Die Werkstatt der Kunst
Organ für clie Interessen eter bilclencken Künstler
^eäaklem: ^rilz tzeUxvag.
VIII. ^akrg. !)ekr Z. 2. Oovbr. 1908.
„Sogenannte Men er bilder." II.
Die Genossenschaft der bildenden Künstler
Wiens erhielt auf den in der vorigen Nummer abge-
druckten Beschwerdebrief folgendes Antwortschreiben des
Kunstsalons Rheinland in Berlin.
Berlin, den t5. Oktober t9O8.
An die
Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens,
w i e n.
)m angenehmen Besitze Ihres Geehrten vom 9. cr.
bedaure ich außerordentlich, Ihnen Veranlassung zu einer
Reklamation gegeben zu haben, um so mehr als sich die
Ursache nicht im entferntesten gegen die Künstler
Wiens richtete, sondern lediglich das Publikum warnen
sollte, die sogenannten „wiener Bilder" zu kaufen, welche
in anderen Konkurrenzunternehmungen in Norderney in
großen Pausen ausgestellt waren und das ganze Geschäft
in reellen guten Originalen unterbanden.
Es dürfte Ihnen doch sicherlich bekannt sein, daß
leider die ganze Welt mit den erbärmlichen Fabrikationen
der großen wiener päuser verseucht ist und den reellen
Geschäften einen ungeheuren Schaden zufügen.
Es war dies in Norderney nur eine vorübergehende
Sache und richtete sich meine Anzeige lediglich gegen Ge-
schäfte, welche das Publikum mit diesem Fabrikat voll-
ständig irreführten. Da ich im übrigen voraussichtlich nie
wieder eine derartige Ausstellung in einem Badeorte ver-
anstalte, so kommt der von Ihnen beanstandete Fall auch
nicht wieder vor und möchte ich nicht unterlassen, Ihnen
mein Bedauern darüber auszu sprechen, daß ich
Ihnen durch das fragliche Plakat Veranlassung zur Klage
gegeben habe.
Mit Hochachtung
Kunstsalov Rheinland.
w. Louran m. p.
Das Urheberrecht derbauunternehmsr
In einer süddeutschen Kunstzeitschrift erschien die nach-
stehende amüsante Berichtigung des perrn Karl Stöhr,
Inhabers eines Laugeschäftes gleichen Namens in München:
„Ich selbst bin der Schöpfer dieses potels und
war der bauleitende Architekt und Baumeister dieses Baues.
— perr Franz Lukas hatte bei diesem Bau ausschließ-
lich mit dem künstlerischen Teil zu tun."
Die „Berichtigung" ist nach mehr als einer Richtung
hin interessant. I" großem Selbstbewußtsein hat der
Unternehmer seine Ehrenrettung abgefaßt und glaubt nun
als Schöpfer und Träger des Urheberrechts öffentlich dazu-
stehen. Er hat aber gar nicht bemerkt, daß er eigentlich
in seiner Richtigstellung nur bestätigt hat, daß der Architekt
Lukas künstlerisch der eigentliche Schöpfer des Baues sei.
Das ist der pumor dieses einzelnen Falles. Typisch ist
aber, wie wir beim Fall Boswau Knauer schon früher
gesehen haben, die absolute Unkenntnis dieser perren Bau-
unternehmer dessen, worin die künstlerische Schöpfung und
das aus ihr kommende Urheberrecht besteht. Sie glauben,
wenn sie den Auftrag erteilen, ausführen oder übernehmen
und den betreffenden Bau finanzieren, dann seien sie auch
dessen Schöpfer, weil sie vor dem Stadtbauamt die bauliche
Verantwortung zu tragen haben. Sie sehen mit mitlei-
digem Gefühl auf den von ihnen beschäftigten Architekten
herab, der sich mit allerhand künstlerischen Spielereien zu
beschäftigen scheint. Sie haben auch gar keinen Begriff
von dem, was durch das Kunstschutzgesetz als Urheberrecht
angesehen wird und geschützt werden soll. „Ich selbst bin
der Schöpser dieses potels und war der bauleitende Architekt
und Baumeister dieses Baues." Daß dies im letzten Sinne
nur eine kaufmännische und meist auch mechanische Tätig-
keit ist und sich nur auf die äußere Vollendung der geistigen
Arbeit eines anderen bezieht, das kommt diesen kapital-
kräftigen und stolzen Bauunternehmern niemals in den
Sinn. Stöhr glaubt, mit den Brocken, die er dem mit-
arbeitenden Architekten öffentlich mitleidig hinwirft: „perr
. . . . . hatte bei diesem Lau ausschließlich (!) mit dem
künstlerischen Teile zu tun," die untergeordnete Stellung
dieses Künstlers ins richtige Licht gesetzt zu haben, während
er ihm damit doch in Wahrheit die künstlerische Ehre und
die urheberrechtliche Nutznießung aus seiner Schöpfung zu-
erkennt!
Oer Osubau des berliner Opernhauses
Bekanntlich wird für das Berliner Opernhaus ein
Neubau geplant, der ungefähr t5 Mill. Mk. kosten wird,
also ein Bauobjekt darstellt, wie es selbst in der Reichs-
hauptstadt selten vorkommt. Und da es sich hier nicht um
eine Kaserne, sondern um eins derjenigen päuser handelt,
die vor allen den Ausdruck unseres künstlerischen Lebens
tragen und für lange Zeiten eins der wichtigsten kulturellen
Dokumente bilden sollen, so hat das deutsche Volk und be-
sonders die deutsche Künstlerschaft ein sehr bedeutendes
Interesse daran, wem und auf welche Art dieser Bau ver-
geben werden wird. Die Vergebung dieses Auftrages ist
nämlich durchaus nicht Sache des preußischen pofes,
weil auch der preußische Landtag zu den Baukosten 8 Mill. Mk.
und die Stadt Berlin 7 Mill. Mk. aufzubringen haben
werden.
Man kann deshalb nur mit größtem Erstaunen ver-
nehmen, daß der preußische pof, wie es scheint, mit
„seinem" Pofbaurat Genzmer bereits einen Vertrag ab-
geschlossen hat! wenigstens sind nach einem kürzlich er-
schienenen Bericht des „Berliner Tageblattes" die Vorbe-
reitungen für den Neubau des Berliner Opernhauses
bereits im vollen Gange und die Baupläne be-
reits fertig durchgearbeitet! Es ist noch in der leb-
haften Erinnerung aller künstlerisch empfindenden Berliner,
wie sehr derselbe Baurat Genzmer das Schauspielhaus,
eine der schönsten Schöpfungen Schinkels bei den: Umbau
verdorben hat. Sache der deutschen Architekten ist es, sich
dagegen zu wehren, daß ein solcher nur selten wieder-
kehrender und die höchsten künstlerischen Anforderungen
stellender Bau über ihre Köpfe hinweg an einen, und ge-
rade an diesen, Pofbeamten vergeben wird. Es ist die
Forderung aufzustellen, daß für den Bau dieses Opern-
hauses ein öffentlicher Wettbewerb unter sämtlicher:
deutschen Architekten erlassen werde und daß man dem
deutschen Volke nur das allerbeste künstlerische Ergebnis
dieses Wettbewerbes biete!
Der preußische Landtag, der die acht Millionen
als Beitrag des preußischen Volkes bewilligen soll, wird
Organ für clie Interessen eter bilclencken Künstler
^eäaklem: ^rilz tzeUxvag.
VIII. ^akrg. !)ekr Z. 2. Oovbr. 1908.
„Sogenannte Men er bilder." II.
Die Genossenschaft der bildenden Künstler
Wiens erhielt auf den in der vorigen Nummer abge-
druckten Beschwerdebrief folgendes Antwortschreiben des
Kunstsalons Rheinland in Berlin.
Berlin, den t5. Oktober t9O8.
An die
Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens,
w i e n.
)m angenehmen Besitze Ihres Geehrten vom 9. cr.
bedaure ich außerordentlich, Ihnen Veranlassung zu einer
Reklamation gegeben zu haben, um so mehr als sich die
Ursache nicht im entferntesten gegen die Künstler
Wiens richtete, sondern lediglich das Publikum warnen
sollte, die sogenannten „wiener Bilder" zu kaufen, welche
in anderen Konkurrenzunternehmungen in Norderney in
großen Pausen ausgestellt waren und das ganze Geschäft
in reellen guten Originalen unterbanden.
Es dürfte Ihnen doch sicherlich bekannt sein, daß
leider die ganze Welt mit den erbärmlichen Fabrikationen
der großen wiener päuser verseucht ist und den reellen
Geschäften einen ungeheuren Schaden zufügen.
Es war dies in Norderney nur eine vorübergehende
Sache und richtete sich meine Anzeige lediglich gegen Ge-
schäfte, welche das Publikum mit diesem Fabrikat voll-
ständig irreführten. Da ich im übrigen voraussichtlich nie
wieder eine derartige Ausstellung in einem Badeorte ver-
anstalte, so kommt der von Ihnen beanstandete Fall auch
nicht wieder vor und möchte ich nicht unterlassen, Ihnen
mein Bedauern darüber auszu sprechen, daß ich
Ihnen durch das fragliche Plakat Veranlassung zur Klage
gegeben habe.
Mit Hochachtung
Kunstsalov Rheinland.
w. Louran m. p.
Das Urheberrecht derbauunternehmsr
In einer süddeutschen Kunstzeitschrift erschien die nach-
stehende amüsante Berichtigung des perrn Karl Stöhr,
Inhabers eines Laugeschäftes gleichen Namens in München:
„Ich selbst bin der Schöpfer dieses potels und
war der bauleitende Architekt und Baumeister dieses Baues.
— perr Franz Lukas hatte bei diesem Bau ausschließ-
lich mit dem künstlerischen Teil zu tun."
Die „Berichtigung" ist nach mehr als einer Richtung
hin interessant. I" großem Selbstbewußtsein hat der
Unternehmer seine Ehrenrettung abgefaßt und glaubt nun
als Schöpfer und Träger des Urheberrechts öffentlich dazu-
stehen. Er hat aber gar nicht bemerkt, daß er eigentlich
in seiner Richtigstellung nur bestätigt hat, daß der Architekt
Lukas künstlerisch der eigentliche Schöpfer des Baues sei.
Das ist der pumor dieses einzelnen Falles. Typisch ist
aber, wie wir beim Fall Boswau Knauer schon früher
gesehen haben, die absolute Unkenntnis dieser perren Bau-
unternehmer dessen, worin die künstlerische Schöpfung und
das aus ihr kommende Urheberrecht besteht. Sie glauben,
wenn sie den Auftrag erteilen, ausführen oder übernehmen
und den betreffenden Bau finanzieren, dann seien sie auch
dessen Schöpfer, weil sie vor dem Stadtbauamt die bauliche
Verantwortung zu tragen haben. Sie sehen mit mitlei-
digem Gefühl auf den von ihnen beschäftigten Architekten
herab, der sich mit allerhand künstlerischen Spielereien zu
beschäftigen scheint. Sie haben auch gar keinen Begriff
von dem, was durch das Kunstschutzgesetz als Urheberrecht
angesehen wird und geschützt werden soll. „Ich selbst bin
der Schöpser dieses potels und war der bauleitende Architekt
und Baumeister dieses Baues." Daß dies im letzten Sinne
nur eine kaufmännische und meist auch mechanische Tätig-
keit ist und sich nur auf die äußere Vollendung der geistigen
Arbeit eines anderen bezieht, das kommt diesen kapital-
kräftigen und stolzen Bauunternehmern niemals in den
Sinn. Stöhr glaubt, mit den Brocken, die er dem mit-
arbeitenden Architekten öffentlich mitleidig hinwirft: „perr
. . . . . hatte bei diesem Lau ausschließlich (!) mit dem
künstlerischen Teile zu tun," die untergeordnete Stellung
dieses Künstlers ins richtige Licht gesetzt zu haben, während
er ihm damit doch in Wahrheit die künstlerische Ehre und
die urheberrechtliche Nutznießung aus seiner Schöpfung zu-
erkennt!
Oer Osubau des berliner Opernhauses
Bekanntlich wird für das Berliner Opernhaus ein
Neubau geplant, der ungefähr t5 Mill. Mk. kosten wird,
also ein Bauobjekt darstellt, wie es selbst in der Reichs-
hauptstadt selten vorkommt. Und da es sich hier nicht um
eine Kaserne, sondern um eins derjenigen päuser handelt,
die vor allen den Ausdruck unseres künstlerischen Lebens
tragen und für lange Zeiten eins der wichtigsten kulturellen
Dokumente bilden sollen, so hat das deutsche Volk und be-
sonders die deutsche Künstlerschaft ein sehr bedeutendes
Interesse daran, wem und auf welche Art dieser Bau ver-
geben werden wird. Die Vergebung dieses Auftrages ist
nämlich durchaus nicht Sache des preußischen pofes,
weil auch der preußische Landtag zu den Baukosten 8 Mill. Mk.
und die Stadt Berlin 7 Mill. Mk. aufzubringen haben
werden.
Man kann deshalb nur mit größtem Erstaunen ver-
nehmen, daß der preußische pof, wie es scheint, mit
„seinem" Pofbaurat Genzmer bereits einen Vertrag ab-
geschlossen hat! wenigstens sind nach einem kürzlich er-
schienenen Bericht des „Berliner Tageblattes" die Vorbe-
reitungen für den Neubau des Berliner Opernhauses
bereits im vollen Gange und die Baupläne be-
reits fertig durchgearbeitet! Es ist noch in der leb-
haften Erinnerung aller künstlerisch empfindenden Berliner,
wie sehr derselbe Baurat Genzmer das Schauspielhaus,
eine der schönsten Schöpfungen Schinkels bei den: Umbau
verdorben hat. Sache der deutschen Architekten ist es, sich
dagegen zu wehren, daß ein solcher nur selten wieder-
kehrender und die höchsten künstlerischen Anforderungen
stellender Bau über ihre Köpfe hinweg an einen, und ge-
rade an diesen, Pofbeamten vergeben wird. Es ist die
Forderung aufzustellen, daß für den Bau dieses Opern-
hauses ein öffentlicher Wettbewerb unter sämtlicher:
deutschen Architekten erlassen werde und daß man dem
deutschen Volke nur das allerbeste künstlerische Ergebnis
dieses Wettbewerbes biete!
Der preußische Landtag, der die acht Millionen
als Beitrag des preußischen Volkes bewilligen soll, wird