Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.52070#0443
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E. L.; Pixis, Ervin: Der Münchener Kunstverein und seine künftigen Vereinsgaben
DOI article:Pfretzschner, A.: Konkurrenzunfug
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Die Werkstatt der Kunst.
Heft 32.
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die ziemlich ausführliche Begründung aber leider über-
gangen. Diese Unterlassung erweckt den Anschein, als ver-
fahre der K. V. M. bei der Wahl feiner Prämienblätter
ohne Rücksicht auf die graphischen Künstler und ohne Ver-
ständnis für deren Schaffen. Diesem Irrtum möchten wir
hier entgegentreten.
Auch wir stehen vollständig auf dem Standpunkt des
Herrn E. L., daß der Sinn für gute Graphik nach jeder
nur denkbaren Richtung zu fördern ist und bemühen uns
speziell auch bei unseren Ausstellungen nach Möglichkeit,
dementsprechend zu handeln.
Was nun die Vereinsblätter betrifft, so gehören diese
für jeden Kunstverein zu den wirksamsten Mitteln für Ge-
winnung neuer Mitglieder. In 82 Jahren haben wir 99
verschiedene Radierungen herausgegeben, konnten uns aber
schließlich der Einsicht nicht mehr verschließen, daß diese
Art der Iahresgaben stetig an Wirksamkeit verlor. Die
Mitglieder wurden zuerst unzufrieden, dann begannen sie
zu klagen, und als auch das nichts nützte, bröckelten sie
langsam aber stetig ab. Auch die von Herrn E. L. beson-
ders erwähnten kleinen Mappen, gewiß reizvolle Arbeiten,
änderten an diesem Zustand nichts.
Da entschloß man sich im Jahre tsiOS, dem Zwang
gehorchend, zu einer Aenderung der bisherigen Uebung und
gab die Lenbach mappe heraus. In kurzer Zeit brachte
diese Gabe dem Verein viele hundert neue Mitglieder und
die Folge war, daß im Jahre t9O6 volle tvooo Mark
mehr für Ankäufe zur Verfügung gestellt werden konnten
als im Vorjahr. Und dies Geld kam ausschließlich der
Künstlerschaft zugute.
Nun ist die Frage: sollte man ans Grund so schlagen-
der Tatsachen fortfahren, den Leuten wider ihren Willen
Jahr für Jahr Radierungen aufzuzwingen, sollte man die
Mißvergnügten ziehen lassen und dadurch die Verlosungs-
gelder stetig schmälern, oder war es vorzuziehen, bis zu
einem gewissen Grad Zugeständnisse zu machen und sich an
den erhöhten Einnahmen schadlos zu halten?
Wenn unser Entschluß den praktischen Erwägungen
den Vorzug gab, so glaubten wir damit im richtigen Ver-
ständnis der Interessen der Künstler von zwei Uebeln das
kleinere gewählt zu haben. Denn allein die Zunahme
unserer Mitgliederzahl ermöglicht uns erhöhte Aufwendungen
für Ankäufe. Die dadurch gesteigerte materielle Förde-
rung der Künstler schien uns den von Herrn E. L. doch
wohl etwas überschätzten Ausfall an moralischer Unter-
stützung der graphischen Kunst wohl aufzuwiegen, zumal
wir unseren Mitgliedern doch so viel Sachkenntnis zutrauen
dürfen, daß sie die «Dualitäten einer Griginalgraxhik und
einer Reproduktion zu unterscheiden wissen.
Herr E. L. irrt, wenn er annimmt, wir hätten be-
sondere Vorliebe für mechanische Vervielfältigungen. Wir
zweifeln gar nicht daran, daß sich graphische Mriginal-
mappenwerke von hervorragender Wirkungskraft zu-
sammenstellen ließen, wenn inan tatkräftiger Mitarbeit
der Graphiker gewiß sein dürfte. Leider haben wir nach
dieser Richtung betrübliche Mißerfolge zu verzeichnen.
Im Jahre t906 z. B. erließen wir nicht weniger als
drei öffentliche Ausschreibungen, um Material für eine
6 blätterige Mappe zu bekommen. Bei allen drei Kon-
kurrenzen erhielten wir zwar ungezählte, aber leider für
den gedachten Zweck nicht verwendbare Arbeiten, womit
nicht gesagt sein soll, daß die Blätter künstlerisch ungenügend
gewesen seien — es befanden sich vielmehr hervorragende
Stücke darunter — aber bei bestem Willen war es unmög-
lich, ein auch nur Halbwegs harmonisches Sammelwerk
daraus zusammenzustellen. Wenn wir uns im letzten
Moment notgedrungen von unserer ursprünglichen Idee
abwenden und für eine mechanisch reproduzierte Mappe
entscheiden mußten, war dies nicht unsere Schuld.
Herr E. L. darf überzeugt sein, daß feine Ausführungen
nicht ungehört bei uns verhallen. Wir können für so maß-
voll gehaltene sachliche Anregungen nur dankbar sein. Be-
dauern möchten wir lediglich, daß auch Herr E. L. sich die,
gerade in ihrer Allgemeinheit recht bedenkliche Satzwendung
zu eigeu macht: „Soviel rn an auch gegendiedeutschen
Kunstvereine sagen mag . . Könnte sich Herr E. L.
nicht entschließen, seine diesbezüglichen Gedanken näher
auszuführen? Es ließe sich dann vielleicht in diesen, hierzu
besonders geeigneten Blättern einmal darüber reden, was
die deutschen Kunstvereine, meist unter recht wenig er-
mutigenden Verhältnissen, seit langem, Jahr um Jahr für
Kunst und Künstler leisten, wie ungerecht und leichthin oft
über sie geurteilt wird und wie gern man ihnen die ein-
fachste Anerkennung versagt, die sonst ganz selbstverständlich
jeder ehrlichen Arbeit gezollt zu werden pflegt. Vielleicht
auch ließe sich dann nachweisen, daß es doch eine recht
mißliche Sache wäre, wenn heute einmal die deutschen
Kunstvereine ihre Säle sperrten und daß sie am Ende ge-
schaffen werden müßten, wenn sie nicht schon bestünden.
Vrvirr Vixts, Geschäftsleiter d. K. V. M.
Ronkurrenzunkug.
Von N. pfretzschn er-Berlin.
Jetzt vor einem Jahr wurde für Bregenz am Boden-
see die Konkurrenz für ein Vr. Anton Schneider-Denk-
mal ausgeschrieben. Der Kostenaufwand sollte soooo K
nicht übersteigen. Preise waren nicht notiert, ebenso-
wenig wurde die Jury genannt.
Da aber die ersten Männer der Stadt Bregenz unter
dem Aufruf standen, z. B. Bürgermeister Karl Albert
pedenz, Stadtrat Vr. I. Schneider, Bürgermeisterstellver-
treter F. Natter, Stadtrat Anton Kiene, Stadtpfarrer G.
prutscher, Hauptmann a. D. W. v. Merhart und andere, —
so glaubte man doch, daß die Sache auf reellem Boden
stehe und konkurrierte.
Zum t5. Juli t9O? hatten acht inländische Künstler,
denn nur Landeskinder waren zugelafsen, ihre Entwürfe
eingeschickt.
Mitte September wurde ich benachrichtigt, daß mein
Entwurf von der Jury keine Berücksichtigung gefunden
habe und ich über meine Arbeit verfügen möge.
Da ich gerade in Tirol weilte, fuhr ich nach Bregenz,
um meine Arbeit selbst zu verpacken.
Zu meinem nicht geringen Erstaunen erfuhr ich von
einigen der vorgenannten Herren Ausschußmitglieder und
anderen, es seien ihnen die Juroren nicht bekannt,
und es wären nur die zwei von denselben zur Ausführung
empfohlenen Modelle öffentlich ausgestellt gewesen. Es
sei den Herren nicht geglückt, die anderen Entwürfe zu
sehen, da selbe von obbenanntem Herrn pedenz unter
strengem Verschluß gehalten würden.
Darauf verfügte ich mich in das Museum, allwo die
Entwürfe verwahrt sein sollten und verlangte vom Diener
unter Vorweis des an mich gerichteten Schreibens mein
Modell. Unter Zögern und Kopfschütteln geleitete mich
der Mann an einen dem Publikum verschlossenen Raum,
den öffnete er und rief in denselben nach dem Kustos. Ich
hatte indes den Diener zur Seite geschoben und war in
den Raum getreten, in dem sieben Modelle standen. Nun
eilte mir der mir bekannte Kustos entgegen mit der Bitte,
mich zu entfernen, denn er habe strengen Auftrag, die
Modelle niemandem, auch mir nicht, zu zeigen.
Auf meine Frage, wer ihm den Auftrag erteilt habe, sagte
er: „Herr Pedenz."
Ich bemerkte, daß mich dieser Herr sonst was könne,
derselbe habe hier im Museum nichts zu befehlen, außer-
dem fei hier die Mrdre, über mein Modell zu verfügen.
Und so besah ich mir denn in aller Ruhe alle hier durch-
einanderstehenden Modelle, — nur das primo loco emp-
fohlene fehlte leider.
Ueber meine Frage, wer die Juroren waren, äußerte
sich der Kustos durch ein schweigsames Lächeln.
Ich fragte nach einem Protokoll, auch darüber
durfte oder konnte er mir nichts sagen.
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die ziemlich ausführliche Begründung aber leider über-
gangen. Diese Unterlassung erweckt den Anschein, als ver-
fahre der K. V. M. bei der Wahl feiner Prämienblätter
ohne Rücksicht auf die graphischen Künstler und ohne Ver-
ständnis für deren Schaffen. Diesem Irrtum möchten wir
hier entgegentreten.
Auch wir stehen vollständig auf dem Standpunkt des
Herrn E. L., daß der Sinn für gute Graphik nach jeder
nur denkbaren Richtung zu fördern ist und bemühen uns
speziell auch bei unseren Ausstellungen nach Möglichkeit,
dementsprechend zu handeln.
Was nun die Vereinsblätter betrifft, so gehören diese
für jeden Kunstverein zu den wirksamsten Mitteln für Ge-
winnung neuer Mitglieder. In 82 Jahren haben wir 99
verschiedene Radierungen herausgegeben, konnten uns aber
schließlich der Einsicht nicht mehr verschließen, daß diese
Art der Iahresgaben stetig an Wirksamkeit verlor. Die
Mitglieder wurden zuerst unzufrieden, dann begannen sie
zu klagen, und als auch das nichts nützte, bröckelten sie
langsam aber stetig ab. Auch die von Herrn E. L. beson-
ders erwähnten kleinen Mappen, gewiß reizvolle Arbeiten,
änderten an diesem Zustand nichts.
Da entschloß man sich im Jahre tsiOS, dem Zwang
gehorchend, zu einer Aenderung der bisherigen Uebung und
gab die Lenbach mappe heraus. In kurzer Zeit brachte
diese Gabe dem Verein viele hundert neue Mitglieder und
die Folge war, daß im Jahre t9O6 volle tvooo Mark
mehr für Ankäufe zur Verfügung gestellt werden konnten
als im Vorjahr. Und dies Geld kam ausschließlich der
Künstlerschaft zugute.
Nun ist die Frage: sollte man ans Grund so schlagen-
der Tatsachen fortfahren, den Leuten wider ihren Willen
Jahr für Jahr Radierungen aufzuzwingen, sollte man die
Mißvergnügten ziehen lassen und dadurch die Verlosungs-
gelder stetig schmälern, oder war es vorzuziehen, bis zu
einem gewissen Grad Zugeständnisse zu machen und sich an
den erhöhten Einnahmen schadlos zu halten?
Wenn unser Entschluß den praktischen Erwägungen
den Vorzug gab, so glaubten wir damit im richtigen Ver-
ständnis der Interessen der Künstler von zwei Uebeln das
kleinere gewählt zu haben. Denn allein die Zunahme
unserer Mitgliederzahl ermöglicht uns erhöhte Aufwendungen
für Ankäufe. Die dadurch gesteigerte materielle Förde-
rung der Künstler schien uns den von Herrn E. L. doch
wohl etwas überschätzten Ausfall an moralischer Unter-
stützung der graphischen Kunst wohl aufzuwiegen, zumal
wir unseren Mitgliedern doch so viel Sachkenntnis zutrauen
dürfen, daß sie die «Dualitäten einer Griginalgraxhik und
einer Reproduktion zu unterscheiden wissen.
Herr E. L. irrt, wenn er annimmt, wir hätten be-
sondere Vorliebe für mechanische Vervielfältigungen. Wir
zweifeln gar nicht daran, daß sich graphische Mriginal-
mappenwerke von hervorragender Wirkungskraft zu-
sammenstellen ließen, wenn inan tatkräftiger Mitarbeit
der Graphiker gewiß sein dürfte. Leider haben wir nach
dieser Richtung betrübliche Mißerfolge zu verzeichnen.
Im Jahre t906 z. B. erließen wir nicht weniger als
drei öffentliche Ausschreibungen, um Material für eine
6 blätterige Mappe zu bekommen. Bei allen drei Kon-
kurrenzen erhielten wir zwar ungezählte, aber leider für
den gedachten Zweck nicht verwendbare Arbeiten, womit
nicht gesagt sein soll, daß die Blätter künstlerisch ungenügend
gewesen seien — es befanden sich vielmehr hervorragende
Stücke darunter — aber bei bestem Willen war es unmög-
lich, ein auch nur Halbwegs harmonisches Sammelwerk
daraus zusammenzustellen. Wenn wir uns im letzten
Moment notgedrungen von unserer ursprünglichen Idee
abwenden und für eine mechanisch reproduzierte Mappe
entscheiden mußten, war dies nicht unsere Schuld.
Herr E. L. darf überzeugt sein, daß feine Ausführungen
nicht ungehört bei uns verhallen. Wir können für so maß-
voll gehaltene sachliche Anregungen nur dankbar sein. Be-
dauern möchten wir lediglich, daß auch Herr E. L. sich die,
gerade in ihrer Allgemeinheit recht bedenkliche Satzwendung
zu eigeu macht: „Soviel rn an auch gegendiedeutschen
Kunstvereine sagen mag . . Könnte sich Herr E. L.
nicht entschließen, seine diesbezüglichen Gedanken näher
auszuführen? Es ließe sich dann vielleicht in diesen, hierzu
besonders geeigneten Blättern einmal darüber reden, was
die deutschen Kunstvereine, meist unter recht wenig er-
mutigenden Verhältnissen, seit langem, Jahr um Jahr für
Kunst und Künstler leisten, wie ungerecht und leichthin oft
über sie geurteilt wird und wie gern man ihnen die ein-
fachste Anerkennung versagt, die sonst ganz selbstverständlich
jeder ehrlichen Arbeit gezollt zu werden pflegt. Vielleicht
auch ließe sich dann nachweisen, daß es doch eine recht
mißliche Sache wäre, wenn heute einmal die deutschen
Kunstvereine ihre Säle sperrten und daß sie am Ende ge-
schaffen werden müßten, wenn sie nicht schon bestünden.
Vrvirr Vixts, Geschäftsleiter d. K. V. M.
Ronkurrenzunkug.
Von N. pfretzschn er-Berlin.
Jetzt vor einem Jahr wurde für Bregenz am Boden-
see die Konkurrenz für ein Vr. Anton Schneider-Denk-
mal ausgeschrieben. Der Kostenaufwand sollte soooo K
nicht übersteigen. Preise waren nicht notiert, ebenso-
wenig wurde die Jury genannt.
Da aber die ersten Männer der Stadt Bregenz unter
dem Aufruf standen, z. B. Bürgermeister Karl Albert
pedenz, Stadtrat Vr. I. Schneider, Bürgermeisterstellver-
treter F. Natter, Stadtrat Anton Kiene, Stadtpfarrer G.
prutscher, Hauptmann a. D. W. v. Merhart und andere, —
so glaubte man doch, daß die Sache auf reellem Boden
stehe und konkurrierte.
Zum t5. Juli t9O? hatten acht inländische Künstler,
denn nur Landeskinder waren zugelafsen, ihre Entwürfe
eingeschickt.
Mitte September wurde ich benachrichtigt, daß mein
Entwurf von der Jury keine Berücksichtigung gefunden
habe und ich über meine Arbeit verfügen möge.
Da ich gerade in Tirol weilte, fuhr ich nach Bregenz,
um meine Arbeit selbst zu verpacken.
Zu meinem nicht geringen Erstaunen erfuhr ich von
einigen der vorgenannten Herren Ausschußmitglieder und
anderen, es seien ihnen die Juroren nicht bekannt,
und es wären nur die zwei von denselben zur Ausführung
empfohlenen Modelle öffentlich ausgestellt gewesen. Es
sei den Herren nicht geglückt, die anderen Entwürfe zu
sehen, da selbe von obbenanntem Herrn pedenz unter
strengem Verschluß gehalten würden.
Darauf verfügte ich mich in das Museum, allwo die
Entwürfe verwahrt sein sollten und verlangte vom Diener
unter Vorweis des an mich gerichteten Schreibens mein
Modell. Unter Zögern und Kopfschütteln geleitete mich
der Mann an einen dem Publikum verschlossenen Raum,
den öffnete er und rief in denselben nach dem Kustos. Ich
hatte indes den Diener zur Seite geschoben und war in
den Raum getreten, in dem sieben Modelle standen. Nun
eilte mir der mir bekannte Kustos entgegen mit der Bitte,
mich zu entfernen, denn er habe strengen Auftrag, die
Modelle niemandem, auch mir nicht, zu zeigen.
Auf meine Frage, wer ihm den Auftrag erteilt habe, sagte
er: „Herr Pedenz."
Ich bemerkte, daß mich dieser Herr sonst was könne,
derselbe habe hier im Museum nichts zu befehlen, außer-
dem fei hier die Mrdre, über mein Modell zu verfügen.
Und so besah ich mir denn in aller Ruhe alle hier durch-
einanderstehenden Modelle, — nur das primo loco emp-
fohlene fehlte leider.
Ueber meine Frage, wer die Juroren waren, äußerte
sich der Kustos durch ein schweigsames Lächeln.
Ich fragte nach einem Protokoll, auch darüber
durfte oder konnte er mir nichts sagen.