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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Boermel, Eugen: In welcher Weise ist eine weitere Betätigung der monumentalen Bildhauerkunst möglich?
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0152

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Die Werkstatt der Kunst.

heft ss.


Millen vielleicht nicht wissen, wie man den Künstlern helfen
soll, so müssen wir selbst es ihnen sagen.
Es ist nicht notwendig, daß es immer Denkmäler
Und, bei welchen sich die Kunst betätigt, zeigen uns doch
die herrlichen Bauten der Griechen, Römer und der Re-
naissance, welch ein wunderbares Arbeitsfeld ihr geöffnet
wäre, wenn die maßgebenden Persönlichkeiten sich das Kunst-
prinzip dieser Zeiten ein wenig mehr zum Muster nehmen
wollten — ich meine nicht die Nachahmung der Stilarten
und Kunstwerke (darin ist besonders in der Zeit des Berliner
Griechisch schon zu viel geschehen), sondern das wichtige
Prinzip, wonach die Bildhauer und Maler mehr die treuen
Mitarbeiter und Berater der Architekten waren. Gegenwärtig
nehmen sie meistens mehr oder weniger nur die Stelle
eines besseren Knechtes ein, der froh ist, wenn am Bau ein
Stückchen Brot und Arbeit für ihn übrig bleibt, da das
bei größeren Bauten für Kunstwerke veranschlagte Geld
zum Schluß der Bauausführung (wenn die Kunst an die
Reihe kommt) fast immer schon verbaut ist — und welch
eine traurige Konkurrenzjagd und Unterbietung findet dann
nm das Menige noch statt.
Um hierin Wandel zum Besseren zu schaffen, müssen
vor allem Künstler, welche von architektonischer Aus-
schmückung was verstehen und nicht nur das eigene „Ich"
im Auge haben, Sitz und Stimme in den maßgebenden
öffentlichen Körperschaften erhalten. Diese Künstler sollen
zunächst dafür Sorge tragen, daß bei allen Millionenbauten
3—50/g der bewilligten Bausumme der Kunst zugute kommt,
daß dieser kleine Anteil nicht schließlich doch zu anderen
Zwecken verwendet, daß der Auftrag nicht dem billigsten,
sondern möglichst dein Kollegen übergeben wird, welcher
unserer Kunst Ehre zu machen imstande ist, d. h. dem
Würdigen und Tüchtigen.
Diese notwendige Forderung, welche die Vertreter der
Plastik und Malerei schließlich doch einmal stellen müssen,
wenn sie eine Aufbesserung unserer wirtschaftlichen Lage
wünschen, wäre meiner Ansicht nach am besten einzuleiten
beim Ausbau vou Groß-Berlin und der darin geplanten
Prachtstraßen, wie unsere Zeitungen berichteten, hat sich
bereits auf Anregung der Architektenwelt eine Kommission
gebildet für die einheitliche Gestaltung Groß-Berlins, welche
im hiesigen Rathaus unter dem Vorsitz des Oberbürger-
meisters tagte (vergl. „Die Werkstatt der Kunst", Heft 8,
unter „Laufende Preisausschreiben"). — Ls sollen Pläne
für ein einheitlich und künstlerisch durchgebildetes Groß-
Berlin ausgearbeitet werden — von den Vertretern der
anderen Gemeinden und Kreise wurde diesem Unternehmen
Beifall gezollt und mit Dank anerkannt, daß die Reichs-
hauptstadt sich entschlossen habe, in dieser Sache die Führung
zu übernehmen.
wie freudig dürften wir Bildhauer und Maler diese
Botschaft aufnehmen — welch ein Arbeitsfeld eröffnet sich
da, wenn auch wir es unter günstigen Bedingungen be-
treten dürfen; wie so mancher herrliche Marmorfigurenfries
könnte das Vestibül eines palastartigen Hauses, wie so
manche entzückende Mosaikmalerei die Front des anderen
schmücken; was ließe sich alles aus einem Portal, aus
einem Festsaal machen!
wie widerwärtig mutet uns in den herrlichsten Bauten
aus kostbarstem Material trotz der schönsten Architektur-
linien und Formen die unschöne Lösung der plastischen
und malerischen Aufgaben an!
Also erstreben wir, daß künftighin einige mit Schönheits-
sinn und Verständnis für die Architektur begabte Bildhauer
und Maler bei der Ausschmückung aller bedeutenden Bauten
ein gewichtiges Wort in bezug auf die Vergebung des Auf-
trages, sowie Ueberwachung der Ausführung mitznsprechen
haben, dann wird auch der Wunsch unseres Deutschen
Kaisers erfüllt werden, nach welchem Berlin die schönste
Stadt der Welt werden soll.
wenn man nun die Frage stellt, wo sollen die Mittel
zu alledem Herkommen? — solche Bildwerke und Gemälde
sind doch ein Luxus, den sich höchstens die allerreichsten
Menschen der Welt gestatten können, so sage ich, man soll

diese Allerreichsten endlich belehren, daß sie die moralische
Pflicht erkennen, die lebenden Künstler mit Brot und Arbeit
zu versorgen, da diese doch ein Stück Kulturarbeit leisten
müssen, nach welchem man einst unsere Zeit beurteilen
wird. — Wieviel sündigen da in kurzsichtiger Verblendung
die braven Kunstschriftsteller gegen die lebenden Meister.
Man rechne sich einmal aus, wieviel Herrliches von den
Lebenden geschaffen werden könnte für die Riesensummen,
welche die Allerreichsten den Händlern für alte Bilder
zahlen — man soll diese Bilder, welche oft genug noch
Imitationen sind, dort hängen lassen, wo sie sind, da man
doch ohnehin die Mittel besitzt, überall hinzureisen, um das
Beste zu sehen, und soll endlich an den Lebenden nicht
länger achtlos vorübcrgehen.
Bauten etwa die vielbewunderten Griechen oder die
Mäeene der Renaissance Museen über Museen und stapelten
darin alte Meister auf, gleich einem Kirchhof?-Nein,
ein jeder ihrer Kunftschätze war das Werk Lebender und
diesen kamen alle Mittel zugute, welche für die Kunst
überhaupt verfügbar waren, der persönliche Verkehr dieser
Mäcene mit den Meistern der Kunst machte ihnen Freude,
und daher das gegenseitige Ueberbieten der Künstler, mit
der Schönheit des Werkes den kunstverständigen Auftrag-
geber zufriedenzustellen, und daher die große Zahl der
Meisterwerke selbst, welche die Welt seit Jahrhunderten —
Jahrtausenden bewundert.
Und heute, wo man sich für ganz andere Dinge inter-
essiert, — werden Preise ausgesetzt, welche oft nach Hundert-
tausenden zählen, vor allem zur Hebung des Sportes, wissen-
schaftlicher Forschungen, industrieller Unternehmen usw.,
Preise, welche ganz gewaltig dazu beitragen, alle beteiligten
Kräfte zu den höchsten Leistungen anzuspornen.
wenn wir nun aber „Groß-Berlin" künstlerisch aus-
gestalten wollen und die maßgebende resp. reiche Welt
unterdessen nicht ganz vergißt, daß die schönen Künste
hierbei einer der wichtigsten Faktoren sind, die man auch,
wenigstens zu diesem Zweck, ein wenig fördern muß, so
 
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