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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Tautz, Robert: "Verein für künstlerische Siedlungen in Berlin."
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0105

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Die Werkstatt der Kunst

keäakteur: fritz tzeUwag.

VII. Jakrg. tzekt 8. 25. I^ov. 1907.

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eine Nebersinltirnrnung rnit clen sut «liefe Meile vorgstragenen Meinungen zu erkennen. -.—

Verein kür künstleriscke Siedlungen in kerlin."

ff
von Robert Tautz.
Ueberall tönt heute der Ruf: „hinaus aufs Land!"
Der Mensch ist großstadtmüde geworden und sehnt sich fort
aus den Mietskasernen und dem greulichen Lärm der Städte.
Ls sind nun nahezu sechs Jahre her, als Heinrich
Krebs im Verein mit den Gebrüdern Hart und einem
kleinen Anhängerkreise die Deutsche Gartenstadtgesell-
schaft begründete, die eine Dezentralisation der Städte
anstrebt und an die Stelle der heutigen Steinhaufen auf
Grund und Boden, der dauernd in Gemeinbesitz bleibt, die
Gartenstadt setzen will, die Stadt, in welcher Industrie und
Landwirtschaft harmonisch beieinander wohnen und in der
dauernd ein großer Gürtel dem Garten- und Ackerbau ge-
sichert bleibt.
Die Deutsche Gartenstadtgesellschaft ist heute ein be-
achtenswerter Faktor geworden und ihr Mitgliederkreis ein
großer. Dank der unermüdlichen Tätigkeit des Vorsitzenden
Bernhard Kampffmeyer und des Geschäftsführers Adolf
Gtto. Den Begründern der Gartenstadtgesellschaft ist es
von vornherein klar gewesen, daß bis zur Erreichung des
Endzieles viele Jahre vergehen würden. Die Deutsche
Gartenstadtgesellschaft ist daher auch stets, anknüpfend
an die vorhandene Baugenossenschaftsbewegung
für die Begründung kleinerer Siedlungen auf genossen-
schaftlicher Basis eingetreten, ohne das Endziel aus
dem Auge zu verlieren, stellen doch diese kleineren Sied-
lungen Etappen auf dem Wege zum Ziele dar.
So wird in Kürze bei Karlsruhe, dank der Initiative
des Generalsekretärs der Deutschen Gartenstadtgesellschaft,
des Malers Hans Kampffmeyer, eine Gartenvorstadt
erstehen. Es ist dort zu diesem Zwecke eine Genossen-
schaft gegründet worden, welche für die geplante Siedlung
rege Vortragspropaganda entfaltet und auch die Verhand-
lungen mit der Regierung führt, die zu sehr günstigen
Bedingungen ein landschaftlich reizvolles Gelände zur Ver-
fügung gestellt hat. Mit dem Bau der ersten Häuser wird
demnächst begonnen werden.
wie in Karlsruhe die Genossenschaft, so ist in Berlin
die Gründung des „Vereins für künstlerische Sied-
lungen" Gartenstadtleuten zu danken.
In Berlin war es speziell die Verschandelung der
Landschaft in der weiteren Umgebung infolge der schema-
tischen Geländeaufteilung und der sogenannten Villenbauten,
die zur Gründung des genannten Vereins führte.
Der Verein will eine Musterkolonie schaffen. An
Stelle der heute üblichen Villa soll das Landhaus, an Stelle
der jetzigen Villenkolonie die alte märkische Dorfsiedlung
treten. Die vorhandenen landschaftlichen Reize sollen voll
erhalten und durch die planmäßige Siedlungsanlage noch
wesentlich gesteigert werden. Das Gartendorf, wie es
Gartenbaudirektor Willi Lange in feinem gleichnamigen
Werke so treffend genannt hat, ist das Ziel.
Der Verein will seine Tätigkeit jedoch nicht auf die
Schaffung dieser einen Musterkolonie beschränken, sondern
eine Zentralstelle für künstlerische Siedlungen rund um Berlin
sein. Nicht jedermann wird sich im Gsten oder im Westen
oder Norden oder Süden Berlins ansiedeln wollen, sondern
für jedes Gebiet wird immer nur ein ganz bestimmter
Interessentenkreis in Frage kommen. Diese Interessenten-
kreise nun gilt es zu sammeln und zu organisieren. Der

(vergl. Nr. 5, S. 65.)
Verein wird daher in nächster Zeit rege mündliche und
schriftliche Propaganda entfalten, um einen möglichst großen
Mitgliederkreis zu werben, aus dem sich dann die einzelnen
Gruppen für die verschiedenen zur Verfügung stehenden
Gbjekte abzweigen. Jede Gruppe wählt für sich
selbst die ihr geeignet erscheinende Rechtsform.
Bereits heute, kurz nach der Begründung des Vereins,
liegen Angebote für den Westen, Norden und Gsten
Berlins vor. In letzterem Falle handelt es sich um ein in
Kommunalbesitz befindliches wundervolles Gelände am
Müggelsee. Hier ist die Möglichkeit der Erbpacht nicht
ausgeschlossen. Entsprechende Verhandlungen sollen ein-
geleitet werden. Auch das westliche Gelände ist zu einem
Teile für eine genossenschaftliche Siedlung geeignet. Das
dritte Gelände liegt an der Nordbahn. Der geforderte
Grundpreis ist hier verhältnismäßig hoch; jedoch ist in
dieser Kolonie seitens des Grundbesitzers, einer Terrain-
gesellschaft, bereits Landhausbau vorgesehen, auch ist dort
jeder Komfort (Gas, Wasserleitung) vorhanden. Durch
entsprechende Verhandlungen werden sich auch hier wohl-
feilere Verhältnisse schaffen lassen.
Es steht außer allem Zweifel, daß sich einer Käufer-
oder Pächter-(Organisation ganz andere Erwerbs- und
auch Finanzierungsmöglichkeiten als dem einzelnen eröffnen.
Diese Möglichkeiten werden sich in allen den Fällen steigern,
in denen es sich um ein größeres Gelände handelt, für
das durch den Verein ein Ansiedlerkern gestellt wird, für
das also die seitens des Vereins zu schaffende Siedlung
gewissermaßen der: Grundstock darstellt. Gerade solches
Gelände kommt aber hauptsächlich in Frage, denn nur in
einer großen unberührten Landschaft lassen sich die ästhe-
tischen Ziele des Vereins verwirklichen. Die Siedlung
stellt dann an sich ein großes Kapital dar, denn schon in
dem Moment, wo ihr Entstehen gesichert ist, erhöht sich
der Bodenpreis des umliegenden Geländes so erheblich,
daß für den Grundbesitzer eine bessere Reklame kaum
deukbar ist. Statt Tausende für Reklamen zu opfern, die
niemals bleibenden wert haben, kann hier eine weitaus-
schauende Terraingesellschaft ohne jedes Gpfer durch bloße
Finanzierung sich eine bleibende Empfehlung schaffen und
dies umsomehr, wenn es sich um eine künstlerische
Siedlung handelt, deren Teilnehmer vornehmlich Gelehrte,
Künstler und Schriftsteller sind. Sowohl Terrain gesell-
schaften als auch Behörden werden diese Gesichtspunkte
nicht unberücksichtigt lassen und zu großem Entgegenkommen
bereit sein. Es ist dies keine bloße Behauptung; wie schon
erwähnt, liegen Angebote vor, welche diese Annahme recht-
fertigen.
Eine reine „Künstlerkolonie" empfiehlt sich nicht,
welcher Maler möchte dauernd in einer Maler-
kolonie, welcher Bildhauer nur unter Bildhauern
und gar welcher Schauspieler oder Jour nali st nur
unter seinesgleichen Hausen?
Dagegen wird die Vereinigung vieler künstlerischer Be-
rufe für alle Ersprießliches ergeben. Auch die Grgani-
sationsform wird keine Schwierigkeiten bereiten. Die
zweckmäßigste dürfte wohl in den weitaus meisten Fällen
die genossenschaftliche sein. Dieser Standpunkt wird
ja auch von der Redaktion dieser Zeitschrift mit vollem
 
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