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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Westheim, Paul: Künstler und Geschäftsmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0513

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Die Werkstatt der Kunst

keäakieur: fritz HeUnag.

VII. Jakrg. Heft 37. Äk iZ. Juni 1908.

In rteite onterer L-Mckritr ereilen vir jeciern Lünllier «iss freie Mort. Mir sorgen cissür, ctsS keineriei
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. __—- eine Llebereinstirnrnung rnii cien auf cliess Meis« vorgeirsgenen Meinungen zu erkennen.

Künstler unck Gesl^ästsrnann.

Beobachtungen von
Man pflegt die beiden Begriffe nicht gern in einem
Atem zu nennen, um fo nützlicher wird es zuweilen fein,
den Künstler als Geschäftsmann und den Künstler
in seinem Verhältnis zum Geschäftsmann zu be-
trachten. Kulissenbeobachtungen sind immer anregend.
Der Künstler steht nicht jenseits der ökonomischen
Wirtschaftsordnung. Er lebt, will, muß und soll auch
„leben". Nicht jeder ist in der glücklichen Lage, mit der
freund-nachbarlichen chilfe eines nahestehenden Geldbeutels
abzuwarten, bis er einmal ein Gelbild verkauft, ob Mäcenas
sich jemals zu ihm verirrt. Auf der anderen Seite lockt
die moderne Industrie mit ihrem großen Bedarf an künstle-
rischen oder sagen wir lieber an kunstgewerblichen Kräften
und ihrem Kapital. Tausend Möglichkeiten des Erwerbes
und vor allem auch des künstlerischen Erfolges bieten sich
hier. And es ist ja gar nicht notwendig, daß der Künstler
hinter dem Geschäftsmann zurücktreten muß. Es gibt
Persönlichkeiten genug, die ohne ein Gpfer ihrer Ueber-
zeugung . . .
Durch diese erste Erwägung ist mit dem Lraum vom
reinen, idealsten Künstlerschaffen ein kleines Kompromiß
geschlossen. Es gibt unter dieser: Künstlern manchen, der
noch ein gewisses Schamgefühl überwinden zu müßen glaubt;
dann aber möchte er Geschäfte, recht gute Geschäfte machen.
was anfangen? wer in langen Jahren gelernt hat,
Bilder zu malen oder zu zeichnen, wird sich gern nach
einem Arbeitsgebiet umsehen, für das diese technischen Vor-
aussetzungen zum größten Teil genügen. Er fertigt also
zunächst Entwürfe für Buchumschläge, Buchillustrationen,
Notentitel, Ansichtskarten, Plakate oder sonstige Reklame-
drucksachen an und macht sich damit auf den weg von
Verleger zu Verleger, von Kunstanstalt zu Kunstanstalt.
Mitunter hört er: „Es sind schon 8? vornotiert." Aber
nehmen wir einmal an, ein Verleger, der ein ernstes Interesse
an den Entwürfen hat, läßt den Künstler zu sich kommen.
Er läßt ihn einen Entwurf für irgendeinen Bnchumschlag
machen. Der Künstler ist natürlich bestrebt, eine solche
Probearbeit sehr gut und vor allem sehr eigenartig und
sehr originell zu machen. Alleiniger Juror ist der Auftrag-
geber. der wahrscheinlich ein tüchtiger Verleger und ebenso
wahrscheinlich ein halb so tüchtiger Beurteiler eines Kunst-
werkes ist.
Im Bureau entspannt sich eine kleine Unterhaltung:
Der Verleger: Ihre Sachen gefallen mir eigentlich
ganz gut. Sie haben Talent, junger Mann.
Der Künstler (macht eine leichte Verbeugung, freudig
errötend).
Der v.: Ich glaube schon, daß mit uns was zu
machen sein wird.
Der K.: An mir soll es nicht fehlen.
Der V.: Sie sind ja sehr originell. Aber sehen Sie
mal, der Entwurf da (der Künstler war auf ihn am meisten
stolz) ist doch ein bißchen-bizarr. Ich hatte mir das
eigentlich ganz anders gedacht. Verstehen Sie mich nicht
falsch, ich will ja gar nichts gegen den künstlerischen wert

Paul Westheim.
von so'ner Sache sagen. Aber wäre es vielleicht nicht
besser gewesen, statt grün auf gelb etwa gelb auf blau zu
nehmen. Sehen Sie mal, ich würde ja trotzdem gern den
Entwurf ausführen, aber ich muß doch mit dem Geschmack
des Publikums rechnen, und kein Buchhändler würde so
etwas in seine Schaufenster legen.
Der K.: wenn Sie meinen, könnte ich ja einen
anderen Entwurf machen.
Der V.: Na ja, Sie verstehen mich schon.
Der K. (packt seine Entwürfe zusammen).
Der V.: Sagen Sie mal, Sie sind doch ein geschickter
Mensch, könnten Sie nicht mal so etwas machen (zeigt ihm
ein Blatt aus einer englischen Zeitschrift). Sehen Sie mal,
fo'n Mädchen ist doch schick. Statt der Strandkörbe da im
Hintergrund könnten Sie vielleicht eine einfache Landschaft
machen. Das paßt auch besser zu dem Buch.
Der K. (verlegen): Aber, verzeihen Sie . . .
Der v.: verstehen Sie mich nicht falsch. Sie sollen
das ja nicht nachmachen. Nur so in der Art hätte ich
gern was. wie Sie das machen, ist ja Ihre Sache.
Der K.: wäre es vielleicht nicht doch besser, wenn ich
einen neuen Entwurf machte. Ich halte dieses Umzeichnen
für nicht recht fair.
Der V.: Ach was, fair. Junger Mann, lassen Sie
sich von einem erfahrenen Praktiker raten. Das machen
ja alle so. Ihre bedeutendsten Kollegen — na ja, ich will
ja Ausnahmen gelten lassen. Sehen Sie z. B. hier einen
Notentitel. Der ist nach einen: französischen Plakat gemacht.
Da ist zufälligerweise noch das Griginal.
Der K.: siune ^vril von Toulouse-Lautrec.
Der v.: Das Weib da auf dem Podium war mir ein
bißchen zu gemein. Der Zeichner hat daraus ein ganz
appetitliches Soubrettchen gemacht, und die Mordsfansi im
Vordergrund war auch ja ziemlich zwecklos. Als Rahmen-
vignette in der rechten Ecke macht sie sich bedeutend besser,
warum sollten Sie denn das nicht auch können. Wissen
Sie, mit Ihren originellen Phantasien werden Sie ein be-
rühmter Künstler und von Ihrer Geschicklichkeit leben Sie.
Sie sind so freundlich und kommen übermorgen mit dem
Entwurf mal wieder vorbei.
— — Der Künstler geht. In ihm tobt ein Kamps.
Am liebsten kehrte er sofort um, um dem Verleger den
ganzen Bettel vor die Füße zu werfen. Er findet die Zu-
mutung unanständig. And dann taucht der Gedanke an
die 50 oder 75 Mk., an die neue Verbindung mit einer
ganzen Menge weiterer Aufträge auf. Ein warmes Abend-
brot, ein hübsches Mädel, eine Sommerreise! Geld, Geld!
In ihm ringt der Künstler mit dem Geschäftsmann. Nicht
jeder ist als Persönlichkeit stark und ernst genug, hier stand-
haft zu bleiben. Viele machen ein Kompromiß. Sie geben
sich „einmal" dazu her, um wenigstens „rein zu kommen".
Später wollen sie ganz selbständig bleiben. Sie betäuben
sich mit einem goldenen Narkotikum — —
Warum wohl der Verleger den Griginalentwurf nicht
annehmen wollte? Er ist Geschäftsmann. Nur in Aus-
nahmefällen ist er in der Lage, den künstlerischen Wert der
vorgelegten Arbeit zu erkennen. Und da er kein wert-
 
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