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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Der deutsche Werkbund
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heft §0.

Die Werkstatt der Kunst.

535

Erst wenn der Staat als Auftraggeber die höchsten
Ansprüche stellt, hat es einen Sinn, daß er auf der anderen
Seite die Erziehung des gewerblichen, technischen und künstle-
rischen Nachwuchses so gestaltet, daß beste gewerbliche,
technische und künstlerische Kräfte entwickelt werden. Seine
Mitwirkung bei der Erziehung ist zur Notwendigkeit ge-
worden, nachdem die Neuorganisation der gewerblichen
Arbeit die früheren Mittel der Ausbildung, Lehrlingszeit
und Wanderschaft, wesentlich verändert und vielfach in
Frage gestellt hat. Sie könnte erst dann wieder entbehrt
werden, wenn das Gewerbe aus eigener Kraft neue und
eigene Formen der Erziehung seines Nachwuchses entwickelt
hätte. Sier öffnet sich dein Bnnd ein großes Feld der Be-
tätigung.
Unter allen Umständen muß sich die Erziehung ihres
letzten Zieles, einer Veredelung der gewerblichen Arbeit,
bewußt bleiben. Programm und Lehrinhalt haben daher
in engster Beziehung zur Arbeit zu stehen: je enger die
Verbindung mit dem Gewerbe ist, um so sicherer wird die
Erziehung davor bewahrt bleiben, sich von der Arbeit zu
entfernen und sich unbestimmten, sogenannten rein künstle-
rischen Tendenzen hinzugeben. Auf der anderen Seite
freilich wäre es kurzsichtig, die Erziehung auf die jeweiligen
Moderichtungen des Kunstgewerbes in den einzelnen Be-
rufen einzustellen. Dies hieße nicht erziehen, sondern ab-
richten. Ls kann nur darauf ankommen, alle im Schüler
schlummernden Fähigkeiten derart zur Entfaltung zu bringen,
daß er im späteren Leben ohne große Mühe den wechseln-
den Anforderungen der gewerblichen Praxis gewachsen bleibt.
Aufgabe des Gewerbes muß es daher fein, seinen
Nachwuchs die Mannigfaltigkeit gewerblicher Arbeit an
den ihm gestellten Aufgaben bewältigen zu lehren und in
ihm die Freude und Liebe zum Berufe zu wecken. Die
gewerbliche Entwicklung drängt darauf hin, die allenthalben
vorhandenen Ansätze der Erziehung gewerblichen Nach-
wuchses in leistungsfähigen Großbetrieben auf das eifrigste
zu befördern: und auszubauen. Gerade auf diesem Gebiete
liegen die dringendsten Aufgaben der Zeit; denn fehlt der
berufsfreudige Nachwuchs, so muß ein Gewerbe verküm-
mern. Keine Staatshilfe kann in solchem Falle den Schwund
an Menschenkrast und lebendiger Fähigkeit aufhalten. Keine
Propaganda vermag dem Gewerbe diese Kraft zu ersetzen.
Es hat sich dann selbst die wurzeln seiner Triebkraft durch-
schnitten.
Für die Hebung der gewerblichen Arbeit bietet das
Erziehungswesen die kräftigste Handhabe — denn in der
Jugend liegt stets das Programm für die Zukunft.
Aber es wird auch nötig sein, in dem großen Publi-
kum der Käufer und Abnehmer aufklärend und belehrend
zu wirken, um die gute Arbeit immer mehr zur Anerken-
nung zu bringen. An programmatischen und rein theo-
retischen Ausführungen, wie überhaupt an literarischer
Darstellung der Ideen der neueren Kunstbewegung ist kein
Mangel. Allein es wird sich darum handeln, tatsächliche
Belehrung an konkreten Beispielen zu geben, an der es
bisher fehlt. Von Fachleuten in populärer Form gegebene
Aufklärungen über die verschiedensten Gewerbeerzeugnisse,
denen der Käufer begegnet, find notwendig in einer Zeit,
in welcher der Konsument durch eine Reihe von Zwischen-
instanzen (Händlern, Agenten, Verkäufern) von der ursprüng-
lichen Produktionsstelle weit getrennt ist und Belehrung
von dieser nicht mehr erhält. Der Niedergang der (Dualität
in der gewerblichen Produktion hat zum großen Teil seine
Ursache in der Unerfahrenheit und Unwissenheit des Publi-
kums in technischer Beziehung.
In einer Zeit, in welcher die Buchgelehrsamkeit die
Oberhand hat und eine literarische Auffassung den einzelnen
von den handgreiflichsten Dinge:: des Lebens weit abge-
trieben hat, muß das Verständnis für technische Arbeit
auch durch die allgemeine Erziehung wieder geweckt werden.
Ihr wird es zufallen, den Sinn wieder auf das Reale zu
lenken, Auge und Hand des heraufkommenden Geschlechts

in wirklicher Betätigung zu schulen und, ohne dünkelhaftes
Dilettantentum zu züchten, das Verständnis für (Dualität
wieder anzubahnen.
Daneben werden, wie das bisher schon geschehen ist,
gewerbliche Ausstellungen dafür zu sorgen haben, daß den:
Publikum fortlaufend die besten Erzeugnisse in ansprechen-
der Form vorgeführt werden. Aber das erzieherische Mo-
ment muß in derartigen Ausstellungen obenan stehen, es
muß jedenfalls dann an erste Stelle treten, wenn öffentliche
Gelder für die Ausstellung verwandt werden. Die Förde-
rung des Gewerbes, die in solchen Ausstellungen erstrebt
wird, darf nicht ausschließlich darin erblickt werden, daß
durch sie der Produktion von heute auf morgen lohnende
Aufträge übermittelt werden. Die wahre Förderung, die
die Ausstellungen leisten, liegt vielmehr darin, daß sie das
Verständnis für hochstehende Arbeit vermitteln, die (Dualitäts-
ansprüche der Konsumentenkreise heben und so auf die
Veredelung der Arbeit überhaupt hinwirken. Es ist daher
darauf zu achten, daß gewerbliche Ausstellungen nur Gegen-
stände vorführen, die in jeder Beziehung, in technischer,
künstlerischer und wirtschaftlicher, mustergültig sind. Zur
Durchführung dieses Grundsatzes muß eine scharfe Ueber-
wachung des Ausstellungswesens Platz greifen und die
Leitung in die Hand von weitblickenden, künstlerisch und
technisch ans der Höhe stehenden Persönlichkeiten gelegt
werden.

Gilt dies schon von gewerblichen Ausstellungen im
Inlands, so wird es zur unerläßlichen Forderung beim
Auftreten der deutschen Kunst und Industrie im Auslande.
Vier handelt es sich um eine Vorführung der nationalen
Leistungsfähigkeit vor den Augen der Welt. Es wird
strenge Wachsamkeit darüber zu üben sein, daß solche Vor-
führungen wirklich nur das Beste zeigen, was geleistet
wird. Gerade hier wäre es verfehlt, den geschäftlichen
Tageserfolg zum alleinigen Maßstab zu machen.
Das deutsche Kunstgewerbe hat nicht wie das fran-
zösische und englische seinen alten Ruf, es soll seinen Ruf
erst begründen. Und bei der Schwierigkeit, vorhandene
Vorurteile auf dem Weltmärkte zu bekämpfen, wird cs
noch angestrengter Aufmerksamkeit bedürfen, diejenige
Achtung vor der deutschen Arbeit zu erringen, die ihr nach
den: Stande ihrer besten Leistungen heute schon zukommt.
Lin solches Ziel wird sich nur erreichen lassen, wenn
ihn: die besten Kräfte der Nation in Einmütigkeit zustreben.
Einseitige, auf den Tageserfolg abzielende Sonderinteressen
werden hemmend im Wege stehen. Soll sich die deutsche
Arbeit zur höchsten (Dualität steigern, so ist die Zusammen-
arbeit der besten künstlerischen und gewerblichen Intelligenz
unerläßlich. In ihren: Zusammenschluß zur Hebung der
(Dualität erblickt der Deutsche Werkbund sein höchstes Ziel,
in ihm allein die Gewähr einer deutschen Kultur.
Kulturbestrebungen, die nicht aus der breiten Fülle
unserer wirtschaftlichen Arbeit erwachsen, verflüchtigen sich
allzu leicht zu bloßem Knlturgerede. Ein Gewerbe anderer-
seits, das nur dem geschäftlichen Erfolg hingegeben ist,
versäumt seine beste Aufgabe und erringt nicht die Achtung
der Nation. Ls läßt das in ihm schlummernde Kultur-
vermögen ungenutzt verkümmern.

Aus Künstler- uncl Kunst-Vereinen.
alten Meister anzuregen. Oeffentliche populäre Vorträge
über „Kunst und Technik usw. der alten Meister" sind eben-
falls geplant. Den Vorsitz führt Maler (Dtto Blankenstein,
'W., Kurfürstenstraße ((3. Das Schriftführeramt hat Maler
Eugen Schmidt-Herboth, Steglitz, Breite Straße 2(,
übernommen.
 
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