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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 7.1907/​1908

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft 8.


Der andere Grund, warum Werke zurückgewiesen
werden, ist der angebliche Mangel an künstlerischer
(Dualität. Ich sage angeblicher Mangel, weil wir alle die
Erfahrung haben, daß auch aus Unverständnis vieles zurück-
gewiesen wird, wir haben hierfür Beispiele in der neuesten
Kunstgeschichte. Männer wie Lourbet, Manet usw. wurden
unter Hohnlachen zurückgewiesen, heute hält man sie für
Bahnbrecher.
wenn ich nicht irre, sind die Seeessionen aus den
zurückgewiesenen Künstlern gebildet worden. (? — Red.) So
sehen wir, daß selbst die kunstverständigste Jury irren kann.
Auch ist es leider richtig, daß nicht alle Künstler kunst-
verständig (? — Red.) sind, auch wenn sie selbst sehr viel können.
In den Künstlervereinen werden unbekümmert um das be-
wiesene Verständnis nur Künstler in die Jury gewählt.
In den Kunstvereinen werden aber auch Personen gewählt,
die anderen Standes sind, von denen man aber Verständnis
wenigstens vermutet, und das ist gut, weil dadurch der
Einseitigkeit einer Richtung gesteuert wird.
Im öffentlichen Leben hat man bereits eine Insti-
tution, die dieser Ansicht Rechnung trägt. Die Schöffen-
und Geschworenen-Gerichte. Um die Angeklagten vor dem
einseitigen Paragraphen des Gesetzes, und vor dessen ebenso
einseitigen Auslegern dieses zu schützen, hat man Bürger, die
von Juristerei nichts verstehen und nur mit ihrem Haus-
verstande urteilen können, dem Fachrichter beigegeben. Eine
Jury ist aber auch ein Gerichtshof, noch dazu, ohne an ein
Gesetz gebunden zu sein. Also könnten in den Jurys ein
paar Schöffen oder Geschworene nicht schaden.
So würde auch die Jury zahlreicher, und das sollte
deswegen sein, weil sich mehrere Mitglieder nicht so leicht
beeinflussen lassen wie vier oder fünf. Die Kunstwerke
aber gar nur von einem Künstler beurteilen zu lassen,
finde ich sehr nachteilig.
Da ist die Einseitigkeit naturgemäß Richterin. Ich
weiß einen Fall, in dem ein Künstler die Werke nur dann
ausgenommen hat, wenn sie, seiner Ansicht nach, keinen
Mißklang in sein Arrangement gebracht haben. Also müßten
alle, die für diese Ausstellung gearbeitet haben, im Vor-
hinein gewußt haben, ob ihre Werke wohl als von diesem
Herrn gewünschter Fleck geeignet sind, um nicht zurück-
gewiesen zu werden. Die Launen einzelner Juroren sind
ebenfalls unberechenbar. Auch kommt es vor, daß mancher,
der gar nichts versteht, durch seine Redegabe die anderen
zu seinen Ansichten hinreißt. Ich wiederhole die schon
einmal in der „Werkstatt der Kunst" ausgesprochene Ansicht,
daß es besser ist, zu viele Juroren zu haben, wie zu wenige.
In den Künstlervereinen sollte man den ganzen Verein
als Jury einsetzen, damit nicht einige das Privilegium
haben, die anderen alle zu beurteilen, sich aber selbst der
Beurteilung der nicht in der Jury sich befindenden Mit-
glieder zu entziehen. In den Kunstvereinen aber einige
Laienrichter in die Jury wählen, weil die einzelnen Künstler
sehr häufig nur nach der Richtung alles gut finden, in
der sie sich betätigen und alles andere nicht gelten lassen
wollen. Dadurch werden junge Künstler geschädigt, weil
man ihr Streben nicht versteht und alte bewährte ost be-
leidigt, weil man aus dieser Einseitigkeit ihre Richtung als
veraltet, also nicht auf dem jetzigen Kunstniveau stehend,
zurückweist.
Es entsteht aber auch die Frage, ob man die Jury
nicht ganz abschaffen, sondern einfach alles, was Platz hat,
aufnehmen soll? Für diesen Fall haben wir ein groß-
artiges Beispiel: den Lalon inclspenclunt in Paris, wenn
man diese Ausstellung betritt, findet man sie auf den ersten
Augenblick einfach toll, schrecklich, scheußlich, unglaublich.
Später versöhnt man sich an einer perle, die man in diesem
Schlamm findet, und nach drei oder vier solchen Funden
freut man sich schon, daß diese Art Ausstellung existiert,
da die aus irgend einem Grunde von anderen Ausstellungen
guten zurückgewiesenen Werke doch dem Publikum zu dessen
Freude vorgeführt werden können.
Die anderen Umstände, aus denen Kunstwerke zurück-
gewiesen werden, will ich gar nicht besprechen, sondern,

wenn schon juriert werden muß, gleich ein Programm auf-
zustellen versuchen, wie das verhaßte Iurywesen wenigstens
gebessert werden könnte, also:
(. Line jede Jury soll aus mindestens 20 Personen
bestehen.
2. Es sollen darin auch Laien mitwirken können.
3. Zur Zurückweisung eines Werkes ist die ^-Ma-
jorität, also (5 von 20 Stimmen erforderlich (siehe Ge-
schworenengericht bei der Schuldigsprechung).
H. Soll dem Zurückgewiesenen, wenn nicht in den
Sälen der Angenommenen, Gelegenheit gegeben werden,
das Urteil der Jury dem Publikum zu unterbreiten.
5. Soll dem Aussteller bekannt gegeben werden, warum
sein Werk nicht angenommen wurde, weil diese Angabe
naturgemäß erziehlich wirken würde.
6. Sollen in den Künstlervereinen die ordentlichen
Mitglieder für eine Anzahl von Werken oder für ein Werk
oder ganz juryfrei sein.
7. Soll ein Ehrentitel für anerkannte Künstler be-
stehen, der sie der Annahme in die Ausstellung auf Lebens-
zeit versichert.
8. Desgleichen soll jeder Künstler, der noch nie aus-
gestellt hat, für eines von seinen Werken nach eigener
Wahl juryfrei sein.
Nun versuche ich gleich zu zeigen, wie diese Punkte
ausgeführt werden könnten. Die Punkte 2, 5 sind leicht
ausführbar und nur guter Wille gehört dazu. Der Punkt H
läßt sich auf zwei Arten ausführen.
In jeder Ausstellung könnte ein Saal reserviert werden,
in dem die zurückgewiesenen Kunstwerke auf Wunsch ihrer
Erzeuger ausgestellt werden. Dieser Saal brauchte entweder
keine Bezeichnung oder einen anständigen Titel zu führen,
z. B. ohne Verantwortlichkeit der Beurteilungskommission
ausgestellte Werke; oder: Salon der Amateure usw.
Oder es könnten zweitens: die zurückgewiesenen Werke
an Stellen ausgestellt werden, wo sie nicht stören und den
Vermerk tragen oder im Katalog angeführt werden, daß
die Jury für die Aufnahme sich nicht verantwortlich macht.
Zu Punkt 5 wäre zu bemerken, daß der Künstler das
Recht hat, zu verlangen, ihm den Grund der Zurückweisung
bekannt zu geben, damit er sich ein Bild machen kann,
wie die Jury gearbeitet hat. Und damit er sich für ein
nächstes Mal danach zu richten weiß. Man wird sagen,
daß das zuviel Kanzleiarbeit erfordern würde. Ich sage
nein. Die Rückweisungsbriefe sind ohnehin vorgedruckt,
also lasse man die möglichen Gründe auch vordrucken,
z. B. Rückweisung wegen:
Ungenügender Zeichnung,
„ Farbengebung,
„ Gesamteindruck,
der Wahl des Gegenstandes
„ „ „ Formates,
„ „ „ Rahmens.
Im Briefe werden dann die betreffenden Mängel unter-
strichen. wie erziehlich würden solche aufrichtige Aeuße-
rungen auf den Zurückgewiesenen wirken. Ist die Zeichnung
schlecht, wird er sich darin fleißig üben und so auf alle
anderen Punkte bedacht sein, sie in Zukunft zu beseitigen.
Zu Punkt 6 wäre zu bemerken, daß es bester ist, Mit-
glieder, welche künstlerisch nicht auf der annehmbaren Höhe
stehen, in den Verein (die Gruppe) nicht aufzunchmen.
wenn sie aber einmal drinnen sind, sollen sie auch volle
Iuryfreiheit haben, denn wenn man im eigenen Hause
nicht vor Intriguen (? — Red.) sicher ist und die viele Arbeit
und Kosten durch Zurückweisung für die beste Gelegenheit
verloren sind, so braucht man keinen Verein.
Zu Punkt 7: Damit ein bereits anerkannter Künstler
vor den Wechselungen in den Ausstellungskommissionen
und Jurys gesichert ist, die im Laufe eines z. B. langen
Lebens die verschiedensten Richtungen vertreten und der
betagte Künstler da Gefahr läuft, aus Richtungsgründen
abgewiesen zu werden, sollte man den betreffenden Künstler
dadurch sichern, daß man seine Werke für seine Lebenszeit
 
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