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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Ein frischer Luftzug nach Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0413

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Die Werkstatt der Kunst
keäakteur: ^ritz Hellxvag. VII. Jakrg. Hekt 30. s 2^. )4prU 1908.

In äielern ^eils unterer Leittckrifr erteilen tvir jeclein Rüntltsr clas trete Mort. Wir sorgen ctatür, clal? keinerlei
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————— — eine Nebereinstirnrnung rnit clen aus cliese Weise vorgetragensn Meinungen ;« erkennen. .—

Em frikeber Luftzug nack Hannover.

Man möchte einmal in die Verwaltungsräume des
Hannoverschen Kun st Vereins hineinblasen, daß die
Zöpfe fliegen und der wohlkonservierte Staub in die
Höhe wirbelt!
Geduld ist eine schöne Sache, aber sie reicht nicht
ewig! Unsere Leser werden es wissen, wie oft wir uns
schon mit diesem Kunstverein geplagt und wie ost wir
seine unliebenswürdige, ja rücksichtslose Geschäftsführung
schon gekennzeichnet haben. Mer kennt nicht die berühmten,
berüchtigten Kellerverließe dieses Vereins, in dem die Kunst-
werke, statt ausgestellt zu werden, dem Wachsen der Kartoffel-
keiine zusehen dürfen? Wer fah nicht mit Schaudern diese
buchstäblich gepflasterten Wände, an denen sich die dürftigste
Kunsthändlerware drängt und den Künstlern den Platz ver-
sperrt? wer hat sich noch nicht über die langweiligen
„Vereinsprämien" geärgert, bei welchen die Künstler, tüchtige
Kupferstecher und Radierer, niemals beschäftigt werden?
Jin Hannoverschen Kunstverein regiert ein Mann,
der sich mit Gewalt gegen jede fortschrittliche Entwicklung
stemmt, und gegen den, wie es scheint, kein Künstler in
Hannover aufzutreten wagt, weil er sonst fürchten würde,
daß er bei den nächsten Verlosungsankäufen übergangen
würde. Dieser Mann, in dessen Händen die Geschäftsleitung
eines der größten Kunstvereine Deutschlands liegt, hat es
im Laufe der Jahre zuwege gebracht, daß in Hannover das
Kunstleben vollkommen erstorben ist, daß Hannover gegen
die allerkleinsten Städte zurückstehen muß.
Man höre nur, wie denn diese „Ausstellungen" zustande
kommen: Meldet sich ein Künstler, so werden ihm vor Zu-
stellung der Ausstellungsxapiere mit gedruckten: Formular
folgende lächerliche Fragen vorgelegt:
t. Wo erhielten Sie Ihre künstlerische Ausbildung?
2. Auf welchen Ausstellungen wurden Ihre Kunst-
werke angenommen?
Nach wetsch's Kalender besitzt der Hannoversche Verein
eine eigene Jury. Wozu also diese Fragen? Wozu die
Jury? Ist sie nicht dafür da, selbst nach den Werken
zu urteilen, ob ein Künstler etwas gelernt hat oder nicht?
Ein elender Stümper, der diese Fragen, weil er lange Jahre
da und dort die Akademien „geziert" hat, mit wohlklingen-
den Namen beantworten kann, darf in die heiligen Hallen
einziehen, während ein tüchtiger Kerl, der nicht in der Lage
ist, „Lehrbriefe" vorzuweifen, ungeprüft hübsch draußen
blecken muß! Ferner: ist der „Bewerber" nicht schon früher
von anderen Jurys angenommen worden, so schickt man
ihm das berüchtigte Formular: „wegen Uebersüllung be-
dauern wir . . . ." — So ist es z. B. schon geschehen, daß
einem Künstler, der sich nicht genügend „ausweisen" konnte,
die ominöse Uebersüllung angezeigt wurde, während einem
anderen „besser beleumundeten" Künstler noch mehrere Wochen
später die Anmeldungspapiere „bewilligt" wurden.
Sieht man hier das hilfloseste Horchen nach fremden
Arteilen, so kann es dennoch gleich daraus passieren, daß
der Sekretär der Vereines, im Namen des Vorstandes, Kunst-
urteile zum besten gibt, die ihn vor der ganzen Welt lächer-
lich machen. Das beweist ein Fall, der sich vor einigen
Tagen zugetragen hat.
Ein feinsinniger Kunstliebhaber, der eine auserwählte
Galerie besitzt und in Hannover wegen seines tätigen Kunst-
sinnes größtes Ansehen genießt, wollte einmal den „Ring"

durchbrechen und versuchen, ob man den Besuchern des
Kunstvereins nicht auch einmal erstklassige Bilder vorführen
könnte; er sandte je ein Bild von Philipp Klein f und
von Leo Putz, letzteres einen liegenden Akt im Freien
darstellend. Aus Rücksicht aus den bekannten Kunstfreund,
mit dem man es wohl nicht verderben wollte, wurden die
beiden Bilder ausgestellt; schlecht gehängt zwar, aber sie
wurden ausgestellt. Kaum aber wandte der Kunstfreund
den Rücken und begab sich aus eine Reise — stugs wan-
derte das Putzsche Bild in das berüchtigte Kellerverließ und
ward nicht mehr gesehen! Der Besitzer wollte sich das doch
nicht ohne weiteres gefallen lassen, und er schrieb an den
Kunstverein:
An den Hannoverschen Kunstverein
Hannover.
Nachdem ich aus meine, an den Geschäftsführer am
5t. März d. I. gerichtete Anfrage, ob nnd wann das
mir gehörige, Ihnen geliehene Bild von Leo putz in
München, „Sommcrschwüle", entfernt sei, die postwendend
erbetene Antwort noch immer nicht erhalten habe, so sehe
ich mich veranlaßt, mich mit diesem eingeschriebenen Bries
direkt an den Kunstverein zu wenden, trotzdem ich wohl
annehmen darf, daß.auch Sie Kenntnis von dein Inhalt
meines an den Herrn Geschäftsführer gerichteten Schreibens
genommen haben werden.
Ich bitte Sie also hiermit ergebenst, mir umgehend
klipp nnd klar die Gründe angeben zu wollen, die zur
Entfernung meines Bildes vorlagen, da ja „Mangel an
Platz" nicht als Grund gelten kann.
Es hat mich ja schon aufs höchste befremdet, daß Sie
das Eintreffen der Bilder aus München mir anzuzeigen
unterließen, noch mehr aber, daß Sie den ganz erstklassig
gemalten Akt von Leo putz wochenlang in Ihrem
Keller stehen ließen, aus dem es erst am Tage meiner
Ankunft irr Hannover, am 26. März, und zwar da auch erst
aus meine dire kte Veranlassung hervorgeholt wurde, um
ihn nach meiner am 2H. März erfolgten Rückkehr nach
Steglitz schleunigst wieder verschwinden zu lassen. Ich hätte
doch wenigstens verlangen können, daß Sie mir, ehe Sie
das Bild abhängen ließen, von Ihrem Vorhaben Mitteilung
zukommen ließen unter Angabe Ihrer diesbezüglichen Gründe,
wenn ich ein Kunstwerk ersten Ranges Ihrer Ausstellung
— und noch dazu aus Ihre werte Veranlassung hin —
zusende, so darf und kann ich unter allen Umständen er-
warten, daß Sie diesem während der ganzen Ausstellungs-
dauer einen der allerbesten Plätze anweisen, denn dazu sind
mir denn doch meine wertvollen Bilder zu lieb, um als
Kellerschmuck zu dienen. Ich habe diesen Fall mehreren
Kunstinstituten in Berlin mitgeteilt, die sämtlich meiner
Ansicht sind. Jeder Kunstverständige wird nicht umhin
können, meinen Leo Putz und PH. Klein unter die aller-
besten Bilder Ihrer Ausstellung rechnen zu müssen. Indem
ich nochmals ergebenst um baldige Angabe Ihrer Beweg-
gründe bitte
zeichne ergebenst
(Unterschrift.)
Auf diesen Bries lies folgende, geradezu klassische
Antwort ein:
 
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