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Die Werkstatt der Runst.
XIV, Heft 2H
Decke gestreckt. Welche Ungeheuerlichkeiten hat aber
dieser Götzendienst letzten Endes gezeitigt! Nur
einiges:
Welcher Rünstler, der ehrlich Hand und Hirn
gerührt hatte und nach harter Urbeit vielleicht auch
Unerkennung fand, war denn sicher, daß er nicht
über Nacht von einer Mode enterbt und für talentlos
und rechtlos erklärt wurde? Und wenn er dann —
dem Nichtssein immer näherrückend, sich doch zu
einer Häutung in gereiften Tagen verstand und den
Irrtum seines Lebens eben abgeschworen hatte, da
hatte sich die Mode gewandelt und — und so weiter.
Wer aber sich so schnell zu häuten nicht verstand,
war bald allein.
Nicht Runst und Rönnen war das Entscheidende,
sondern die Mode und die Geschwindigkeit der Un-
passung. Oie affenartige Geschwindigkeit feierte ihre
Triumphe und kannte kein Mitleid.
Natürlich bildeten sich Gruppen auch und Par-
teien um alle veralteten und noch kommenden neuen
Moden und mit allen Mitteln eines aufsteigenden
oder absteigenden Geschäftes wurde gekämpft. Um
Runst? — bewahre, um Rezepte und Verordnungen,
um Partei- und Modemeinung — im letzten Grunde
um wirtschaftliche Vorteile. Daher alle die Gruppen
und Parteien. Und, nebenbei, warum denn auch
sollte ein echter Nichtskönner, wenn er sich durch die
Gabe seiner Beredsamkeit über den Rönner erheben
konnte, das nicht tun? Es wüßte ja doch in diesem
Wirrsal kein Mensch, was Runst sei, also, daß man
sogar eine Runst mit den Worten einführen konnte:
„Das verstehen Sie nicht". Oer Erfolg zeigte, daß
man recht hatte.
j Schließlich wurden überall die Dinge, auf die
es ankam, verkannt, und der Einführung fremder
Moden verschloß sich auch nicht Stadt und Staat.
Wer zählt alle die Summen, die für ausgesproche-
nen Modekitsch fremder Staatsbürger zur Bereicherung
unserer Museen verausgabt wurden? Wer zählt
all die Werke weit bedeutenderer Art deutscher
Staatsbürger, denen jene Platz und Geld nahmen,
und die still wieder ins Atelier zurückkehrten?
O, es ging sogar zu direkten Aufträgen für die
fremden — sogar zu solchen, zur Verherrlichung
deutscher Geschichte!
Nach dem Kall Hodler haben sich alle entrüstet,
weil sich Hodler z. B. mit der Meinung bedankte: Wir
wären Barbaren. — Aber hat denn Hodler so gar
unrecht gehabt, uns für Barbaren zu halten, wenn wir
es nicht verschmähten, uns von ihm die Räume —
Deutschland zum Ruhm — ausmalen zu lassen?
Rünstlerisch und menschlich genommen.
Es ist doch sozusagen verdammte Pflicht und
Schuldigkeit einer Mutter, für ihre Rinder zu sorgen —
auch dann, wenn andre Rinder schöner, fähiger oder
sonst was sind- denn sonst kämen doch ihre Rinder
immer weiter auf den Abstieg, und der Abstand gegen
die fremden würde immer größer. Nun, ebenso
selbstverständlich ist es, daß ein Land für seine Landes-
kinder zu sorgen hat, wenn es ihre Runst und Gabe
entwickeln und heben will, wenn aber dem Fremd-
ling Rüchen gereicht und dem Rinde das Brot ver-
wehrt wird, dann ist das kein natürlicher Zu-
stand.
Nur an Aufgaben steigt die Runst empor — und
ohne Mittel kann auch die Runst nicht sichtbar werden
— auch die deutsche nicht.
Nun ja — die deutsche Runst hat leider auch oft
der Pflege ihres Volkes und Landes entraten müssen
und selbst die kleinsten Museumsleiter rückten wohl-
weislich von den nächsten Rünstlern ab, um bei
den fernsten die schnurrigsten Dinge zu kaufen. Und
so ward dem Einheimischen statt Förderung — wo-
möglich Bekämpfung und üble Nachrede und dem
lieben Publikum statt Belehrung und Erbauung Bluff
und Blendung.
Alle diese höhnenden und schmerzenden Zustände
hat uns nur der Glaube an eine Mode gebracht —
haben uns nur jene gebracht, die ein Interesse daran
hatten, die mit tüchtigem Geschäftssinn wild
gewordene gelehrte Suggestionen zu verbinden wußten
und das gesunde Urteil aus einer Fessel in die andere
schlugen.
Nun zwar ward allem Geschäfts- und Mode-
gekreische ein Ende durch den alles übermannenden
Donner der Ranonen gesetzt.
Es dämmerte.
Ein Tasten begann.
Man fing an zu raten. — So und so. Irgendwie
mußte sich doch das, was werden sollte, wieder
formulieren lassen! Wie wäre es mit der Mode
von gestern als deutsche Runst?! — oder Dürer! —?
Dürer — deutsche Art! — oder Richter, Thoma.
Vas teils Eckige und teils Innige — Gemütvolle ist
doch nachgerade das Deutsche!
Mit andern Worten: eine deutsche Mode! Aber
immer Mode, Rezept, Verordnung. Nebenbei:
Auch das ist abgestandene, modische Anschauung:
das Deutsche sei wesentlich nur im Innigen und
Gemütvollen zu suchen, hört sich ganz nett an,
trifft aber nicht zu, oder doch nur bedingt. Redet
nicht der Schützengraben, das Unterseeboot und der
Zeppelin eine andre Sprache? Seit wann denn auch
wären Edda und Nibelungenlied gemütlich? — Es
ist des Deutschen weise, Felsblöcke zu wälzen und
seiner Sehnsucht Phantasien bis zu den Sternen zu
erheben. Sein Reich hat keine Grenzen — sein Wille
kein Aufhören. Es ist des Deutschen Art, den Dingen
ins Auge zu sehen — furchtlos und treu — und bis
auf den Grund zu grübeln und zu graben. Und es
ist deutsche weise, mit Rindern und Blumen zu
spielen und sich in Haus und heim zu verlieren,
stille und für sich allein.
Oie deutsche Seele ist reich, überreich und
hat höhe und Tiefe und bei aller Verehrung für
diesen oder jenen — Einer füllt sie nicht aus.
wir wollen alle Töne hören und auch nicht,
weil sich's nett anhört — etwa eine Bleistiftzeichnung
Die Werkstatt der Runst.
XIV, Heft 2H
Decke gestreckt. Welche Ungeheuerlichkeiten hat aber
dieser Götzendienst letzten Endes gezeitigt! Nur
einiges:
Welcher Rünstler, der ehrlich Hand und Hirn
gerührt hatte und nach harter Urbeit vielleicht auch
Unerkennung fand, war denn sicher, daß er nicht
über Nacht von einer Mode enterbt und für talentlos
und rechtlos erklärt wurde? Und wenn er dann —
dem Nichtssein immer näherrückend, sich doch zu
einer Häutung in gereiften Tagen verstand und den
Irrtum seines Lebens eben abgeschworen hatte, da
hatte sich die Mode gewandelt und — und so weiter.
Wer aber sich so schnell zu häuten nicht verstand,
war bald allein.
Nicht Runst und Rönnen war das Entscheidende,
sondern die Mode und die Geschwindigkeit der Un-
passung. Oie affenartige Geschwindigkeit feierte ihre
Triumphe und kannte kein Mitleid.
Natürlich bildeten sich Gruppen auch und Par-
teien um alle veralteten und noch kommenden neuen
Moden und mit allen Mitteln eines aufsteigenden
oder absteigenden Geschäftes wurde gekämpft. Um
Runst? — bewahre, um Rezepte und Verordnungen,
um Partei- und Modemeinung — im letzten Grunde
um wirtschaftliche Vorteile. Daher alle die Gruppen
und Parteien. Und, nebenbei, warum denn auch
sollte ein echter Nichtskönner, wenn er sich durch die
Gabe seiner Beredsamkeit über den Rönner erheben
konnte, das nicht tun? Es wüßte ja doch in diesem
Wirrsal kein Mensch, was Runst sei, also, daß man
sogar eine Runst mit den Worten einführen konnte:
„Das verstehen Sie nicht". Oer Erfolg zeigte, daß
man recht hatte.
j Schließlich wurden überall die Dinge, auf die
es ankam, verkannt, und der Einführung fremder
Moden verschloß sich auch nicht Stadt und Staat.
Wer zählt alle die Summen, die für ausgesproche-
nen Modekitsch fremder Staatsbürger zur Bereicherung
unserer Museen verausgabt wurden? Wer zählt
all die Werke weit bedeutenderer Art deutscher
Staatsbürger, denen jene Platz und Geld nahmen,
und die still wieder ins Atelier zurückkehrten?
O, es ging sogar zu direkten Aufträgen für die
fremden — sogar zu solchen, zur Verherrlichung
deutscher Geschichte!
Nach dem Kall Hodler haben sich alle entrüstet,
weil sich Hodler z. B. mit der Meinung bedankte: Wir
wären Barbaren. — Aber hat denn Hodler so gar
unrecht gehabt, uns für Barbaren zu halten, wenn wir
es nicht verschmähten, uns von ihm die Räume —
Deutschland zum Ruhm — ausmalen zu lassen?
Rünstlerisch und menschlich genommen.
Es ist doch sozusagen verdammte Pflicht und
Schuldigkeit einer Mutter, für ihre Rinder zu sorgen —
auch dann, wenn andre Rinder schöner, fähiger oder
sonst was sind- denn sonst kämen doch ihre Rinder
immer weiter auf den Abstieg, und der Abstand gegen
die fremden würde immer größer. Nun, ebenso
selbstverständlich ist es, daß ein Land für seine Landes-
kinder zu sorgen hat, wenn es ihre Runst und Gabe
entwickeln und heben will, wenn aber dem Fremd-
ling Rüchen gereicht und dem Rinde das Brot ver-
wehrt wird, dann ist das kein natürlicher Zu-
stand.
Nur an Aufgaben steigt die Runst empor — und
ohne Mittel kann auch die Runst nicht sichtbar werden
— auch die deutsche nicht.
Nun ja — die deutsche Runst hat leider auch oft
der Pflege ihres Volkes und Landes entraten müssen
und selbst die kleinsten Museumsleiter rückten wohl-
weislich von den nächsten Rünstlern ab, um bei
den fernsten die schnurrigsten Dinge zu kaufen. Und
so ward dem Einheimischen statt Förderung — wo-
möglich Bekämpfung und üble Nachrede und dem
lieben Publikum statt Belehrung und Erbauung Bluff
und Blendung.
Alle diese höhnenden und schmerzenden Zustände
hat uns nur der Glaube an eine Mode gebracht —
haben uns nur jene gebracht, die ein Interesse daran
hatten, die mit tüchtigem Geschäftssinn wild
gewordene gelehrte Suggestionen zu verbinden wußten
und das gesunde Urteil aus einer Fessel in die andere
schlugen.
Nun zwar ward allem Geschäfts- und Mode-
gekreische ein Ende durch den alles übermannenden
Donner der Ranonen gesetzt.
Es dämmerte.
Ein Tasten begann.
Man fing an zu raten. — So und so. Irgendwie
mußte sich doch das, was werden sollte, wieder
formulieren lassen! Wie wäre es mit der Mode
von gestern als deutsche Runst?! — oder Dürer! —?
Dürer — deutsche Art! — oder Richter, Thoma.
Vas teils Eckige und teils Innige — Gemütvolle ist
doch nachgerade das Deutsche!
Mit andern Worten: eine deutsche Mode! Aber
immer Mode, Rezept, Verordnung. Nebenbei:
Auch das ist abgestandene, modische Anschauung:
das Deutsche sei wesentlich nur im Innigen und
Gemütvollen zu suchen, hört sich ganz nett an,
trifft aber nicht zu, oder doch nur bedingt. Redet
nicht der Schützengraben, das Unterseeboot und der
Zeppelin eine andre Sprache? Seit wann denn auch
wären Edda und Nibelungenlied gemütlich? — Es
ist des Deutschen weise, Felsblöcke zu wälzen und
seiner Sehnsucht Phantasien bis zu den Sternen zu
erheben. Sein Reich hat keine Grenzen — sein Wille
kein Aufhören. Es ist des Deutschen Art, den Dingen
ins Auge zu sehen — furchtlos und treu — und bis
auf den Grund zu grübeln und zu graben. Und es
ist deutsche weise, mit Rindern und Blumen zu
spielen und sich in Haus und heim zu verlieren,
stille und für sich allein.
Oie deutsche Seele ist reich, überreich und
hat höhe und Tiefe und bei aller Verehrung für
diesen oder jenen — Einer füllt sie nicht aus.
wir wollen alle Töne hören und auch nicht,
weil sich's nett anhört — etwa eine Bleistiftzeichnung