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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Die Neuburg am Inn als Künstler-Erholungsheim
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Die Werkstatt der Kunst

keäakteur: fritz yellwag.

VII. Jakrg. I)ekt 41. s 21. Juli 1908.


Vie veuburg am Inn als Rünstler-Erkolungskeim.

In einein, MN 9. Juli im Pestsäule des Künstlerhauses
von: Bayerischen Verein für Volkskunst nnd Volks-
kunde arrangierten Vortragsabend, zi: den: sich auch Staats-
minister r>. 'Brettreich und Rechtsrat Steinhäuser
sowie zahlreiche Kunstfreunde und hervorragende Baukünstler
eingefunden hatten, führte der Referent Regierungsrat
Vr. Gröschl folgendes aus:
„Etwa drei Wegstunden südlich von Passau liegen
gegenüber der österreichischen Bahnstation Wernstein die
gewaltigen Reste einer der ältesten und «nächtigsten Burgen
Bayerns: Neuburg a. Inn. Die Schicksale dieses auch
landschaftlich hervorragenden Grafensitzes sind mit der Ge-
schichte Bayerns und Oesterreichs aufs innigste verbunden
und um wenig bayerische Burgen ist so viel und grimmig
gekämpft worden wie um Neuburg a. Inn. Ls war in
Kriegszeiten für Mesterreich der Schlüssel zu Bayern und
für letzteres das Bollwerk gegen Oesterreich und wurde
nicht weniger als fünfzehnmal mit Aufwand von viel Gut
und Blut erstürmt. Die Geschichte dieser Burg reicht bis
in das Ende des to. Jahrhunderts n. Ehr. zurück und eine
Reihe von Namen mit weltgeschichtlicher Bedeutung ist an
Neuburgs Vergangenheit geknüpft; die Mutter der heiligen
Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, verlebte hier ihre
Jugendzeit, ebenso die heilige pedwig, die Landcspatronin
von Polen nnd Schlesien. Diese kurzen Angaben werden
zur Kennzeichnung der bedeutungsvollen Geschichte dieser
Burg genügen."
Ueber die jetzige bauliche Beschaffenheit der
Burg machte der Redner an der Band zahlreicher Licht-
bilder folgende Mitteilungen: „Ob noch Bauteile aus vor-
gotischer Zeit vorhanden sind, erscheint zweifelhaft; es
stehen aber noch viele gotische Ueberrefte, insbesondere die
ansehnlichen Ruinen der vier Türme der Vorburg, der
Bergfried der Pauptburg und die spätgotische, baulich voll-
ständig erhaltene Schloßkapelle. Im nordöstlichen Teile
sind noch Spuren dekorativer Malerei und plastischen Decken-
schmuckes im Stile italienischer Renaissanee, reichornamcn-
tierte und bemalte Gewölberippen aus gebranntem Ton,
Kamine usw. vorhanden. Auch der ehemalige Rittersaal,
in dem das Gewölbe von einer in der Mitte stehenden
Säule und einem Pfeiler getragen wird, ist baulich noch
ganz erhalten und von den übrigen Gebäuden des nord-
östlichen Traktes stehen die Hauptmauern, große, aber schlecht
eingedeckte Räume umfassend, darunter vier große gewölbte
Zimmer. Der südöstliche Teil, der sog. Fürstenstock, ist bis
auf eine einsam stehende hohe Umfassungsmauer längst
dem Erdboden gleichgemacht und der Beginn weiterer Ab-
brucharbeiten an dieser Mauer, der dem Burghof den bis-
herigen Charakter der Geschlossenheit schon genommen hat,
gab zu der nun ins Leben gerufenen Agitation des „Passauer
Kunstvereins" und des „Vereins für Volkskunst und Volks-
kunde" die erste Veranlassung. Die ganze Burg wird von
dem hohen fünfeckigen noch erhaltene,: Wartturm beherrscht,
in dessen oberstem Geschoß drei wachtstübchen mit weitester
Fernsicht nach allen Pimmelsrichtungen sich befinden. Ii:
der Vorburg steht vom Eingang links das t599 erbaute,
t?Z8 erneuerte und nun aufgelassene Bräuhaus sowie das
Wohngebäude des Besitzers — ein Privatmann — mit
neun schönen Zimmern und einem mächtigen Turme. Im
pofe rechts befinden sich umfangreiche Gekonomiegebäude,

die Ruinen der zwei übrigen Türme und ein laufender
Brunnen, der von einer zum Schlosse gehörigen Wasser-
leitung reichlich mit frischem Oucllwasser gespeist wird.
wer die herrliche Lage mit dein Ausblick bis zum
watzmann und Dachstein, die interessante Geschichte und
die gewaltigen Ruinen der Veste Neubnrg a. I. kennt,
mußte es tief bedauern, wenn dieses Monumentalwerk in
kürzester Zeit den: Erdboden gleichgemacht werden sollte.
Es handelt sich um ein stolzes, herrliches Werk der Denk-
malspflege, wenn es uns gelingen könnte, die Burg zu
retten. Aber nicht allein eine Tat kühl überlegender Denk-
malpflege wollte der „Volkskunstverein" vollbringen! Er
wollte das Bauwerk wieder erfüllen mit warmem
Leben, mit Elementen, die den Reiz dieser Oertlichkeit zu
empfinden vermögen und freudig ihr Perz seinem Zauber
öffnen. Und welche Kreise wären hierzu befähigter als
die Künstler, die unser armes Leben durch ihren Gottes-
fnnkcn über die brutale Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit
erheben, die uns zeigen, daß nicht der reelle Wert des
Stoffes das ist, was uns beglückt, sondern Form und Seele,
die ihm die gestaltende Kraft des Künstlers eingehaucht?
Die Künstlerschaft wird es verstehen, in altangestammte
Kunstfreudigkeit die Erinnerung an vergangene glänzende
Tage unseres Vaterlandes wieder aufleben zu lassen, die
stumpfen Mauern wieder zu erhellen mit der Sonne ihres
pumors und ihrer Schaffensfreudigkeit. Diese Erwägungen
haben den Volkskunstverein bestärkt in seiner Absicht,
diese sonnenfrohe Stätte zu einem Lrholnngshenn füv
unterstützungsbedürftige Aünstler und Aünstler-
innen inr Rubinen der ganzen bayerischen Aünstlcr«
schuft in Aussicht zu nehmen.
In Ausführung dieser schönen Absicht ist der Volks-
kunstverein mit dein Künstler-Unterstützungsverein
München ins Benehmen getreten; dieser hat sich bereits
zur Uebernahme der Burg und Verwaltung im angegebenen
Sinne bereit erklärt, während dem Voikskunstverein die
Beschaffung der Kaufsumme und der Mittel für die erste
Instandsetzung obliegt, die sich auf insgesamt etwa so000 Mk.
beziffern. Noch fehle,: dem Volkskunstverein zur Kauf-
summe für die Burg und die dazugehörigen t6 Tagwerk
Grund etwa 25 000 Mk.; für die Instandsetzung dürften
weitere HO 000 Mk. vonnöten sein.
pelfen wir alle zusammen zu dem großen
Werke, zu einen: volkstümlichen Werke der Denk-
malpflege, wie ein solches bisher noch nicht ge-
schaffen worden ist! Aber was wir anstreben, wäre
auch eine herrliche Tat sozialer Fürsorge, ein Volks-
tribut für die Künstlerschaft, in dem die altangestammte
Kunstfreudigkeit unseres Vaterlandes zu schönstem Aus-
druck gelangt; rufen wir deshalb mit dem Volks-
kunstverein: unterstützt alle die Erreichung des zweifach
erstrebten Zieles! Dort oben ist ein köstlicher Ruheplatz.
An der waldumrauschten Stätte hoch über den: rascheilenden
Flusse wird mancher, den Leben und Arbeit müde gemacht,
gesunden zu neuer Lebens- und Arbeitsfreudigkeit in:
sonnendurchleuchteten Maiengrün wie im perbstgold der
Wälder, und heißer Dank hochherzige Geber lohnen!
Se. Kgl. poheit der Prinzregent, der warmherzige
Förderer der Künste und der Künstlerschaft, steht obenan
als fürstlicher Geber hier, wie bei so vielen anderen Ge-
 
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