VORTRAG DER NEUEREN ALLGEM. GESCHICHTE
zeigt uns das Betragen zweier Prinzen und leiblichen
Brüder gegeneinander, und zugleich die bittere Aus-
übung der Superiorität eines altern regierenden Bru-
ders über den jüngern.
In vielen bekannten Reichsgeschichten wird man
dergleichen Züge vergebens suchen: aber es ist weit
nützlicher, zu wissen, daß Karl V. durch seinen lang-
samen Kopf die kaiserliche Würde vor seinem Mit-
werber erhalten; daß ein gewisses Phlegma, welches
ihm eigen war, ein Grund seines Glücks und der
überwiegenden Vorteile über Frankreich gewesen;
und daß er nichts weniger als aus Überzeugung von
den Lehren der Kirche, der er zugetan gewesen, die
Protestanten bekrieget.
Diese und ähnliche Kenntnisse, wenn sie aus den
ersten und wahrscheinlichsten Quellen hergeleitet
sind, geben diejenigen großen Züge, welche den
Kaiser vollkommen schildern und uns von dem In-
nersten seiner Seele mit mehrerer Zuverlässigkeit zu
urteilen erlauben, als aus seinem raren Porträt von
Christoph Amberger nach dem Leben gemalt, nicht
geschehen kann.
Die Wahrheit ist zwar so ehrwürdig und so schätz-
bar, daß sie auch in den geringsten Umständen, ja in
angegebenen Tagen der Urkunden selbst, nach der
eigenen Rechtfertigung eines bekannten Gelehrten
über dergleichen Untersuchungen einer ernsthaften
Nachforschung würdig ist. Man überlasse auch unsere
meisten heutigen Geschichtschreiber einem strengen
und tyrannischen Gesetz, welchem sie ihre eigene
Willkür und Wahn unterworfen, alles zu schreiben,
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zeigt uns das Betragen zweier Prinzen und leiblichen
Brüder gegeneinander, und zugleich die bittere Aus-
übung der Superiorität eines altern regierenden Bru-
ders über den jüngern.
In vielen bekannten Reichsgeschichten wird man
dergleichen Züge vergebens suchen: aber es ist weit
nützlicher, zu wissen, daß Karl V. durch seinen lang-
samen Kopf die kaiserliche Würde vor seinem Mit-
werber erhalten; daß ein gewisses Phlegma, welches
ihm eigen war, ein Grund seines Glücks und der
überwiegenden Vorteile über Frankreich gewesen;
und daß er nichts weniger als aus Überzeugung von
den Lehren der Kirche, der er zugetan gewesen, die
Protestanten bekrieget.
Diese und ähnliche Kenntnisse, wenn sie aus den
ersten und wahrscheinlichsten Quellen hergeleitet
sind, geben diejenigen großen Züge, welche den
Kaiser vollkommen schildern und uns von dem In-
nersten seiner Seele mit mehrerer Zuverlässigkeit zu
urteilen erlauben, als aus seinem raren Porträt von
Christoph Amberger nach dem Leben gemalt, nicht
geschehen kann.
Die Wahrheit ist zwar so ehrwürdig und so schätz-
bar, daß sie auch in den geringsten Umständen, ja in
angegebenen Tagen der Urkunden selbst, nach der
eigenen Rechtfertigung eines bekannten Gelehrten
über dergleichen Untersuchungen einer ernsthaften
Nachforschung würdig ist. Man überlasse auch unsere
meisten heutigen Geschichtschreiber einem strengen
und tyrannischen Gesetz, welchem sie ihre eigene
Willkür und Wahn unterworfen, alles zu schreiben,
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