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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Beauclair, A. W. de: Neue Wege zur Selbstständigkeit
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Kainzbauer, Ludwig: Jury, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0081

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Heft 6.

Die Werkstatt der Kunst.

77

bilder in etwas grelleren Farben und mit viel Sonne oder
einem entsetzlichen Blau. In Wahrheit ist die italienische
Landschaft doch viel weniger farbig wie die deutsche, die
wundervolle Bläue des heißesten Tages in zartestes Silber-
grau oder nach Krapp hin schimmernd! Man muß das
erleben, erfassen. Deshalb möchte ich ja als Hauptsache in
der Reform im Leben des Künstlers zu einer Emanzipation
aus dem Großstadtleben auffordern, speziell diejenigen auf-
fordern, die ganz in der Natur und mit der Natur in einer ge-
sunden Geistes- und Leibeskultur leben wollen. Da kämen vor
allem die in Betracht, die genug Zeit und Geld vergeudet haben,
Naturstudien auf Naturstudien im Atelier aufzuhäufen in
der Meinung, sie malten Bilder, Werke, die gemerkt haben,
daß wir so nichts lernen können, was schier das Herze will
verbrennen. In die Kisten mit all diesen Studien und
seien auch Goldleisten darum — und mit Blei oder Kohle
und einem Skizzenbuch hinaus in die Einsamkeit! Malen
lernten wir, wo bleiben die Werke! In der wechselnden
Naturfarbenpracht gilt es Eindrücke zu sammeln. Die
Linien, die Komposition aufnotiert, die Farbe mit den
Augen, mit der Empfindung aufgesogen und dann schnell
heim. Nicht nötig ins Atelier, es genügt ein guter Licht-
platz am Fenster. Dann aber zeigt und beweist, ob ihr
mehr seid als gelernte Maler! So dachte ich mir, müsse
das Leben des Künstlers sich gestalten, der nach was Rechtem
strebt. Zu was das teure Atelier, zu was alle die schreck-
lichen Unkosten, womit der Utensilienhändler uns zu Schuldnern
macht, zu was das Nachahmenwollen des modernen Künstler-
typus, der gar nicht mehr weiß, wo er sich die Anregung
suchen soll, bis er zum Schluß ratlos dasteht, wo er
sich das bißchen Geld zum Leben holen soll. Das sind
ungesunde Zustände, die aus einer falschen Idee ent-
springen und die nicht behoben werden durch vorgeschlagene
Reformen, wie sie Kollege Ludwig Kainzbauer in der letzten
Nummer der „Werkstatt" zu erörtern begonnen hat. Das
fehlte gerade noch, daß man eine besondere Schulbildung
oder ein gewisses Alter beim Eintritt zur Akademie ver-
langte, oder den Semesterpreis in die Höhe schraubte, oder-
gar logisch die Entstehung des Kitschs (ein Wort, das
übrigens Künstler gar nicht im Munde führen sollten) er-
klärt. Jeder, der ernstlich nachdenkt, der merkt doch bald,
wo das Grundübel steckt. Das Uebel steckt in der absolut
ungesunden Auffassung, die der ganzen heutigen Lehrmethode
ganz sicher zu Grunde liegt. Ls ist mir ganz gewiß, daß
ein für Zeichnen und Malen begabter Jüngling, der einige
Jahre nur nach Gixsmasken oder Antiken zeichnete, neben-
bei aber soviel wie möglich in die Natur lief, um fleißig
Skizzen zu sammeln und recht viel Farbeneindrücke auf
seiner Netzhaut zu fassen, ein ganz vorzüglicher Künstler-
werden kann und daß das ganze teure Akademiestudium
durchaus überflüssig ist, unter Umständen sogar verhängnis-
voll werden wird. Warum sollten also mittellose oder mit
Glücksgütern schwach begabte Eltern auch nur einen Augen-
blick im Zweifel sein, was mit dem nur nach Zeichnen
und Malen begabten Kinde anzufangen sei? Die Malerei
kann das „billigste" Studium sein, welches es überhaupt
gibt, denn all das, was keinen Geldwert besitzt, ist dem
Künstler nützlich. Darunter verstehe ich: ein durchaus ein-
faches Leben und die Natur als kostenloses Modell. Mir
wurde unter den vielen Zuschriften auf den oben erwähnten
Artikel in Nr. 2 (d. W. d. K.) der Vorschlag gemacht, neben
der Gründung einer Art korporativen Künstlergesellschaft
doch die Heranbildung von jungen Malern zu übernehmen,
die vielleicht dafür, daß sie die starke künstlerische Anregung
erhalten und sich wahrhaft eigenartig entwickeln dürfen,
innerhalb der vorkommenden Korporationsarbeiten (worunter
auch die Bestellung eines ertragreichen Gartens zu rechnen
wäre) Z—H Stunden am Tage eben für diese Künstler-
gesellschaft arbeiten würden. Es wäre dadurch jungen
Künstlern gegen Bezahlung eines billigen Wohnraumes
und Verköstigungsanschlages möglich, in engster Fühlung
mit reiferen Künstlern zu leben. Der Vorschlag ist durch-
aus gut. Den vielen Kollegen aus Nord und Süd, die mir
schrieben, werde ich persönlich in Bälde antworten. Er-

wähnen will ich nur, daß sich selbst ein Professor in älteren
Semestern und verschiedene Künstler mit vorzüglichen be-
kannten Namen für meinen Vorschlag interessierten und
mittun wollen, so daß ein guter Grund gelegt wird.
Zury.
Von Ludwig Kainzbauer, Graz-Stiftingthal.
„Wenn diese Bilder nicht von dem D. wären, hätten
wir sie zurückgewiesen," sagte vor etwa 20 Jahren ein
sehr bekannter Kunstgenossenschaftsvorstand zu mir. „wenn
diese Bilder von uns wären, hätten sie uns dieselben pünkt-
lich zurückgewiesen" (das waren Bilder von den bereits be-
rühmten B., L., S.), sagten einige Kollegen bei Besichtigung
einer Ausstellung.
wahrscheinlich hört man diese zwei Bemerkungen
öfters. Diese Bemerkungen beweisen aber, daß vor Zurück-
weisungen nur gewisse günstige Umstände schützen.
Daß die Zurückweisungen aber für die Getroffenen
moralisch und pekuniär schmerzlich sind, kann sich jeder
leicht vorstellen.
Wie sind nun die Zurückweisungen möglichst zu ver-
hindern? Ls sind schon voriges Jahr in der „Werkstatt
der Kunst" Vorschläge gemacht und Anregungen gegeben
worden, wie den Uebelständen beim Iurieren der Aus-
stellungsobjekte abgeholfen werden könnte, aber ich glaube
resultatlos. Ich habe mich damals nicht geäußert, weil
ich auch nicht wußte, wie zu helfen wäre.
Mittlerweile kam ich aber auf allerlei Gesichtspunkte,
welche für die Sache von Nutzen sein könnten und diese
seien hier niedergeschrieben. Da ich einmal eine Ausstellung
selbst zu arrangieren hatte und auch wiederholt als Juror
tätig war, glaube ich die nötige Erfahrung zu haben.
Daß die Ausstellungskommissionen einen sehr schweren
Standpunkt haben, weiß jedermann; daß die Aussteller
aber auch, bevor sie ihre Werke ausgenommen sehen, nicht
auf Rosen gebettet sind, wissen wir alle.
Die Gründe der Zurückweisung eines Kunstwerkes
sind mannigfache, aber zwei darunter dominierend, nämlich
angeblicher Mangel an künstlerischer (Dualität des einge-
sandten Werkes und Platzmangel bei zu vielen Einsendungen.
Befassen wir uns zuerst mit dem Platzmangel, wie
ist diesem Umstande abzuhelfen? Erstens durch Teilung
der Zeit, so daß eine Ausstellung z. B. in zwei Abteilungen
dem Publikum vorgeführt wird, und zweitens durch Aus-
losung der Werke, welche keinen Platz finden können.
Die erstere Form ist natürlich für die Künstler am
vorteilhaftesten und für das Publikum auch sehr angenehm.
Eine Ausstellung, welche in mehreren Abteilungen dem
Publikum vorgeführt wird, braucht nie überfüllt zu sein
und das schöne Kunstschreiberwort „weniger wäre mehr
gewesen" hätte dann keine Berechtigung mehr. Das Publikum
würde die Ausstellung in Abteilungen angenehmer genießen
können, ohne zu ermüden. Außerdem würde selbst in den
größten Städten für den Besuch einer Ausstellung ein
Monat vollauf genügen, so daß man eine Ausstellung,
welche auch nur zwei Monate dauert, leicht in zwei Ab-
teilungen, eine, welche vier und sechs Monate dauert, auch
in mehreren Abteilungen dem Publikum zugänglich machen
kann. Bei permanenten Ausstellungen könnten die einge-
sandten Werke nach dem Linsendungsdatum eingereiht
werden. Es fragt sich sogar, ob sich diese Methode, auch
wenn kein Platzmangel ist, nicht doch empfehlen würde.
Bei Ausstellungen, die auf großen Fremdenzufluß rechnen,
wie in München, Venedig, ist diese Art weniger empfehlens-
wert, weil der Fremde nur ein paar Tage Zeit hat, auch
nicht in Raten nach der Ausstellungsstadt reisen, sondern
in einem alles sehen will, selbst auf die Gefahr hin, er-
müdet mit brummigem Kopf fortzugehen, sich kaum mehr
an einzelne Stücke erinnernd.
Aber auch in diesem Falle hätte eine zeitliche Teilung
Angenehmes für sich. Ls könnte diese Teilung auch nach
den einzelnen Richtungen stattfinden, etwa wie folgt: März:
Konservative Realisten; April: Impressionisten; Mai: Neu-
 
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