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Wieland: Zeitschrift für Kunst und Dichtung — 1.1915-1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.19577#0394
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Von Ernst Szep

Aus dem Magyarischen von Stefan I. Klein
uten Abend, Ihr Leute!"

Es raschelt, säuselt, knistert im Stroh, als spräche dieses.

„Guten Abend wünsch ich, einen guten Abend, Äbend, Abend ... guten
Abend."

Ich trete in den Stall. In der Fensterluke leuchtet eine Laterne, in der
Ecke brennt auf einem Truhendeckel Kerzenlicht. Neben der Truhe siht auf
einem aus Rohr geflochtenen Stuhl ein Mann, und rings um seine Sih-
gelegenheit liegen — auf Rücken und Bauch, die Ellbogen aufgestüht —
in langen Reihen gleichformige Gestalten. Menschen sind's. Soldaten.
Den Tornister unter dem Kopf, neben jedem an die Hand gelehnt das Ge-
wehr, als fchlafe auch dieses stehend, schlachtenmüde. Die Schatten der
Bajonette laufen an den Wänden bis zu den Deckenbalken empor.

„... Und sie band der roten Taube an die Füjze einen Schreibebrief,
darin die Botschaft:

„ ,Ich grüjze und küjse dich herzinnigst, mein königliches Mütterlein, und
auch meine goldigen Schwestern, die prinzessinnen von Burgunderland,
aus meiner Gefangenschaft bei dem Zauberer Kamillo. Doch grämet euch
meines Schicksals halber nicht, denn ehe der Mond dreimal seine Bahn
auf dem Gewölbe des Himmels beschreibt, wird mir die Freiheit wieder
durch den ehrenfesten Ritter Gottfried/

„Und als die kleine Taube fortflog.. T

Der Mann auf dem Rohrsessel erzählt das Märchen. Der Feldwebel
Molnar. Die Ellbogen läjzt er auf den Schenkeln ruhen, derweilen das
Märchen dem Gehege seiner Zähne entströmt. Eine Gruppe der Lau-
schenden wkrd von der Kerzenflamme beleuchtet. Einer liegt bäuchlings,
das bärtige Gesicht in den Händen. Ein anderer hockt dem Feldwebel zu
Füflen, die Beine nach Türkenart untergeschlagen. Wie ein kleiner Schübm
auf einem Gruppenbild. Seine grojzen Augen zielen wie zwei starre
schwarze Linsen auf das Gesicht des Feldwebels, dabei hat er den Mund
ojfen und sagt immerfort: aha... aha... An seinem Kinn das Silber
der Unrasiertheit. Ein anderer sitzt an der Wand, flickt irgend etwas, doch
da hebt er den Kopf, und seine Hand hält mit der Badel plöhlich in der
Lust inne. Ein anderer wieder liegt auf dem Rücken, hat die Hände unter
dem Backen verschlungen und schaut mit weitgeöffneten Augen ins Leere.
Und noch ein anderer dreht sich aus schwarzem ^abak eine Zigarette und

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