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Erscheinung, die stark an Wieland, den Schmied, in ihrer männlichen
Kraft erinnert.

Der Gottesdienft beginnt, das Vorabendsgebet geht vorüber, nun seht
die eigentliche Feier mit einem wundervollen Lied ein. Der Sabbat wird,
wie bekannt, mit der Braut verglichen, die der Bräutigam empfangen soll.
,Komm, mein Freund, der Braut entgegen, wir wollen das Antlitz des
Sabbats begrüßen." Das ist das Grundthema und der Nefrain des
spanisch-jüdifchen Gedichtes, das der große Sänger Iehuda Halevy erdachte.
Nach Zeder Strophe des Gedichtes wird der Refrain nach einer heiteren,
lebhaften, sast marfchmäßigen Melodie wiederholt. Der Vorbeter gehört
nämlich der Sekte der Chassidim an, die Gott in Freude mtt Gesang und
Tänzen dienen. Der Borbeter intoniert den Resrain, die Gemeinde folgt
und rezitiert die Strophen, um dann wieder mit dem Vorbeter in brau-
sendem Lhor aus den Resrain zurückzukommen. Ein Iubilieren, als ob
wirklich ein Bräutigam eine Braut
erwartet. Eine große reine Freude
erlebt Zeder Andächtige in Zeder Woche
zu dieser Stunde, an der.es ihm ver-
gö'nnt ist, den heiligen Tag wieder
zu erleben.

Der Gottesdienst geht zu Ende,
der Segen über den Wein wird ge-
sprochen, die meisten kehrennach Hause
zu ihren Familken zurück, nur einkge,
die in aszetischer Frömmigkeit sich nur
dem Studium der heiligen Schrifi
widmen, bleiben noch im anschließen-
den Lehrhaus.

So wethevoll der Sabbat be-
gonnen hat, so weihevoll schließt er
auch. Zu einem Rabbt der Chassidim-
Sekte aus der Hrovknz gingen wkr.

Er lebt zur Zeit in Warschau. Sein
Haus ist im Kriege zerstört worden
und noch nicht wieder aufgebaut.

Seine Wohnung ist nichtgroß. Seine
Anhänger können nkcht alle bei ihm
platz finden und stehen eng aneinander
kn dem kleinen Raum. Sie möchten
alle der Feier und der zeremoniellen
Mahlzeit am Schluß des Sabbats
bekwohnen.DkchtesGedrängeherrscht
auf der Treppe und die Menge muß

förmlich abgewehrt werden. 2m Gastzimmer empfangen uns die Nächsten
des Rabbi — seine Frau, sein Sohn und Freunde. Noch bevor der
Gottesdienst begknnt, werden wir zu ihm gesührt, ein würdiger Grets in
Andacht versunken, mit der hohen kostbaren pelzmühe auf dem Haupt. —
Man kennt diese Typen von Rembrandts Bildern her, der so fekn pte
Iuden setner Zeit darzustellen verstand. Die Tracht hat sich bis heute
noch nkcht geändert.

Der Rabbi begrüßt uns und bittet uns zur Andacht. Wkr ziehen uns
zurück, um nicht zu stören. Nun begknnt im Hauptraum der Gottesdienst.
Nach den Gebeten kommt die ekgentliche Feier. Es werden Lkeder und
psalmen in weltlichen Melodien gefimgen. Der Rabbt hat sie tetlweise
felbst in Mustk gesetzt. Er ist ein berühmter „Kompositor", sein Sohn
und viele setner Anhänger sind gute Sänger. Fast jedes Mttglted
dieser Gemeinde ift musikalisch. Batürlich möchte jeder einmal den Ge-

sang ansttmmen dürfen und deshalb
dehnt sich die Feter so lange als mög-
lkch aus. Es ist, als ob fich dke Ge-
meinde vom Sabbat nicht trennen
möchte. Schon kst es dunkel,- doch
noch immer ertönen neue Wetsen kn
mehrstimmtgem Gesang. Man ver-
längert das Fest weit über die pflicht
hinaus. EndlichweröenkleineWachs-
kerzen angezündet. Der Rabbi ge-
nießt von dem Feftbrot, das in dieser
ärmlichen Zctt die feierliche Mahl-
zekt darstellt. Den Rest des Brotes
verteilt er. Alle Hände strecken sich
ihm entgegen. Ieder mochte von
dem gesegneten Brot etwas erhalten.
Das Fest ist zu Ende, die An-
dächtigen gehen tn ihre Wohnungen
zurück.

Wir sitzen noch beim Rabbi und
erzählen von unserer Heimat, unseren
Berufen. Er freut sich der Anteil-
nahme der deutschen Glaubens-
brüder, eine bessere Zukunft erhofft
er. 2n Rußland sind die quälenden
Ausnahmebestkmmungen für die Iu-
den insgesamt aufgehoben, es waren
gerade Z65, sovkel, wic die Zahl
der Tage im Iahre.

Balkenverzierung

Über Äolkskunst in ^)olen

Von 'professor Edward Trojanowski

as polnksche Schrifitum besitzt bisher kein Werk, das die polnische
Volkskunst erfchöpfend behandelt,- es gkbt dagegen viele Mono-
graphien oder eknzelne in Zeitschriften verstreute Schilderungen. llber
Volkskunst haben bei uns geschrieben: Ian Karlowicz tn seinem „physio-
graphischen Tagebuch", Wladislaw Matlakowski Schmuck und Gerät
des polnischen Volks in podhale"), Ian Witkiewkcz über Baukunst in
podhale, desgleichen vr. Eliasz Radztkowski, Zygmunt Gloger (Holzbau),
A. Lhftnik (Die Kurpker Hütte) und viele andere. 2n den Zektschriften
wie „Klosy", „Wksla" (Weichsel) und gegenwärtig „Zlemia" (Erde) findet
man vkele einzelne Artikel, die sür den Forscher außerordentlich interessant
sind. Von den illustrierten Zeitschristen aus diesem Gebiete präsentiert sich
am besten die Zeitschrift der Gesellschast „polnische angewandte Kunst in
Krakau", die bunte und von Künstlern wiedergegebene Reproduktionen
nach Erscheinungen der polnischen Volkskunst heftweise herausgegeben hat,
angefangen von der Baukunst bis zu den winzigsten Gegenständen, wie
Geräte, Beschläge, Stickereken. Das Materkal, das in verschkedenen
Museen in Krakau, Lemberg und Warschau, wke. auch in den Zwekgstellen
der Gesellschaft Hekmatkunde und bei Privatfammlern gesammelt wurde, ist
außerordentlich reichhaltig und verschiedenartig. Llber dlese Sammlungen
sind wir glücklicherwetse genau unterrichtet, wir warten nur auf den ge-
eigneten Augenbltck, da es möglich sekn wird, diese Dokumente einer un-
gewöhnlich charäfteristischen Volkskunst in einem Werk zu vereinen, das

die Geschkchte der polnischen Volkskunst in vollkommen erschöpfender Weise
behandelt.

Der Holzbau in polen ist die Bauwekse der Dorfbewohner und hat
einen ganz anderen Charafter, als die Baukunst anderer Länder. Be-
sonders Masovien, die Narewgebiete (Kurpien) und podhale (die Tatra),
dte sich am spätesten bevölkert oder ztvilisiert haben, haben den Holzbau in
seiner Makellosigkeit bis zum heutigen Tage bewahrt. 2n Masovien macht
er infolge der häufigen Feuersbrünste und des Waldmangels letder immer
mehr dem Steinbau platz,- die Zedem polnischen Herzcn teuren Ertnnerungen
verfchwinden somtt immer mehr. Am zahlreichsten hat sich der makellose
Typus in podhale, in der Umgegend von Krakau, Lublin, in Kurpken,
auch im Lowiczschen und Petrkaufchen Gebket erhalten. Die podhalanische
(Tatra) und Krakauische Bauart gibt uns elnen schönen Hüttentypus, der
fich in ungewöhnltch logischer Weise mit der Lebensart des Volkes, mit
der Landschaft und den klimatkschen Bedingungen vereint. Die ungewöhn-
liche phantafie unseres Volkes erreichi kn dieser Gegend einen außerordent-
lichen Relchtum an Einfällen, wenn es skch darum handelt, erhabenere Ge-
danken auszudrücken, wie es bei dem Bau ekner kleinen Holzkirche, einer
Wegkapelle oder eines Kreuzes der Fall ist. Manche Kirchen sind förm-
lich Traumvisionen, gebaute Märchen. Es ist schwer, 1n einer fremden
Sprache jenen Gefühlen Ausdruck zu geben, die dem Dorszimmermeister,
dem Autor dteser Wunder die Rkchtung etngaben, denn aus dem Rauch

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