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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Der Wettbewerb zur Ausschmückung des Pappelplatzes in Berlin
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Eine Kunstrede von Professor Richard Muther
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Ausstellungen / Preisausschreiben / Denkmäler / Aus Akademien und Kunstschulen / Personalien / Auszeichnungen / Todesfälle / Vereine / Kunsthandel und Versteigerungen / Mitteilung aus der Geschäftswelt / Vermischtes
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0458

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft ZZ.


Stimmabgabe wird, wie beschlossen, bekanntgemacht:
Jeder am Wettbewerb Beteiligte erhält bei Ablieferung
seiner Entwürfe einen Stimmzettel, dessen Aushändigung
init seinem Namen und Motto durch einen Vertrauensmann,
unter Diskretion, in einer Liste bescheinigt wird. Auf
diesem Zettel uotiert er das Motto derjenigen 6 Entwürfe,
event. seine eigenen inbegriffen, welche er für die zweck-
entsprechendsten und künstlerisch wertvollsten hält, und
unterzeichnet init seinem Namen. Die Stimmzettel werden
in einer Urne gesammelt, die auf die einzelnen Mottos
entfallenden Stimmen durch die unter K 8 benannten Herren
gezählt, die Mottos der Größe der Stimmzahl nach gebucht,
und hiernach die Reihenfolge bei der Prämiierung bestimmt."
Runllrecie von Professor
Mckarct Mutber.
In Berlin fand ain Z. Mai eine Protestpersammlung
des deutschen Goethebundes gegen die Angriffe auf
die Freiheit der Kunst und Wissenschaft statt, zu der alle
Goethebünde des Deutschen Reiches Delegierte entsandt
hatten. Hierbei hielt u. a. auch Prof. Richard Muth er
aus Breslau folgende Rede:
„Ich sollte über den Breslauer Fall sprechen.
Nach den Zeitungsberichten hatte sich da ein Akt himmel-
schreiender Ignoranz, ein Schildbürgerstreich erster Klasse
zugetragen, hatten Staatsanwalt und Gerichtshof sich dein
Zelotismus des finstersten Mittelalters verschrieben. Eine
Venus von Giorgione und die Npmphe mit Faun von
Begas sollten beschlagnahmt worden sein. In Wahrheit
handelte es sich da um eine sehr verwickelte Sache uud ein
Anlaß zur Eutrüstuug liegt nicht vor. Die beiden Kunst-
werke dienten nämlich nur als Titelblatt für eine blöd-
sinnige Serie ekelhafter Nuditäten: .Berlin bei Nachll.*)
Ich will deshalb keine fulminante Rede über das Recht
des Nackten in der Kunst daran anknüpfen. (Heiterkeit.)
Die Kunst hat allerdings stets ihre vornehmste Aufgabe in
der Verkörperung des Nackten gesehen. Die Aphrodite von
Melos, die Akte von Rembrandt und die Nuditäten des
Rokoko sind keine abstrakten Idealfiguren, sondern Ab-
bildungen der Wirklichkeit und von einer starken animalischen
Sinnlichkeit durchpulst. Wenn uns die klassischen Werke
heute nicht mehr so sinnlich reizend erscheinen, so rührt das
nur daher, daß es uicht mehr dieselben Körperformen und
dieselben Bewegungen sind, die wir heute als sinnlich aus-
stachelnd betrachten. Aber im ganzen gehören wir doch
einer kleinen, moralisch engherzigen Zeit an. Wir freuen
uns an den griechischen Statuen, an den Akten Tizians
und Lorregios; aber die freie Sinnlichkeit ihrer Werke wird
den Lebenden verdacht. Ls ist ja nur eine unhaltbare
Phrase, daß die Kunst ein geheiligter Bezirk sei, und daß
sie alles zu eiuer geschlechtslosen Reinheit emporhebe. Der
Soldat, der von seinem Unteroffizier ins Museum geführt
wird, sieht iu der Leda des Eorregio uud in der Danae
des Tizian nichts als ein nacktes Weib. Daraus haben
schlaue Händler ihren Plan gebaut, zusammen init solchen
Kunstwerken den Ungebildeten für ein paar Groschen den
erbärmlichsten Schund anzuschmieren. Da können wir es
den Staatsanwälten nicht Übelnehmen, wenn sie mit dein
Schund ein Kunstwerk beschlagnahmen, denn wer es zu-
sammen mit den erbärmlichsten Loquottenbilderu kaust,
bezeugt ja selbst, daß auch das Meisterwerk für ihn nur
ein unanständig entblößtes Weibsbild ist. Versuchen wir
also, das Volk zu erziehen, Nuditäten auch ohne saunisches

Grinsen zu betrachten, leiten wir die Kinder an, schöne
Nacktheiten in Leben und Kunst mit reinen Augen zu be-
trachten.
Im Grunde genommen sind das allerdings nur Worte,
denn die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts ist
immer etwas sehr Probleinatisches, und die Zahl der Goethe-
menschen wächst trotz der Zahl der Goethebünde nicht.
Viel wichtiger als die Frage, ob ein Staatsanwalt in der
Provinz sich bei Nuditäten blamiert, ist die Frage, ob wir
uns eine Kunst ausdrängen lassen dürfen, die
überhaupt keine Kunst ist. (Sehr wahr!) Die Museen
sind die einzigen Bildungsanstalten des Volkes für Kunst.
Deshalb dürfen im Museum nur Kunstwerke Ausnahme
finden. patriotische Gesichtspunkte können da
nicht hinein spielen. Werke, die kein anderes
Verdienst haben, als die Großtaten der ange-
stammten Herrscher zu verherrlichen, möge man in
den Ministerien, Rathäusern und Landratsämtern aus-
hängen, aber in die Kunstsammlung gehören sie
nicht. (Heiterkeit und Beifall.) Wer die führenden Geister
des t9- Jahrhunderts waren, hat die Wissenschaft entschieden
— mögen auch Feuerbach, Leibl und Böcklin einem noch
so hochgestellten Dilettanten mißfallen, das tut
nichts zur Sache. Eine Nationalgalerie darf kein
patriotischer Bilderspeicher werden. (Stürm. Bei-
fall.) Das verbietet die deutsche Kunst und das Bildungs-
bedürfnis des Volkes. Wenn die Frage brennend wird,
ist es auch die Pflicht des Goethebundes, zur Stelle zu sein."
Stürmischer Beifall.)

Eröffnete Ausstellungen.
München. Im Salon Hermes (Promenadeplatz t>)
sind neu ausgestellt Gemälde von: H. v. Habermann, Ed.
Schleich sen., Wilhelm Löwith, Keller-Reutlingen, G. Segan-
tini, sowie das neueste große Werk von Eduard Grützner,
„Ein Kunstmäcen".
München. Die Galerie Heinemann feierte ain
6. Mai das 25jährige Bestehen ihrer Kunsthandlung,
zu den: wir sie auch an dieser Stelle beglückwünschen.
— Red.
München. (Galerie Heinemann.) Für Mitte
Mai ist eine Ausstellung des Karlsruher Künstle r-
bundes in Vorbereitung.
Prag. Die Frühjahrs-Ausstellung des Künstlervereins
„Manes" vereinigt über Bilder von Mitgliedern des
Vereins. Die Maler sind mit etwa ;oo, die Bildhauer
mit 35 Arbeiten vertreten.
Stuttgart. (Im Württemberg. Kunstverein)
neu ausgestellt: Eine Sammlung Gemälde, Studien und
Skizzen von Karl Hartmann; eine Sammlung Gemälde
von Edgar Faraspn; Gemälde von H. Kummerfeld (3),
L. H. Lronc (2), F. Mahr, Auua Peters, Rob. Grabbert,
H. Grünzweig, G. Koschewa (2) und 2 Zeichnungen von
demselben usw.
Stuttgart. Vom Vorort Stuttgart wurde am
Mai d. I. in Richtung Heilbronn in Umlauf gesetzt
Sendung Nr. 5 des süddeutschen Turnus, enthaltend Ge-
mälde von Ad. Schmidlin (2), G. Gbier (5), Gtto v. Groote,
Sain. Erone (2), Siegfried v. Leeth (3), Nanny Elaefien
(6), K. Schleibner (2), L. Seith; Aquarelle, Holzschnitte,
Lithographien von F. A. Burger (8), M. Buchcrer (5), Ed.
Seith (7); Bronzen von Iac. Pleßner (3).
Weimar. (Großherzogliches Museum.) Neu
ausgestellt: Gemälde von Mitgliedern der Mecklenburg-
poin mersch en Künstler Vereinigung: Rudolf Bartels-
Weimar, Franz Bunke-Weimar, A. Heinsohn-Rostock, Her-
mann Koenemann-Stargard i. M., Pros. Paul Miiller-
Kaempsf-Ahrenshoop, Heinrich Schlotermann-Althagen, M.
Stahlschmidt-Weimar, Ernst Hugo Freiherr von Stenglin
Schwerin i. M., Gtto Tarnogrozki-Stettin.
 
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