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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Schmid, Max: Die Organisation der Berufsmodelle
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Der deutsche Werkbund
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0557

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Heft HO.

Die Merkstatt der Runst.

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schützen; durch geeignete Maßnahmen eine praktische Ge-
schäftsvermittelung unterhalten; durch eine Verdienstnach-
wcis-Kontrolle verhindern, daß Mitglieder den Beruf nur
als Deckmantel vorschützen, und überhaupt stets die Berufs-
interessen in jeder Beziehung wahren und fördern.
Aufnahme.
Ausgenommen wird jede Person, welche das Lebens-
jahr überschritten, nachweislich gut beleumundet ist und ein
ärztliches Attest über den gegenwärtigen Gesundheitszustand
beibringt, ferner den Nachweis zu erbringen vermag, daß
die beruflichen Fähigkeiten derartige sind, daß voraussichtlich
die Möglichkeit gegeben erscheint, im Beruf ein den Um-
ständen angemessenes Einkommen zu erzielen. Ausländer
haben überdies den Beweis über den berechtigten Aufenthalt
im bayerischen Staatsgebiete zu erbringen.
Austritt.
Der Austritt kann jederzeit erfolgen. Das Mitglied
bleibt dem Verbände aber für alle Verpflichtungen haftbar.
Ausschluß.
Ausgeschlossen werden jene Mitglieder, welche sich
ehrverletzende oder sonstige vergehen zuschulden kommen
lassen, wodurch der Verband in feinem Ansehen oder
seinen materiellen Interessen geschädigt würde, oder jene,
die ihren Beitragsverpflichtungen nicht nachkommen.
Beiträge.
Jedes Mitglied zahlt wöchentlich 20 Pf. mit Aus-
nahme des August und September; des ferneren wird mit
Künstlern, beziehungsweise Arbeitgebern ein Abkommen
getroffen, wenn der einzelne Arbeitgeber sich zu einer
laufenden wöchentlichen Zahlung von 20 Pf. bereit erklärt
(Schulen wöchentlich 50 Pf.), mit Ausnahme der großen
Ferien, und für nicht regelmäßige Einzahler für einzelne
Verwendung eines Mitgliedes 50 Pf. Dann übernimmt
der verband t- die Vermittelung, 2. die Haftpflicht dem
Auftraggeber gegenüber für sich während der beruflichen
Tätigkeit ereignende Unfälle oder Krankheiten, welche hierauf
zurückzuführen sind, sowie die Garantie der Brauchbarkeit
und Verläßlichkeit, indem der Verband nach weitgehendster
Möglichkeit nur gutes Material vermittelt und durch Straf-
ahnden für berufliche Nachlässigkeiten, mündliche oder schrift-
liche Vertragsbriefe, gegen Mitglieder mit Ausschluß, in
minderfchweren Fällen mit Konventionalstrafen vorgeht.
Es darf eine derartige Strafe 20 Mk. nicht übersteigen.
Gegebenenfalls kann auch gerichtliche Verfolgung seitens
des Verbandsvorstandes gegen Mitglieder beantragt werden.
Die Beiträge sind nach bestehender Möglichkeit für
angegebene Versicherungen und sonstige dein Gemeinwohl
der Mitglieder förderliche Unternehmungen sowie zur Deckung
der Unterhaltungskosten und eventuellen Rechtsstreitsver-
gütungen zu verwenden. Ausgenommen sind die Gelder
aus Konventionalstrafen, die zur gerichtlichen gleichteiligen
Verteilung auf Weihnachten bestimmt sind. Das Verbands-
vermögen ist bei einer Bank anzulegen.
Vorstand.
Der Vorstand besteht aus einer Person und wird mit
3/4 Stimmenmehrheit gewählt, und zwar je auf drei Jahre.
Der Vorstand ist für die Verbandsgeschäfte verantwortlich,
dem verband haftbar, jedoch nie dem einzelnen Mitglied
persönlich. Er vertritt den Verband gerichtlich und außer-
gerichtlich und ist aus eigener Machtvollkommenheit befugt,
für den Verband oder für ein einzelnes Mitglied, auf An-
trag oder durch stillschweigendes Uebereinkommen, mit
Dritten Verträge zu schließen oder solche zu lösen.
Zur Unterstützung in seinen Geschäften kann sich der-
selbe fähige Leute aus den Mitgliedern zur Hilfsarbeit
heranziehen; diese sind während der Zeit ihrer Hilfsarbeit
Untergebene des Vorstandes und können ohne dessen Zu-

stimmung keinerlei Abmachung treffen. Im Falle einer
plötzlichen Erledigung der Vorstandsstelle oder zeitigen Ver-
hinderung des derzeitigen Vorstandes führt der dem Vor-
stande nächststehende Hilfsarbeiter provisorisch die Geschäfte.
Der cleullcke Merkbunck.
Am 5. u. 6. Oktober tJO? wurde in München der
„Deutsche Werkbund" gegründet.*) Künstler und Gewerb-
treibende sowie eine Anzahl sachverständiger Kunstfreunde
waren der Einladung einer vorbereitenden Körperschaft von
zwölf Künstlern und zwölf Firmen gefolgt und beschlossen nach
einer Aussprache über das deutsche Gewerbe, über seine
gegenwärtigen Leistungen und seine Stellung in der Kultur
unserer Zeit, die Gründung des „Deutschen Werkbundes".
Ein Ausschuß wurde mit der Durchführung der Organi-
sation, mit der Ausarbeitung einer Bundessatzung und mit
der Aufnahme neuer Mitglieder betraut.
Mitglieder des Bundes können fein: „Künstler, Ge-
werbtreibende (Einzelpersonen sowie Firmen der Industrie
und des Handwerks) und Sachverständige" (Bundessatzung
Z 3). Der Bund ist demnach eine Vereinigung von Fach-
leuten.
Die Mitgliederaufnahme erfolgt nicht auf Meldung
oder Empfehlung, sondern lediglich nach Einladung zur
Mitgliedschaft durch den Vorstand des Bundes. Der Bund
will also eine Auslese der besten in Kunst, Industrie, Hand-
werk und Handel tätigen Kräfte vollziehen. Er will zu-
sammenfassen, was an Oualitätsleistung und Streberi in
der gewerblichen Arbeit vorhanden ist. Er bildet den Sammel-
punkt für alle, welche zur Oualitätsleistung gewillt und
befähigt sind, welche die gewerbliche Arbeit als ein Stück
— und nicht das geringste — der allgemeinen Kulturarbeit
ansehen und welche sich selbst und anderen einen Mittel-
punkt schaffen wollen zur Vertretung ihrer Interessen unter
ausschließlicher Geltung des Oualitätsgedankens.
Das Ziel des Bundes ist daher „die Veredelung der
gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, In-
dustrie und Handwerk durch Erziehung, Propaganda und ge-
schlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen". (Bundes-
satzung Z 2.) So will der Bund als Vertretung von
Fachleuten für ein Kulturziel wirken, das zwar über dem
nächsten Fachinteresse gelegen ist, doch aber der gewerblichen
Arbeit selbst vor allem zugute kommt. Der Bund sucht seine
Mitarbeiter in erster Linie auf jenem Gebiete, wo sich die
gewerbliche Arbeit der Veredelung durch künstlerische Form-
gedanken zugänglich erweist. Er sieht sich dabei zunächst
auf das sogenannte Kunstgewerbe hingewiesen.
Das deutsche Kunstgewerbe hat trotz vielfacher Be-
mühungen um feine Hebung und Stärkung, trotz mancher
Fortschritte der letzten Jahrzehnte zumal im rein Technischen
erst neuerdings zu selbständiger Entfaltung angesetzt und
hat eine eigene, im innersten Kern nationale Entwicklung
gleich anderen Zweigen unserer Produktion erst kürzlich
genommen.
Vielfältig und viel erörtert find die Ursachen, die die
Entwicklung des Kunstgewerbes bis in die neunziger Jahre
des vergangenen Jahrhunderts gehemmt haben. Auf feiten
der Produktion soll die technische Umwälzung durch die Er-
weiterung des Marktes mit seiner unentbehrlichen Massen-
produktion, der Ersatz persönlicher Kundenarbeit durch un-
persönliche Marktproduktion, die Steigerung des Verkehrs,
das Eintreten der Maschine den Niedergang verschuldet
haben. Auf feiten des Konsums soll die Umbildung der
Gesellschaft, das überstürzte Wachstum der Städte, die Zer-
störung der gesellschaftlichen Form durch neuartige Lebens-
bedingungen und fchließlich das Aufkommen eines neuen,
traditionslosen, in Sachen des Geschmackes unsicheren Wohl-
standes, die Wertschätzung gediegener Arbeit zerstört und
an ihre Stelle ein verderbliches Streben nach leerem Schein
 
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