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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Schmid, Max: Die Organisation der Berufsmodelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0556

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552

Die Werkstatt der Kunst.

Heft HO.

dischen Versammlungen nahmen einen immer größeren
Umfang an. Mit der Gründung des Verbandes selbst
wartete ich noch ab, bis im Polizeietat im Landtag ver-
schiedene Verstöße von der Polizei gegen das gesamte
Modellwesen zur Sprache kamen, da leicht zu befürchten
war, daß man uns Schwierigkeiten machen wollte. Denn
die Polizei konnte sich absolut nicht überzeugen, daß man
zur Kunst auch Modelle, ganz besonders aber jugendliche
Körper haben müsse, sondern verwies kurzerhand auf die
Krüppel und Pfründner unserer Stadt, die ihrer Ansicht
nach zu Kunstzwecken wohl ausreichen könnten. Ende
Januar tstOH kam im Polizeietat die Ansicht der Polizei
zur Sprache, was naturgemäß ein Lachen hervorbrachte,
soweit man von der Kunst etwas verstand, und man gab
der Polizei zu verstehen, in unserer beruflichen Ausübung
solle inan uns ungeschoren lassen. Das hätte mit der
öffentlichen Sicherheit und Sittlichkeit nichts zu tun. Hier-
auf gründete ich sofort den Verein („Fachverband
Münchener Berufsmodelle"); die Statuten hatte
ich in Vorbereitung, wurden sogleich verlesen und allgemein
genehmigt. Ich ließ den Verein zur Eintragung anmelden,
wurde aber vom kgl. Amtsgerichte München I in seinem
Ansehen als wirtschaftlicher Verein an die kgl. Regierung
verwiesen, damit derselbe die staatliche Genehmigung er-
halte. Dies wäre natürlich sehr umständlich gewesen und
ich habe einfach den Verein nur bei der Polizei gemeldet.
Das Abonnementsverhältnis mit den Künstlern hat einen
ganz hübschen Aufschwung genommen, so daß, trotzdem die
Modelle fast insgesamt mit ihren Beiträgen im Rückstände
geblieben sind, 900 Mk. eingingen. wir haben ein
Vermittlungsbureau unterhalten, wodurch wir uns Ein-
nahmen sichern und zu gleicher Zeit den Modellmarkt
in unsere Hand reißen wollten, um vor den Richtorgani-
sierten im Vorteile zu sein, da, wenn das Verbandsbureau
schnell arbeitet, der Künstler sich in erster Linie dorthin
wendete, ehe er selbst suchte. Zu diesem Zwecke haben wir
ein Akt-, Kostüm- und Kopsalbum angelegt, sowie einen
jeweils monatlich kontrollierbaren Wohnungsnachweis der
Modelle zu Händen der Akademie gegeben. Es wurden
ca. 2000 Vermittlungen durch den Verband betätigt. Diese
Einrichtung hat den Künstlern ganz ausnehmend gefallen,
denn man hört heute noch Klagen, daß dieses Unternehmen
nicht mehr besteht, da es große Annehmlichkeiten hatte.
Die Einnahmen, soweit dieselben im Geschäftsbetrieb nicht
aufgebraucht, haben wir zur Krankenunterstützung verwendet
und waren schon im ersten Jahre des Bestehens in der
Lage, den Betrag von ;08 Mk. für Krankenunterstützung
zu verausgaben, wie gesagt, ohne mich loben zu wollen,
die ganze Einrichtung bis in ihre geringsten Details
wurden überall gelobt: an der Akademie wie bei den
Privatkünstlern, bei der Polizeibehörde und vorwiegend im
Kultusministerium, sowie vom Referenten beim Kultusetat
im Landtag. Das Ministerium des Innern hat uns zugc-
sichert, daß alles geschieht, um uns den weg zu ebnen und
geordnete Verhältnisse herbeizusühren und dauernd sestzu-
i^alten. Daß die Sache wieder zugrunde gegangen, hat an
frei Dingen gelegen.
In erster Linie an den eigenen Leuten; man hat
weder materiell noch durch sonstiges Interesse den Verein
unterstützt. Marr ließ mich eben wursteln, höchstens, daß
inan in den jeweiligen monatlichen Versammlungen sich
über angeblicb empfundene Uebergehungen bei Modellver-
mittlungen beschwerte und auch dein Kassawesen, trotzdem
ich stets monatlich abgerechnet habe, gleiches Mißtrauen
entgegenbrachte. Man gewahrte mit einer gewissen Eifer-
sucht, daß ich mir eine Position schaffe, die mir auf ab-
sehbare Zeit die Möglichkeit bot, nicht mehr Modellstehen
zu müssen, wenn der"-Betrieb sich vergrößere. Man sagte
cs mir in Versammlungen ja offen ins Gesicht, es sei mir
nur darum zu tun, daß ich nicht mehr zu stehen brauche,
wenige gut Gesinnte haben sich neutral verhalten, und so
haben die Schreier immer mehr Gewicht bekommen. Die
Besseren sind den Versammlungen nallb und nach fern-
geblieben.

Zweitens: die Akademiedirektion hat sich der Sache
gegenüber gänzlich passiv verhalten. Hätte die Akademie
sich nur anmerken lassen, daß sie die Organisation selbst
wünscht, oder hätte sie nur einen leichten Druck ausgeübt,
so hätte man alles zu paaren treiben können.
Wohl aber der schwerwiegendste Punkt war der, daß
ich plötzlich in die Lage gekommen war, aus privaten
Gründen die Vorstandschaft niederzulegen und auszutreten.
Mittlerweile hatte sich der Modellverband aufgelöst, da man
nicht wußte, wen man zum Vorstande nehmen sollte und
auch niemand etwas von der Führung des Vereins wissen
wollte, weil man wohl gesehen hatte, wie es mir gemacht wurde
und daß es einem anderen ungleich schlechter gehen müsse,
wir haben hier wieder einen Verein gegründet, beziehungs-
weise erneuert, der in den gleichen Bahnen sich bewegen
soll wie der verstossene. Allerdings hat der neue Verein
seine Tätigkeit noch nicht eigentlich ausgenommen, wir
wollen erst nächstes Wintersemester damit beginnen. Heuer
haben wir nur eine Faschingsunterhaltung, die sehr hübschen
Verlauf genommen hat, abgehalten. Ich glaube aber kaum,
daß der neue Verein die wirtschaftliche Bedeutung gewinnt
wie der alte. Nachdem das große Unternehmen verunglückt
ist, sind die Künstler nur noch schwer zu haben. Das ist
die Geschichte der Modellbew egung in München.
Der Verband hat also ein Jahr bestanden: von: Januar
tstOH bis Februar t905.
was das Berliner Projekt anbelangt, so ist schwer
etwas zu sagen, da sich fast alle Details eines solchen
Unternehmens den Lokalverhältnissen anpassen müssen. Ich
für meine Person bin vollkommen überzeugt, daß Berlin
ein relativ besserer Boden ist wie München, weil, soviel
ich schon von dort gehört habe, das Modellwesen nicht so
im argen liegt. (? — Red.)
was vom allgemeinen zu sagen wäre: Ls läßt sich
nur etwas machen, wenn die überwiegende Anzahl der
guten und bekannten weiblichen und männlichen Akte sich
zusammentun, und man solle sich in Berlin ja nicht ver-
leiten lassen, den Künstlern irgend etwas aufzuzwingen,
sondern nur mit sich bietenden Vorteilen arbeiten, fo daß
Modelle und Künstler im vitalen Interesse sich dein geplanten
Unternehmen von selbst nähern. Auch solle man keinen
Lokalpartikularismus treiben. Das Modellwesen muß inter-
national sein, ausschlaggebend kann nur die Fähigkeit des
Modells sein. Ferner möge in Versammlungen alles ver-
mieden werden, was nicht eigentlich zürn Zwecke gehört,
und man möge sich auch nicht um die sittliche Färbung der
Kolleginnen und Kollegen kümmern, das führt zu nichts
und gibt nur Zank und Streiterei.
Der Verein soll vornehmlich den weiblichen Modellen
nur ein moralischer Rückhalt sein, an den sie sich lehnen
können, wenn sie sich gefährdet fühlen. Es wird wohl
kaum ein Richtkünstler wagen, zu anderen Zwecken sich
ein Modell von der Akademie zu holen und sonst zu be-
stellen, wenn ein Verein die Interessen der sonst meistens
schutzlos preisgegebenen jugendlichen weiblichen Modelle
schützt. Modellsteher lVIax Lcllmiä-München.

wir lassen nachstehend die Statutei: des ehe-
maligen Fcrchverbnn-e- Münchener BernfsinsdcUe
folgen, deren Kenntnis bei etwaigen Neugründungen viel-
leicht wertvoll werden könnte.
N a m e.
Der Verband führt den Namen „Fachverband Mün-
chener Berufsmodelle".
Sitz.
Der Verband hat seinen Sitz und Gerichtsstand in
München.
Zweck.
Derverband will durch Kranken-,Unfall- und Invaliden
Versicheruna seine Mitglieder vor allen Eventualitäten
 
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