Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/1908
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Einwände gegen die Gebührenordnung für das Kunstgewerbe (Eisenacher Ordnung)
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Die Werkstatt der Kunst.
heft sp
^6
täglich von 8—s2 und 3—6 Uhr Entwürfe, künstlerisch
wertvolle Entwürfe zur Welt bringen. Er muß —
um sich nicht „auszugeben" -— ständig Naturstudien
machen, Naturbeobachtungen anstellen. Wer bezahlt
ihm die? Wo steht von ihnen etwas in der Ge-
bührenordnung?
Immerhin — trotz aller meiner prinzipiellen
Bedenken zweifle ich nicht, daß die Anregung zu
dieser Gebührenordnung für das Kunstgewerbc
guten Absichten entsprang. Ich zweifle nicht daran,
daß manche Bestimmung, z. B. die über die Ge-
bührenpflichtigkeit, über die Fälligkeit der Gebühren
usw., gut und nützlich wirken mag. Der Versuch
aber, die Gebühren selbst als feste Norm zu Papier
zu bringen, ist fehlgeschlagen. Wußte fehlschlagen,
weil es noch nie ein „Kunst-Metermaß" gegeben
hat (und wohl auch nie geben wird).
Die „Ordnung" sieht drei Berechnungsarten
vor, einmal die Dor-, Werk- und Wiedergebühr,
dann die pausch- und endlich die Zeitgebühr.
Abgesehen von den beiden letzten erfolgt die
Festsetzung der Gebühr mit bhilfe der „Grundgebühr".
Die Grundgebühr „bemißt sich stets nach Hundert-
teilen des Verkaufspreises an bhand des Tarifs".
Infolgedessen dürfte allein schon ihre Berechnung
zu manchen arithmetischen Kunststücken verführen —
nein, zwingen. Denn da die Verkaufsgebühr selbst
eine noch unbekannte Größe ist — die Summe
nämlich von Material plus Arbeitslohn usw. plus
Entwurfsgebühr; einer dieser Addenden, die Ent-
wurfsgebühr, soll aber doch erst berechnet werden —
so ist der schönste Schulfall für „Gleichungen mit
mehreren Unbekannten" gegeben. Und sind dann
schließlich glücklich diese beiden unbekannten Größen
eruiert, so ergibt sich die interessante Tatsache, daß
die zuerst noch gar nicht bekannte Entwurfsgebühr
prozentualiter zur Berechnung eben dieser Entwurfs-
gebühr schon mit herangezogen ist.
Aus dieser Ermittlungsart der Grundgebühr-
muß man aber logischerwcise den weiteren Schluß
ziehen, daß der Wert des Entwurfs vom Arbeits-
lohn (im Zeitalter der Maschine!) und von dem
Material abhängig ist, in dem er — vielleicht wider
Willen des Künstlers sogar — ausgeführt wird.
Nur dann würde jedoch diese Folgerung stimmen,
wenn der künstlerische Wert eines Materials mit
seinen: materiellen Wert identisch wäre. Nun kann
aber doch unter Umständen gerade ein billiges
Material dem Künstler für seine spezielle Absicht die
größere Ausdrucksmöglichkeit bieten als ein teueres.
Tritt dieser Fall ein — und er wird nicht selten
eintreten — so ergibt sich die unglaubliche Tatsache,
daß die Arbeit des Künstlers bei der Ausführung
im billigeren, seiner Absicht geeigneteren Material
geringer bewertet wird als wenn sie im teureren
aber weniger geeigneten Material ausgcführt wird.
Man wende nicht ein, daß der Tarif durch klassen-
weise Differenzierung des Prozentsatzes je nach dein
Verhältnis zwischen Materialkosten und Arbeitskosten
diesen inneren Widerspruch überwinde!
Um diesen Einwand zu widerlegen, will ich
ein Beispiel ansühren: Zu einem Armband in Silber
mit ^Halbedelsteinen wird ein Entwurf geliefert.
Verkaufspreis des Armbandes sei 25,— Mk. Das
Verhältnis von Material- zu Arbeitskosten weist das
Erzeugnis nach „Klasse III". Ljier beträgt die
Grundgebühr (50/0- Zu berechnen ist also
für Vorentwurf .... 3,75 Mk.
für Werkzeichnung . . . 3,75 „
für Wiedergebühr (sO x) 37,50 „
zusammen H5,— Mk.
Ich will nun annehmen, nach der gleichen Zeichnung
des gleichen Künstlers wird das Armband in Gold
ausgesührt und mit Brillanten geschmückt. Ls kostet
dann allerdings nicht 25 sondern vielleicht 300 Mk.
Sofort ist der Künstler so glücklich, für die gleiche
Leistung und trotzdem der Entwurf jetzt „nur" nach
„Klasse I" (ZO/o Grundgebühr) berechnet wird,
für Vorentwurf .... 2fl,— Mk.
für Werkzeichnung . . . 2^,— „
für Wiedergebühr (sO x) 2^0,— „
zusammen 288,— Mk.
zu bekommen. Also 288 Mk. an Stelle von H5 Mk.!
Für die gleiche Leistung!
Die Unzulänglichkeit der „Ordnung" beweist
weiter die direkte Unmöglichkeit, sie für eine ganze
große Gruppe des Kunstgewerbes, für das Buch-
gewerbe, zur Anwendung zu bringen (wenigstens
soweit die Berechnung mit bjilfe der Grundgebühr
in Betracht kommt — was doch sonst die Norm
sein soll). Oder kann jemand mit bhilfe des Ver-
kaufspreises (?) eines Plakates oder eines Umschlages
der „Woche" die Lntwurfskosten berechnen? wer's
versucht, wird vermutlich jedesmal auf den Mindest-
satz von — (0 Mk. kommen. Das ist aber offen-
bar selbst den: Verband der Kunstgcwerbevereinc
zu — merkwürdig, und er gibt (bei einem ähnlichen
Beispiel) da selbst den Rat, in solchem Fall nach
pausch- oder Zollgebühr zu berechnen.
Und so kommen wir zu der Zeitgebühr! Die
wird nun „nach der Zahl der aufgewendcten Ar-
beitsstunden" berechnet. Da die unkontrollierbar
ist, wird sie natürlich eine stets inunter sprudelnde
«Auelle von Acrger und Streit für Künstler und
Auftraggeber sein. Aber abgesehen davon interessiert
diese Gebühr, weil sie als „Marimalgebühr" an-
gegeben ist. Es kann nämlich „für die erste Arbeits-
stunde ein Betrag bis 20 Mk., für jede weitere ein
Betrag bis 5 Mk. in Ansatz gebracht werden."
Famos! Der künstlerische Entwurf pflegt mit der
sog. künstlerischen „Idee" zu beginnen — die ist
besonders wertvoll (in Nr. fl8 der „Werkstatt der
Kunst" beansprucht Leon Kober deshalb für sie so-
gar einen besonderen Schuh, eine Art „Patentbureau
für künstlerische Einfälle") — ergo wird die erste Stunde
heft sp
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täglich von 8—s2 und 3—6 Uhr Entwürfe, künstlerisch
wertvolle Entwürfe zur Welt bringen. Er muß —
um sich nicht „auszugeben" -— ständig Naturstudien
machen, Naturbeobachtungen anstellen. Wer bezahlt
ihm die? Wo steht von ihnen etwas in der Ge-
bührenordnung?
Immerhin — trotz aller meiner prinzipiellen
Bedenken zweifle ich nicht, daß die Anregung zu
dieser Gebührenordnung für das Kunstgewerbc
guten Absichten entsprang. Ich zweifle nicht daran,
daß manche Bestimmung, z. B. die über die Ge-
bührenpflichtigkeit, über die Fälligkeit der Gebühren
usw., gut und nützlich wirken mag. Der Versuch
aber, die Gebühren selbst als feste Norm zu Papier
zu bringen, ist fehlgeschlagen. Wußte fehlschlagen,
weil es noch nie ein „Kunst-Metermaß" gegeben
hat (und wohl auch nie geben wird).
Die „Ordnung" sieht drei Berechnungsarten
vor, einmal die Dor-, Werk- und Wiedergebühr,
dann die pausch- und endlich die Zeitgebühr.
Abgesehen von den beiden letzten erfolgt die
Festsetzung der Gebühr mit bhilfe der „Grundgebühr".
Die Grundgebühr „bemißt sich stets nach Hundert-
teilen des Verkaufspreises an bhand des Tarifs".
Infolgedessen dürfte allein schon ihre Berechnung
zu manchen arithmetischen Kunststücken verführen —
nein, zwingen. Denn da die Verkaufsgebühr selbst
eine noch unbekannte Größe ist — die Summe
nämlich von Material plus Arbeitslohn usw. plus
Entwurfsgebühr; einer dieser Addenden, die Ent-
wurfsgebühr, soll aber doch erst berechnet werden —
so ist der schönste Schulfall für „Gleichungen mit
mehreren Unbekannten" gegeben. Und sind dann
schließlich glücklich diese beiden unbekannten Größen
eruiert, so ergibt sich die interessante Tatsache, daß
die zuerst noch gar nicht bekannte Entwurfsgebühr
prozentualiter zur Berechnung eben dieser Entwurfs-
gebühr schon mit herangezogen ist.
Aus dieser Ermittlungsart der Grundgebühr-
muß man aber logischerwcise den weiteren Schluß
ziehen, daß der Wert des Entwurfs vom Arbeits-
lohn (im Zeitalter der Maschine!) und von dem
Material abhängig ist, in dem er — vielleicht wider
Willen des Künstlers sogar — ausgeführt wird.
Nur dann würde jedoch diese Folgerung stimmen,
wenn der künstlerische Wert eines Materials mit
seinen: materiellen Wert identisch wäre. Nun kann
aber doch unter Umständen gerade ein billiges
Material dem Künstler für seine spezielle Absicht die
größere Ausdrucksmöglichkeit bieten als ein teueres.
Tritt dieser Fall ein — und er wird nicht selten
eintreten — so ergibt sich die unglaubliche Tatsache,
daß die Arbeit des Künstlers bei der Ausführung
im billigeren, seiner Absicht geeigneteren Material
geringer bewertet wird als wenn sie im teureren
aber weniger geeigneten Material ausgcführt wird.
Man wende nicht ein, daß der Tarif durch klassen-
weise Differenzierung des Prozentsatzes je nach dein
Verhältnis zwischen Materialkosten und Arbeitskosten
diesen inneren Widerspruch überwinde!
Um diesen Einwand zu widerlegen, will ich
ein Beispiel ansühren: Zu einem Armband in Silber
mit ^Halbedelsteinen wird ein Entwurf geliefert.
Verkaufspreis des Armbandes sei 25,— Mk. Das
Verhältnis von Material- zu Arbeitskosten weist das
Erzeugnis nach „Klasse III". Ljier beträgt die
Grundgebühr (50/0- Zu berechnen ist also
für Vorentwurf .... 3,75 Mk.
für Werkzeichnung . . . 3,75 „
für Wiedergebühr (sO x) 37,50 „
zusammen H5,— Mk.
Ich will nun annehmen, nach der gleichen Zeichnung
des gleichen Künstlers wird das Armband in Gold
ausgesührt und mit Brillanten geschmückt. Ls kostet
dann allerdings nicht 25 sondern vielleicht 300 Mk.
Sofort ist der Künstler so glücklich, für die gleiche
Leistung und trotzdem der Entwurf jetzt „nur" nach
„Klasse I" (ZO/o Grundgebühr) berechnet wird,
für Vorentwurf .... 2fl,— Mk.
für Werkzeichnung . . . 2^,— „
für Wiedergebühr (sO x) 2^0,— „
zusammen 288,— Mk.
zu bekommen. Also 288 Mk. an Stelle von H5 Mk.!
Für die gleiche Leistung!
Die Unzulänglichkeit der „Ordnung" beweist
weiter die direkte Unmöglichkeit, sie für eine ganze
große Gruppe des Kunstgewerbes, für das Buch-
gewerbe, zur Anwendung zu bringen (wenigstens
soweit die Berechnung mit bjilfe der Grundgebühr
in Betracht kommt — was doch sonst die Norm
sein soll). Oder kann jemand mit bhilfe des Ver-
kaufspreises (?) eines Plakates oder eines Umschlages
der „Woche" die Lntwurfskosten berechnen? wer's
versucht, wird vermutlich jedesmal auf den Mindest-
satz von — (0 Mk. kommen. Das ist aber offen-
bar selbst den: Verband der Kunstgcwerbevereinc
zu — merkwürdig, und er gibt (bei einem ähnlichen
Beispiel) da selbst den Rat, in solchem Fall nach
pausch- oder Zollgebühr zu berechnen.
Und so kommen wir zu der Zeitgebühr! Die
wird nun „nach der Zahl der aufgewendcten Ar-
beitsstunden" berechnet. Da die unkontrollierbar
ist, wird sie natürlich eine stets inunter sprudelnde
«Auelle von Acrger und Streit für Künstler und
Auftraggeber sein. Aber abgesehen davon interessiert
diese Gebühr, weil sie als „Marimalgebühr" an-
gegeben ist. Es kann nämlich „für die erste Arbeits-
stunde ein Betrag bis 20 Mk., für jede weitere ein
Betrag bis 5 Mk. in Ansatz gebracht werden."
Famos! Der künstlerische Entwurf pflegt mit der
sog. künstlerischen „Idee" zu beginnen — die ist
besonders wertvoll (in Nr. fl8 der „Werkstatt der
Kunst" beansprucht Leon Kober deshalb für sie so-
gar einen besonderen Schuh, eine Art „Patentbureau
für künstlerische Einfälle") — ergo wird die erste Stunde