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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Abt. R.: Vom schweizerischen Turnus
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Ein neuer Bettelbrief-Fabrikant
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0626

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622

Die Werkstatt der Kunst.

Heft H5.

Delegierte jener Sektion, welche den Turnus eröffnet. Zwei
weitere Mitglieder werden von der eidgenössischen
Kunst ko in Mission bezeichnet. Daß dieses Jahr, entgegen
der bisherigen Gepflogenheit, zwei Deutsch-Schweizer statt
nur einer und ein welscher abgeordnet worden sind, ent-
zieht sich der Verantwortlichkeit des Kunstvereins.
Für die in Wirklichkeit dem Vorstande zu verbleibende
Wahl von vier Iurymitgliedern waren zwei welsche
Künstler von allerbestem Rufe aufgestellt und geziemend
um Uebernahme des Mandates gebeten worden. Leider
erhielten wir von beiden Absagen.
So kam es, daß ohne unsere Schuld diesmal alle vier
zu vergebenden Mandate an deutsche Künstler fielen. Diese
aber haben nach meiner Ueberzeugung mit aller Sachkenntnis
und ohne jede Voreingenommenheit ihres Amtes gewaltet.
Ganz absurd wäre die Anschuldigung, daß auch nur
ein einziges Bild seiner geographischen Herkunft wegen
refüsiert worden wäre.
Dieses Frühjahr sind von 5y welschen Künstlern
t26 Werke der Jury unterbreitet und davon H5 angenommen
worden. deutsche Künstler hatten Werke einge-
liefert. Davon fanden Aufnahme. Eine ähnliche Be-
teiligung zeigten auch die früheren Jahre.
Unter diesen Verhältnissen dürfte die von uns prin-
zipiell angestrebte Zusammensetzung der Turnusjury,
bestehend aus fünf deutschen und zwei welschen Mitgliedern,
wenn die Ausstellung in einer deutschen Sektion, und von
drei welschen und vier deutschen Mitgliedern, wenn sie in
einer welschen Sektion eröffnet wird, gewiß als billig und
recht anerkannt werden. kL. Xbt.
6m neuer Veltelbrief-fabrikant.
Diesmal ist es ein Gastwirt in Tirol, der eine schwung-
volle Preßkampagne gegen die Künstlerschaft eröffnet hat.
Von allen Seiten empfingen wir das nachstehende
Schreiben zugesandt, ein Beweis, daß dieser Kunstbegeisterte
sich die Mühe nicht verdrießen läßt, sein Konzept immer
und immer wieder abzuschreiben. Seine Phrasen sind aber
auch gar zu schön! Er schreibt:
Hall, am 20. Juli t9O8.
Euer Hochwohlgeboren!
Verzeihen Sie, wenn ich mit diesen Zeilen als Bitt-
steller an Euer Hochwohlgeboren herantrete.
Einem Zuge der Zeit folgend, der endlich auch dem
Künstler im Berglande entsprechende Rast- und Gemütlich-
keitsstätten bieten will, drängt es mich, diesem Bestreben
besondere Aufmerksamkeit zuzuwcnden.
Ist doch unser Alpenland wie kaum ein anderes durch
seine natürlichen Schönheiten dazu berufen, den schaffenden
und strebenden Geist anzuregen, und wenn die Mauern alt-
ehrwürdiger Orte schon eine beredte Sprache führen, wie
sehr bedarf dann auch die harmonische Ergänzung einer
liebevollen Pflege.
Und Hall in Tirol, welches von so vielen begeisterten
Sängern als das alpenländische Nürnberg verherrlicht wurde,
es ist im Wettbewerb um den Schönheitspreis zum Aschen-
brödel geworden; der Fehler mag wohl in der nüchternen,
modernen Geschäftsmäßigkeit gelegen sein.
Allzuspät sah inan in einzelnen Kreisen den Vanda-
lismus ein und ein nagendes Gefühl der Reue beschleicht
so manchen alten „Jungen", wenn er sieht, was die Mode
aus altehrwürdigen Meisterwerken geschaffen hat.
Ich glaube, daß es in allen gebildeten Kreisen wahr-
haft wann begrüßt werden muß, wenn der öffentliche Haus-
vater, und das ist doch der Gastwirt, — sein Heim wieder
durch berufene Hand ausschinückcn und ausstatten läßt.
So leicht dieses Vorhaben gesagt ist, so schwer ist
dessen Durchführung. Ohne die liebevolle Beihilfe der
Kunstjünger würde das gesteckte Ziel für die Nichtkapita-
listen unter den Gastwirten keineswegs auf einen durch-
wegs platzgreifenden Erfolg zählen dürfen.

Andererseits wäre der bürgerliche Tourist in die
nackten, oft geschmacklosen Räume einer modernen Kaserne
verbannt.
So komme ich nun an den Zweck dieses Schreibens
und erbitte von Euer Hochwohlgeboren einen, wenn auch
noch so kleinen, doch mit Liebe gegebenen Beitrag für mein
Künstlerbuch oder für die Wände meiner Räume.
Und wahrhaftiger Genuß wird es dann auch für den
Wirt sein, wenn er steht, daß seine Gäste sein Vorhaben
und Streben mit Anerkennung lohnen.
In der Anhoffnung, daß auch Euer Hochwohlgeboren
in meinem Hause anregende und angenehme Stunden ver-
leben werden, zeichnet
hochachtungsvollst
lVlLtülas 8LUMLNU, Gasthofbesitzer.
Lin Münchener Künstler hat dem Herrn folgende
treffende Erwiderung geschickt:
Sehr geehrter Herr!
Auf Ihre Zuschrift gestatte ich mir folgendes zu er-
widern:
Es gibt wohl keinen Stand, dessen Brot und dessen
Aussichten für die Zukunft so wenig sichergestellt sind, als
der des Künstlers. Ls gibt aber auch keinen Stand, der
in so weitgehender Weise ausgenutzt wird. Da kommen
Briefe über Briefe von Skizzensammlern, die recht wohl
wissen, daß ihre Sammlung allmählich einen in Zahlen
ausdrückbaren Wert erhält, da kommen Wohltätigkeitsbazare
und -Veranstaltungen — der Künstler findet später seine
Geschenke in Kunst- und anderen Handlungen zu niedrigsten
Preisen ausgeboten, so daß er nicht weiß, wie er die Preise,
die er anzusetzen genötigt und berechtigt ist, aufrecht er-
halten soll — und auch Sie kommen, geehrter Herr!
Ls würde Ihnen nicht einfallen, einen Metzger zu
bitten, daß er Ihnen eine Wurst schenkt, weil er ja so
viele hätte, und Sie würden es wohl für ein sehr eigen-
tümliches Ansinnen halten, wenn jemand zu Ihnen käme
und umsonst in Ihrem Gasthause übernachten wollte, weil
Sie ja eine ganze Anzahl von Gastzimmern besäßen. Der
Künstler aber ist vogelfrei. Er, dessen Lebensstellung eine
viel weniger gesicherte ist, als z. B. die Ihrige, kann von
reich und arm ruhig um eine Gabe angegangen werden,
trotzdem er von seiner Arbeit leben muß, genau wie Sie
und der vorerwähnte Metzger.
Die Güte eines Gasthauses hängt nicht von einem
Künstlerbuch ab; ein solches anzulcgen, würden sich die
Künstler ganz von selbst bereit finden lassen, die sich bei Ihnen
behaglich fühlen. Diese Behaglichkeit um sich zu verbreiten
ist aber Ihre eigenste Aufgabe, nicht die unsere. Bei der
Möglichkeit, heute billige, geschmackvolle, einfache Möbel
zu bekommen, und bei der Fülle von ausgezeichneten und
billigen Reproduktionen nach alten und neuen Kunstwerken,
die jedermann zu Gebote stehen, gehören dazu sehr geringe
Geldmittel, nicht mehr, als Sie sonst zur Ausstattung des
Gastzimmers anwenden, nur ein wenig Geschmack und
Sinn für die Wohnlichkeit eines Raumes. Lin Streben
nach dieser Richtung würde sicher „vor: Ihren Gästen mit
Anerkennung gelohnt" werden. Sie aber erbitten nicht
etwa einen Rat, wie „die nackten, oft geschmacklosen Räume
einer Kaserne" mit geringen Mitteln reizvoller gestaltet
werden könnten, sondern Sie wünschen Ihrem Gasthaus
einen Anziehungspunkt zu geben, dessen Kosten im Grunde
die Künstlerschast trägt, dessen Erträgnis aber Ihnen zu-
gute ko inm t.
In der Hoffnung, daß es Ihnen möglich ist, ohne
Voreingenommenheit dem Vorstehenden nachzugehen,
hochachtungsvoll
 
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