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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Wustmann, C. G.: Die Jury-Frage, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0301

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Die Werkstatt der Kunst

keäakteur: yeUwag.

VII. Jakrg. I)ekl 22. -ik Mar) 1908.

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eine Nebereinstirnrnung rnil cien aus ctiess Meise vorgsiragenen Meinungen zu erkennen. - -

Vie Iury-^rage. II.

Die Ausführungen Earl Deikers in Heft (9 kann
ich nicht unwidersprochen lassen. Freilich verzichte ich darauf,
in jenen höhnischen und ironischen Ton zu verfallen, der
in den letzten Wochen bei Entgegnungen zu meinem
Bedauern öfter zu beobachten war, zuletzt bei Ernst Eit-
ners inhaltloser Erwiderung auf K. E. Schmidts durch-
aus sachlichen und verständigen Artikel „Kunst und Brot",
und den ich in einer Fachzeitschrift unter Kollegen, zumal
wenn solche einander persönlich gar nicht kennen, sehr wenig
am Platze finde.
Bei allen Klagen und Verbesserungsvorschlägen zum
Thema „Jury" wird meines Erachtens die Hauptsache
immer übersehen: das Verhältnis zwischen der Menge ein-
gesandter Arbeiten und dem in einer Ausstellung vorhan-
denen Raum. Auch Deiker geht darauf gar nicht ein, er
sieht die Notwendigkeit der Jury nur darin, daß sich „nicht
jeder ,Nichtskönner^ auf unseren so ernsten Ausstellungen
breit machen" darf. Ich glaube, daß die Juroren unserer
führenden Ausstellungen mit wirklichen Nichtskönnern wohl
nur in ganz seltenen Fällen zu tun haben werden. Ls
wird wohl in der Hauptsache immer nur darauf zurück-
kommen, das Bessere vom weniger Guten zu scheiden und
von dem Besseren dann wieder das Beste auszulesen und
so das eingegangene Material auf den — oft vielleicht
verhältnismäßig recht kleinen — Teil einzuschränken, den
die betreffende Ausstellung eben in anständiger, d. h. ge-
schmackvoller Weise unterzubringen imstande ist. Daß bei
dieser Beschränkung auf eine den Raumverhältnissen ent-
sprechende Anzahl von Kunstwerken dann das -— nach An-
sicht der betreffenden Juroren — Bessere immer wieder
dem Guten vorgezogen wird, und daß dabei eine Jury
lieber drei ihr wertvoll erscheinende Werke von einem
Künstler nimmt, anstatt eines und zweier ihr weniger
wertvoller von zwei anderen Künstlern, das ist schließlich
eine Folge des doch ganz verständlichen Strebens, die Aus-
stellung, für deren allgemeinen künstlerischen Wert sie doch
mit ihrem Namen einsteht, auf eine möglichst hohe Wert-
stufe zu bringen.
Hier wäre nun meines Erachtens die einzige Mög-
lichkeit zu einer Aenderung zu suchen, natürlich nur in der
Voraussetzung, daß die Ausstellungsleitungen sich dazu ent-
schließen könnten, eine mehr human-kollegiale Auffassung
an die Stelle der bisherigen Auffassung einer möglichst
hohen „(Dualität des Ganzen" zu setzen. Ls ließe sich
dies etwa so bewerkstelligen, daß bei der ersten Siebung
nur das ausgeschieden würde, was den Juroren überhaupt
ungeeignet erscheint. Sodann wäre von allen übrigen
Künstlern zunächst die beste Arbeit auszusuchen, damit diese
alle zu Worte kommen könnten. Und zum Schluß müßten,
soweit noch Raum vorhanden ist, aus den noch übrigen
Werken wiederum die relativ wertvollsten ausgesucht werden.
Ein solches Verfahren würde freilich zwei Mängel haben.
Zunächst würden dann manche der besten Werke der Künstler
A., B., E.... ausgeschieden, um geringeren von R., S., T....
Platz zu machen, also das Durchschnittsniveau der ganzen
Veranstaltung würde niedriger. Und ferner müßte bei der
zweiten Wahl das für eine gerecht nnd ehrlich arbeitende
Jury wertvolle Beurteilen der Werke ohne Kenntnis ihrer
Schöpfer natürlich wegfallen, was dann für die dritte Wahl

wieder die Möglichkeit der Befangenheit durch die Kenntnis
der Schöpfer im Gefolge haben würde.
Vorschläge wie der von Deiker, daß die „abzuschlachten-
den" Künstler dem Rate der Jury möchten beiwohnen
dürfen, scheinen mir völlig der Ausführungsmöglichkeit zu
entbehren. Besonders würde aber dadurch die Tätigkeit
der Juroren auf ein ganz anderes Gebiet ausgedehnt; sie
müßten Kritik üben, Zensuren verteilen. Und das scheint
mir eben ein brennender Punkt bei der Sache zu sein, daß
viele Künstler dies aus der Tätigkeit einer Jury heraus-
zulesen scheinen und dadurch Empfindlichkeit großziehen
und Kränkung fühlen, wo es sich doch in erster Linie um
eine notwendige Ausscheidung des Ueberzähligen, d. h. des
„Zuviel", handelt. Daß dabei natürlich der persönliche Ge-
schmack der Juroren und vielleicht noch mehr eines einzelnen
künstlerischen Leiters stark mit ins Gewicht fallen kann,
das ist selbstverständlich. Darin besteht aber doch schließlich
gerade der kulturelle Wert jeder Kunstausstellung, daß sie
ein bestimmtes Gepräge ihrer Zeit zeigt. Und wer je einer
Jury angehört hat, der wird auch die Berechtigung des
Grundsatzes verspürt haben, daß die Erreichung eines
möglichst günstigen Gesamtbildes das Wichtigste sein muß.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf eine in
den letzten Jahren oft berührte Frage zu sprechen kommen:
Gesamtjury mit Vertretern der einzelnen Kunstgebiete
oder getrennte Jurys?
Für Einführung der getrennten Jurys ist ja in
jüngster Zeit vielfach Propaganda gemacht worden mit der
Begründung, nur der Maler könne dem Werk des Malers,
nur der Plastiker den Skulpturen gerecht werden. Diese
Auffassung muß deshalb bekämpft werden, weil damit
einer immer größeren Zersplitterung und Spezialisierung
Vorschub geleistet wird und zugleich auch der Wert des
Technischen allzusehr betont wird im Verhältnis zum all-
gemein Künstlerischen. Dazu sind ja schließlich die Vertreter
der einzelnen Kunstgebiete in der Jury vorhanden, damit
sie zur rechten Zeit auf besondere technische Vorzüge oder
Mängel einer Arbeit Hinweisen können. Die Hauptsache
ist aber schließlich doch, daß eine Jury einen hohen Grad
allgemeiner künstlerischer Urteilsfähigkeit repräsentiert. Als
Juroren sollten in erster Linie solche Künstler gewählt
werden, die neben einer vornehmen, unparteiischen Gesin-
nung dieses notwendige allgemeine Empfinden oder sagen
wir einmal: diese universelle künstlerische Bildung besitzen,
und nicht Spezialisten für Porträt und für Landschaft, für
plcinair, für Hochgebirge, für Meer und für Uniformen,
für Denkmäler und für Plaketten. Es kommt doch daraus
an, den künstlerischen Kern eines Werkes durchzufühlen.
Wer dazu nicht fähig ist auch bei dem Werke eines Kunst-
gebiets, in dem er selbst nicht arbeitet, der gehört nicht in
eine Jury. Man sehe einmal das Preisgericht für neue
bayerische Postwertzeichen an: weder v. Hildebrand, noch
pfann, noch Stadler würden wohl imstande sein, einen
brauchbaren Entwurf zu liefern, aber man traut ihnen
eben zu, das Beste und künstlerisch wertvollste herauszu-
finden. Unsere öffentliche Kunstpflege, besonders auch die
Bestrebungen der jüngsten Kunstgewerbeausstellungen gipfeln
in dem Wunsche, die bildenden Künste wieder unter einen
Hut zu bringen, sie einheitlichen großen Zielen dienstbar
 
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