Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

DOI article:
Wir Ausnahmen... Eine Neujahrsbetrachtung
DOI article:
In eigener Sache
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0178

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Werkstatt der Kunst.

Heft fZ.


Dein Groll darob, daß du auch da eine Ausnahme bist im
Gegensatz zu jedem anderen, der einen anständigen Beruf
hat, wird ungehört verhallen, und du kannst ruhig daran
ersticken. Oder was würde der Regierungsrat O., der das
Bild seiner lieben Frau bei dir bestellt hat, für ein langes
Gesicht machen, wie peinlich wäre er berührt und über-
rascht, wolltest du ihn bitten, dir den Auftrag samt Honorar
und Lieferungsbedingungen schriftlich zu erhärten, wie
das jeder gute Geschäftsmann bei größeren Bestellungen
tut und tun darf, und welche Verachtung müßtest du in
seinen Zügen lesen, wolltest du bei Abschluß des Geschäftes
250/0 als Anzahlung von ihm haben. Denn wisse, du bist
eine Ausnahme unter den Menschen und Geschäftsleuten,
und während dies bei jedem anderen Usus ist, für dessen
Außerachtlassung der Oberbuchhalter von seinem Lhef eine
kräftige Nase erhielte — da sei Gott vor, daß dir das ein-
fiele. Bald wäre deine gute Kundschaft beim Teufel!
Und die gute Kundschaft ist wichtig, bester Freund! Die
gute, wo es außer Aufträgen auch gutes Abendessen und
gute Gesellschaft gibt, wo du deinen Kundenkreis erweitern
kannst. Daß man gerade mit dieser guten Kundschaft oft
die bösesten Erfahrungen macht — vergiß es, trotzdem, oder
besser weil du eine Ausnahme bist. Oder stelle dir das Gesicht
deines Kunden vor, der dir ohne größere Gefahr den ge-
wünschten Vorschuß gewährt hat (bei uns heißt nämlich
„Vorschuß", was sonst im Geschästsleben den weniger
ominösen Namen „Angeld" führt), würdest du an deinen
Schreibtisch treten und demselben ein Papier entnehmen,
auf dem gedruckt zu lesen steht: „Malter F., Porträtmaler,
Berlin usw. . . . Memorandum," und darauf das Geld
bestätigen. Melch' peinliche Ueberraschung! Ist das ein
Künstler?!! . . . „Memorandum"!!! pfui Teufel!! Oder
du würdest deine Rechnung schicken, deine Faktura, wie
Krupp über seine Kanonen. Herrgott! . . . deine Haus-
meisterin würde sich mit Abscheu von dir wenden und mit
Fingern würde man nach dir weisen. Das will ein Künstler
sein?!! . . . Ja, ein Handelsjude . . . aber kein Künstler!
Daß inan dem Schneidermeister X. niemals die Ehre ab-
gesprochen hat, wenn er um Angeld bat, bei Lieferung
seine Faktura übersandte usw. — daran denken sie nicht,
die an deiner Kunst zweifeln, weil du sie für das Geschäft
hältst, von dem du lebst. Denn du bist eine Ausnahme und
darfst wohl in kurzen Hosen und Strümpfen durch die
Straßen wandeln, die der Herr Assessor nur mit gut-
gebügelten Hosen und Zylinder auf dem Kopf durchschreiten
darf — aber von Geldsachen reden, oder gar schreiben,
wenn es sich um dein Geschäft handelt, das darfst du bei-
leibe nicht. Denn — du bist eine Ausnahme.
wie sich überhaupt die Leute den geschäftlichen Ver-
kehr mit uns denken. Mer hätte da nicht schon seine
blauen Wunder erlebt! wie die Leute, die noch immer
auf dein Standpunkt stehen, die Kunst sei ein Luxusartikel
wie Schmuck oder schöne Teppiche, noch immer nicht zur
Erkenntnis kommen wollen, daß sie auch ein Geschäft ist,
von dem so viele Hunderte leben oder doch leben wollen.
Das wäre rührend, wenn es nicht so unerhört lustig und
doch traurig zugleich wäre. Die Ansichten, die man uns
gegenüber im Geschäftsverkehr entwickelt, sie grenzen oft
ans Lächerliche, wenn sie nicht an das moralisch Un-
erhörte grenzen, die Ruhe, mit der man uns Dinge
abschlägt, die im Geschäftsverkehr mit anderen Leuten als
selbstverständlich gelten, mit der man von uns Dinge fordert,
die unfaßbar wären für jeden Kastanienbrater als Geschäfts-
mann, diese Ruhe ist so empörend, daß sie fast imponiert.
Mir sind Ausnahmen, Ausnahmen in jeder Hinsicht!
Uns nützt keine Eisenacher Gebührenordnung und keine
andere, denn der Begriff „Ordnung" widerspricht schein-
bar unserem Mesen. Mir sind und bleiben Ausnahmen,
ich glaube nicht, daß uns zu helfen ist. Das klingt freilich
wie ein Verzweiflungsschrei, der Musik sein wird in den
Ohren jener, die uns so haben wollen und nicht
anders, die es uns nicht übelnehmen, wenn wir ihnen
den Rauch unter die Nase blasen — wenn sie uns bloß
auch andererseits als Ausnahmen behandeln dürfen, so-

viel Tinte wird (auch in diesen Blättern) über den Punkt
„Reform des Kunstlebens" verschrieben. Unser Kunstleben
ist intensiv — und wir wollen uns damit begnügen. Nicht
die Reform unseres Kunstlebens sollte angestrebt werden.
Eine Reform, und eine gründliche, des Geschäfts-
lebens des Künstlers sollte angestrebt werden, eine
Reform, die uns dazu führt, unsere Stellung als Künstler
im Geschäftsverkehr, unsere Arbeit vor dem Gesetz in jeder
Hinsicht zu schützen, jener Ausnahmsstellung ein Ende zu
machen, der wir uns wohl nur zum Teil erfreuen dürfen.
Gescheite und berufene Männer müßten uns da berufenen
Ortes an die Hand gehen, und es ist keine leichte Sache.
Niemals wird wohl die Scheu schwinden, die der Künstler
bei Verwertung seiner Merke an den Tag legt, und niemals
werden jene zu existieren aufhören, die aus dieser Scheu,
die teils echtem Künstlertum, teils Unerfahrenheit, zumeist
jedoch einer Art Gedrücktheit entspringt, Kapital schlagen.
Jene, denen es ihre Stellung gestattet, zu refor-
mieren, müßten uns mit gutem Beispiel voran
und an die Hand gehen. Es handelt sich darum, unsere
Stellung als Geschäftsleute zu präzisieren. Denn mit
rauher Hand hat uns das Leben den Idealismus abgestreift,
der die Kunst für unvereinbar hielt mit Fein Geschäft.
Geschäftsleute sind wir und müssen es sein, und
giriert sich einer von uns öffentlich als solcher, so wird er
— es ist erstaunlich! — selbst in Kollegenkreisen verlacht
und in seinem Mert als Künstler erniedrigt!! Und was
dem Bourgeois im Verkehr mit uns traditionelle An-
schauung — nämlich, daß die Kunst das Geschäft ausschließt
und der wahre Künstler den guter: Geschäftsmann — ba-
tst denen, die ihr Geschäft aus den von uns ge-
lieferten Artikel aufbauen, die mit uns täglich arbeiten,
unllkoniinencs Prinzip. Als guter Geschäftsmann gilt,
der aus der Mare und dem anderen so viel als möglich
Nutzen zu ziehen weiß. Mannigfaltig sind die Schliche
und Kniffe, deren der gute Geschäftsmann sich bedient;
doch überall ist diesen Schlichen und Kniffen eine Grenze
gezogen — unbegrenzt aber sind sie im Verkehr mit dem
Künstler. Angefangen bei dem Porträtbestellcr, der bei
Lieferung das Bild sich ähnlich zu finden weigert — be-
kanntlich ein Streitpunkt, der, da es da viel auf das Ge-
fühl ankommt, nur ganz ausnahmsweise entschieden werden
kann, bis zu dem Verleger, der „sich die Sache anders ge-
dacht hat", den „sie zu sehr an das oder jenes erinnert"
— lauter Dinge, für die es kein kontrollierendes Gesetz
gibt — gibt es Hunderte von Fällen und Nüancen, in denen
der Künstler nut gutem Millen tätig war, gearbeitet hat —
und dann mit dem vorlieb nehmen muß, was man ihm
bietet, will er nicht den nur allzu problematischen Rechts-
weg betreten.
wenn der Künstler seine Jahresbilanz macht („Bilanz"!
Brrrü!) und den Sylvesterblick in die Zukunft tut, so starrt
es ihn einigermaßen trostlos an aus der grauen Ferne.
Aber dann kann er ja gehen und sich einen guten christ-
lichen Rausch antrinken. Das wird ihm kein Mensch ver-
übeln -herrliches Los!-er ist ja eine Ausnahme
unter den Menschen.
Paris, Weihnachten t9O7.
In eigener Sacke.
Die in den Heften 5 bis H behandelte und
nach unserer Meinung erledigte Angelegenheit der
„Stuttgarter Galerie" soll nicht zur Ruhe kommen.
Der „Stuttgarter Künstlerbund" (nicht zu ver-
wechseln nut den: „Deutschen Künstlerbnnd"), der
von Anfang an eine ruhige und sachliche Aus-
einandersetzung über die prinzipielle Frage zu stören
versuchte, richtet noch nachträglich in der Zeit-
schrift „Mrnament", einem kleinen Blatte, das auch
 
Annotationen