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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Einwände gegen die Gebührenordnung für das Kunstgewerbe (Eisenacher Ordnung)
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Boermel, Eugen: In welcher Weise ist eine weitere Betätigung der monumentalen Bildhauerkunst möglich?
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0151

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heft sp

Die Werkstatt der Kunst.


mit 20 R"lk. honoriert! persönliches Pech hat na-
türlich der Künstler, wenn die Geburt seiner Idee sich
aus die zweite, dritte oder aar vierte Stunde ver-
zögert. Und was nun — wenn er „sie" vielleicht
am Lnde einer dreistündigen Lisenbahnsahrt kriegt
oder bei einein Spaziergang, beim Anblick eines
Sonnenunterganges, einer Blume, eines Karussells?
Dann darf eben der Künstler diese seine „Idee"
gratis hergeben und bekommt trotzdem — wie
nobel — für die erste Stunde, in der er sie zu
Papier bringt, seine 20 Ubark! Und der flinke, ge-
schickte Arbeiter steht sich nach dieser „Stunden"-
Theorie aber schlechter als sein langsamer (oder-
gar fauler) Kollege!
Deshalb bleibt schließlich in vielen Fällen die
pauschgebühr die einzige Rettung, d. h. alles bleibt,
wie es gewesen ist. Denn: „die Pauschgebühr unter-
liegt der freien Vereinbarung." Und die hatten
wir (oder konnten sie wenigstens stets haben) auch
ohne den komplizierten Apparat dieser Gebühren-
ordnung.
Diese Gebührenordnung, die vielleicht durch die
bloße Untersuchung ihres (vermutlichen) Ginflusses
auf die (Qualität der künstlerischen Leistungen ver-
nichtet würde. Ich will — vorläufig wenigstens —
diese Untersuchung noch nicht anstellen. Will mich
hier nur auf diesen Hinweis beschränken, damit inan
bei der Beratung über die Einführung der Ordnung
diesen Punkt nicht übersieht.
Ich bin nun nicht solch ein Optimist, zu glauben,
daß diese Einführung durch meine Bedenken ver-
hindert werden könnte. Ich „tröste" mich aber
damit, daß sich „nachher" nichts ändern wird. Die
„Ordnung" wird ein Stück Papier bleiben: Die
„großen" Künstler werden gar nicht daran denken,
sich nach ihr zu richten und die „kleinen" — werden
von den Fabrikanten ausgelacht werden, wenn sie
sich bei ihren Preisen auf die „Eisenacher Ordnung"
berufen wollen.Das ist für den einzelnen Künstler
vielleicht manchmal schmerzlich — doch nicht ver-
wunderlich bei einer im Prinzip verfehlten Sache.
Zu bedauern bleibt nur, daß die Kunstgewerbever-
eine wieder mal Zeit und Geld einem Phantom
geopfert haben, einem sterilen und überflüssigen Ding.
„Uebcrflüssig" nämlich ist diese Gebührenordnung
sogar, wenn man nicht wie ich prinzipieller Gegner
eines „Kunsttarifes" ist. Denn, meine Herren, wenn
Sie durchaus und unbedingt einen Tarif fürs Kunst-
gewerbe haben wollen, will ich Ihnen verraten, daß
es den überhaupt längst gibt: Die „Gruppe V" der
bereits oben erwähnten Gebührenordnung der Archi-
tekten- usw. Vereine ist bestimmt für „Aböbel und
kunstgewerbliche Gegenstände (Lichtträger, Geräte,
Schmucksachen usw.)", und sie gibt in Hundertteilen
V vielleicht könnte man die „Eisenacher Ordnung" als einen
Minimaltarif festlegen. An die großen Künstler wagen sich die Fabri-
kanten so wie so nicht mit ihrer Preisdrückerei; aber die Schwächeren, die
bisher ganz unerhört ausgebeutet und erniedrigt wurden, könnten durch
einen Schutztarif den empfindungslosen Fabrikanten gegenüber die
würde des Künstlers wiedererlangen. — Red. der „w. d. K."

des Kostenanschlages die höhe der Gebühren bei
Aufträgen bis zu sO 000 000 Rbk. an. Diese dürfte
also wohl den „weitgehendsten Ansprüchen" genügen.
Dabei enthält sie neben den Nachteilei: der neu-
geplanten Ordnung die Vorteile größerer Einfachheit,
leichterer Berechenbarkeit und (teilweis wenigstens)
höherer Prozentsätze. Und den weiteren und nicht
zu unterschätzenden Vorteil, daß Künstler (speziell
also Architekten) diesen Tarif selbst „ausgearbeitet"
habe::, und daß Künstler deshalb über ihn sich nicht
beklagen können.
In xvelcber Meile ilt eine weitere Be-
tätigung cLer monumentalen Bilclbauer-
kunlt möglick?
voll Prof. Eugen Boermel.
Wenn wir den Zeitraum des vergangenen Jahr-
hunderts überblicken, so sehen wir die deutsche Kunst zeit-
weilig in einem Ruhmesglanz erstrahlen und zu einer
Größe der Ausdrncksweise sich emporschwingen, die weit
über alle Länder des Erdkreises hin ihr Freunde und Be-
wunderer geschaffen hat.
Zuerst, in den Zeiten unserer tiefsten Erniedrigung,
ist es die Dichtkunst, welche besonders in Goethe und Schiller
den unversiegbaren Buell der geistigen Kraft des deutschen
Volkes offenbarte. Dann kamen die großen Meister der
Tonkunst, deren fast unübertreffliches Können in Beethoven
und Richard Wagner gipfelte; diesen folgte die Malerei in
herrlichen Werken eines Makart, Lenbach, Böcklin, Menzel,
und zum Schluß, da schien es, als wäre auch für die Plastik
und Baukunst eine ungeahnteBlütezeit gekommen, die den
Reid der anderen Völker erweckte. Große und kleine Meister
sanden auch hier ein Riesenfeld der Tätigkeit; galt es doch
vor allem, die Heroen des deutschen Volkes in Stein und Erz
zu verewigen. — — Ich will hier nicht weiter erörtern,
ob nun alles das, was in unserer Kunst geschaffen wurde,
den Erwartungen entspricht — das wird eine spätere Zeit-
beurteilen; nur eine Tatsache bleibt für uns klar bestehen
— man ist denkmalmüde geworden — und der kurzen, schönen
Zeit des Aufschwunges ist eine recht trübe Mißstimmung ge-
folgt, da selbst die hervorragenden Bildhauer nur zum ge-
ringsten Teil und die anderen jahrelang keine Aufträge
haben, außerdem fast gar kein Absatzgebiet finden für
Phantasiewerke in Stein und Erz, welche sie in solchen stillen
Zeiten, oft mit Aufopferung ihres Vermögens, schaffen.
Mit Ausnahme der wenigen kleinen Fonds zum Ankauf
ist im Publikum kein Begehr nach diesen Werken vor-
handen, und das hat seinen Grund besonders darin, daß
wir jetzt im Zeitalter der Erfindungen und des Sportes
leben, selbst ein reicher Künstler wie herkomer schreibt
Preise für — den Automobilsport aus und bei dem kauf-
kräftigen Publikum, welches diesen Sport so ganz besonders
liebt und fördert, ist das Interesse für Plastik und Malerei
nahezu auf den Gefrierpunkt gesunken-das unwissende
Publikum glaubt, wir könnten von dem Verdienst aus guter
Zeit bis ans Ende unserer Tage leben — aber wie lange
wird es noch währen, bis wir hören, daß zahlreiche Künstler-
familien in Not und Elend geraten sind. Unsere soziale
Geschichte beweist, daß in Zeiten des wirtschaftlichen Nieder-
ganges jeder Stand des deutschen Volkes selbst die Mittel
und Wege zur Abhilfe finden mußte, daß aus seiner eigenen
Mitte heraus Anregungen gegeben wurden, in welcher
Weise die anderen helfen können und sollen, und da die
maßgebenden Behörden und Persönlichkeiten das beim besten
 
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