunstverein sollte auf einem höheren, idealeren
Standpunkt stehen und mit Konsequenz seine kulturelle
Aufgabe verfolgen.
5. Der Herr Geschäftsleiter möchte den Kunstvereins-
mitgliedern soviel Sachkenntnis zutrauen, daß sie die Duali-
täten einer Griginalgraxhik und einer Reproduktion zu
unterscheiden wissen, wenn seine Mitglieder tatsächlich auf
dieser hohen Stufe der Erkenntnis von Kunst und Technik
stehen, warum muß er denn dann mit der Herausgabe von
mechanischen Reproduktionen Konzessionen machen,
um sie nicht zu verlieren?
Es scheint mir sehr am Platze zu sein, hier zu wieder-
holen, was Prof. Vr. H. W. Singer in seiner Monographie
über den Kupferstich (F90P schreibt:
„Für den Laien gibt es hier einen großen erbarmungs-
losen Feind — es ist die Photographie mit ihren Weite-
rungen. Selbst einigermaßen gebildete Leute geben sich
oft immer noch der Täuschung hin, daß sie einen künstle-
rischen Genuß haben bei Betrachtung einer Photographie
oder gar einer Heliogravüre nach Millets Angelus. Die
 
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