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Kommentare zu S. 150-292
249,16-17 mit Anm. 1 pasta di vetro ... nel museo della biblioteca Vaticana... spiegato dal
Buonarroti: W verweist auf Buonaroti, Osservazioni Medaglioni S. 437. Auf der Doppelseite
ist der ,Cameo Carpegna‘, Paris, Louvre BJ 1779, ehemals Rom, Vatikanische Bibliothek
(GK Denkmäler Ur. 1099) abgebildet. Der Satyr am rechten Bildrand hält einen Stab in
der Rechten, durch den ein Riß im Kameo verläuft. Ergänzt ist hier wohl nichts. In der
modernen Literatur wird der Stab - wohl aufgrund seiner geringen Länge - als ,Pedum‘ (lat.
pedum: „Hirtenstab“) bezeichnet. Eine sichere Deutung scheint derzeit nicht möglich. - Zu
Buonarroti s. AGKTexte und Kommentar zu. 44,10, zu Carpegna s. hier Komm, zu 85,13-14.
Vier und zwanzigstes Kapitel.
Castor und Pollux.
I. Das Basrelief Nr. 61., welches sich an einem Sarcophag in der Villa Medici zu Rom befindet, ist von Allen unrecht erklärt worden.
Es wird auf demselben der Raub der beyden Töchter des Leucippus, Königs von Sicyon, vorgestellt, welche von den Dioscuren, Pollux
und Castor, en führt wurden. Die nemliche Geschichte war auch zu Amyclä aufeinem Stuhle von dem Bathycles, einem der ältesten
Künstler (Pausan. L. 3. p. 255. I. 39.), erhaben gearbeitet.
Die eigentliche Geschichte, welche Pindar (Nem. 15.), Theocrit (Idyll. 23.) und andere Mythograph en erzählen, ist folgende.
Lyncäus und Idas, die Söhne des Aphareus, hatten sich mit der Phöbe und Ilaira, den Töchtern ihres väterlichen Oheims Leucippus,
verlobt und ladeten die Dioscuren zu ihren Hochzeiten ein. Diese en führten aber die Bräute. Lyncäus und Idas ve folgten sie und
höhlten sie ein. Es kam hierauf zu einem Kampfe unter ihnen, in welchem Castor getödtet wurde; dagegen aber fielen Lyncäus und
Idas durch das Schwerdt des Pollux. Was die Fabel sonst noch davon sagt; gehört nicht hierher.
Auf unserm Marmorwerke erkennt man die Dioscuren an den Mützen, welche die Gestalt eines halben Eyes haben, als eine
Anspielung aufdie Sch aale derjenigen Eyer, welche Leda legte und aus welchen diese beyden Brüder ausgebrütet wurden.
Aelian beym Suidas (v. Διόσκουροι) giebt den Dioscuren auch noch das Oberkleid, das ihnen über den Schultern herabhängt,
zum Unterscheidungszeichen: Χλαμύδας έχοντες επί των ώμων έφημμένην έκατέρων; Chlamyde induri ex humeris dependente,
nach Küsters Uebersetzung, welche nur ungefehr den Sinn des Verfassers ausdrückt, ohne eine genaubestimmte Idee davon zu geben.
Da man aber auf mehrern Denkmählern dieses Werkes das Oberkleid nur über einer Schulter zugeknüpfi findet, so daß man nicht
sagen kann, es hänge von beyden herab; so scheint Suidas wohl solche Figuren vor Augen gehabt zu haben, wie man sie auf diesem
Marmorwerke sieht, nemlich mit Oberkleidern, welche auf der Brust zugeknüpfi sind und die beyde Schultern bedecken. Auf diese
Art die Oberkleider zu tragen also, und nicht auf jene mehr gewöhnliche, läßt sich die vorhin angeführte Redensart Έφημμένην
έκατέρων anwenden. Man kann indessen nicht behaupten, daß diese Art, das Oberkleid zu tragen, den Dioscuren ausschließend eigen
sey indem man mehrere Helden und Krieger auf vielen Vasen von gebranntem Thone (Dempst. Etrur. tab. 28. 32.) findet, welche
dasselbe eben so tragen und auf der Brust zugeknüpft haben.
Der übrige Theil dieses Basreliefs bedarf keiner Erklärung. Noch weniger verdient die Meinung Derjenigen eine Widerlegung,
welche darin den Raub der Sabinerinnen haben sehen wollen, der eben so wenig auf der Begräbnißurne vorgestellt ist, welche man
fälschlich für die Urne des Alexander Severus und der Mammäa gehalten hat und die sich im Museo capitolino befindet.
II. Auf eben diese Geschichte der Dioscuren bezieht sich auch, wie ich glaube, das Basrelief mit Figuren in Lebensgröße, welches sich
in der Villa des Kard. Alex. Albani befindet und unter Nr. 62. abgebildet ist. Dasselbe wurde ungefehr im Jahre 1764 in Rom in
einem Weinberge, der dem Herzoge von Caserta gehörte, nicht weit von dem Triumphbogen des Kaisers Gallien, den man gewöhnlich
den Bogen des h. Vitus nennt, ausgegraben. So viel man indessen absehen kann, ist dieser Marmor bloß ein Stück von einem weit
großem Werke.
Der Grund, warum ich glaube, daß auf diesem Marmorwerke die oben erzählte Geschichte vorgestellt sey, liegt in der Gestalt des
einen Ohres der stehenden Figur und in der Bewegung der Hand, welche dem auf der Erde Liegenden einen Streich androhet. Was
nun erstlich das Ohr betrifft; so steht es in keinem Verhältnißgegen den Kopf zu dem es gehört; es ist ein wenig aufgeschwollen, der
knorpelichte Rand der Ohrlappen ist herabhängend und die inwendige Oeffnung ist klein und eng. Ueberdem zeigen sich am Rande
der Höhlung einige Einschnitte, als ob die Haut geplatzt sey.
Um nun aus einem so gestalteten Ohre den Schluß aufdie erwähnte Geschichte zu machen; wird man mir erlauben müssen, das
hier anzuführen, was ich hierüber aus so vielen andern Denkmählern und Traditionen in Erfahrung gebracht habe. Ich bemerkte
diese besondere Form der Ohren zuerst an einigen Herkulesköpfen, wo sie eben so wie hier in Absicht auf die Größe des Kopfes un-
verhältnißmäßig und gequetscht waren; so daß, statt den Künstler einer Nachläßigkeit zu beschuldigen, ich aufdie Vermuthung
gerieth, daß hierunter eine besondere Bedeutung verborgen liege, die ich auch vermittelst des Bildnisses des Hector, das uns Philostrat
Kommentare zu S. 150-292
249,16-17 mit Anm. 1 pasta di vetro ... nel museo della biblioteca Vaticana... spiegato dal
Buonarroti: W verweist auf Buonaroti, Osservazioni Medaglioni S. 437. Auf der Doppelseite
ist der ,Cameo Carpegna‘, Paris, Louvre BJ 1779, ehemals Rom, Vatikanische Bibliothek
(GK Denkmäler Ur. 1099) abgebildet. Der Satyr am rechten Bildrand hält einen Stab in
der Rechten, durch den ein Riß im Kameo verläuft. Ergänzt ist hier wohl nichts. In der
modernen Literatur wird der Stab - wohl aufgrund seiner geringen Länge - als ,Pedum‘ (lat.
pedum: „Hirtenstab“) bezeichnet. Eine sichere Deutung scheint derzeit nicht möglich. - Zu
Buonarroti s. AGKTexte und Kommentar zu. 44,10, zu Carpegna s. hier Komm, zu 85,13-14.
Vier und zwanzigstes Kapitel.
Castor und Pollux.
I. Das Basrelief Nr. 61., welches sich an einem Sarcophag in der Villa Medici zu Rom befindet, ist von Allen unrecht erklärt worden.
Es wird auf demselben der Raub der beyden Töchter des Leucippus, Königs von Sicyon, vorgestellt, welche von den Dioscuren, Pollux
und Castor, en führt wurden. Die nemliche Geschichte war auch zu Amyclä aufeinem Stuhle von dem Bathycles, einem der ältesten
Künstler (Pausan. L. 3. p. 255. I. 39.), erhaben gearbeitet.
Die eigentliche Geschichte, welche Pindar (Nem. 15.), Theocrit (Idyll. 23.) und andere Mythograph en erzählen, ist folgende.
Lyncäus und Idas, die Söhne des Aphareus, hatten sich mit der Phöbe und Ilaira, den Töchtern ihres väterlichen Oheims Leucippus,
verlobt und ladeten die Dioscuren zu ihren Hochzeiten ein. Diese en führten aber die Bräute. Lyncäus und Idas ve folgten sie und
höhlten sie ein. Es kam hierauf zu einem Kampfe unter ihnen, in welchem Castor getödtet wurde; dagegen aber fielen Lyncäus und
Idas durch das Schwerdt des Pollux. Was die Fabel sonst noch davon sagt; gehört nicht hierher.
Auf unserm Marmorwerke erkennt man die Dioscuren an den Mützen, welche die Gestalt eines halben Eyes haben, als eine
Anspielung aufdie Sch aale derjenigen Eyer, welche Leda legte und aus welchen diese beyden Brüder ausgebrütet wurden.
Aelian beym Suidas (v. Διόσκουροι) giebt den Dioscuren auch noch das Oberkleid, das ihnen über den Schultern herabhängt,
zum Unterscheidungszeichen: Χλαμύδας έχοντες επί των ώμων έφημμένην έκατέρων; Chlamyde induri ex humeris dependente,
nach Küsters Uebersetzung, welche nur ungefehr den Sinn des Verfassers ausdrückt, ohne eine genaubestimmte Idee davon zu geben.
Da man aber auf mehrern Denkmählern dieses Werkes das Oberkleid nur über einer Schulter zugeknüpfi findet, so daß man nicht
sagen kann, es hänge von beyden herab; so scheint Suidas wohl solche Figuren vor Augen gehabt zu haben, wie man sie auf diesem
Marmorwerke sieht, nemlich mit Oberkleidern, welche auf der Brust zugeknüpfi sind und die beyde Schultern bedecken. Auf diese
Art die Oberkleider zu tragen also, und nicht auf jene mehr gewöhnliche, läßt sich die vorhin angeführte Redensart Έφημμένην
έκατέρων anwenden. Man kann indessen nicht behaupten, daß diese Art, das Oberkleid zu tragen, den Dioscuren ausschließend eigen
sey indem man mehrere Helden und Krieger auf vielen Vasen von gebranntem Thone (Dempst. Etrur. tab. 28. 32.) findet, welche
dasselbe eben so tragen und auf der Brust zugeknüpft haben.
Der übrige Theil dieses Basreliefs bedarf keiner Erklärung. Noch weniger verdient die Meinung Derjenigen eine Widerlegung,
welche darin den Raub der Sabinerinnen haben sehen wollen, der eben so wenig auf der Begräbnißurne vorgestellt ist, welche man
fälschlich für die Urne des Alexander Severus und der Mammäa gehalten hat und die sich im Museo capitolino befindet.
II. Auf eben diese Geschichte der Dioscuren bezieht sich auch, wie ich glaube, das Basrelief mit Figuren in Lebensgröße, welches sich
in der Villa des Kard. Alex. Albani befindet und unter Nr. 62. abgebildet ist. Dasselbe wurde ungefehr im Jahre 1764 in Rom in
einem Weinberge, der dem Herzoge von Caserta gehörte, nicht weit von dem Triumphbogen des Kaisers Gallien, den man gewöhnlich
den Bogen des h. Vitus nennt, ausgegraben. So viel man indessen absehen kann, ist dieser Marmor bloß ein Stück von einem weit
großem Werke.
Der Grund, warum ich glaube, daß auf diesem Marmorwerke die oben erzählte Geschichte vorgestellt sey, liegt in der Gestalt des
einen Ohres der stehenden Figur und in der Bewegung der Hand, welche dem auf der Erde Liegenden einen Streich androhet. Was
nun erstlich das Ohr betrifft; so steht es in keinem Verhältnißgegen den Kopf zu dem es gehört; es ist ein wenig aufgeschwollen, der
knorpelichte Rand der Ohrlappen ist herabhängend und die inwendige Oeffnung ist klein und eng. Ueberdem zeigen sich am Rande
der Höhlung einige Einschnitte, als ob die Haut geplatzt sey.
Um nun aus einem so gestalteten Ohre den Schluß aufdie erwähnte Geschichte zu machen; wird man mir erlauben müssen, das
hier anzuführen, was ich hierüber aus so vielen andern Denkmählern und Traditionen in Erfahrung gebracht habe. Ich bemerkte
diese besondere Form der Ohren zuerst an einigen Herkulesköpfen, wo sie eben so wie hier in Absicht auf die Größe des Kopfes un-
verhältnißmäßig und gequetscht waren; so daß, statt den Künstler einer Nachläßigkeit zu beschuldigen, ich aufdie Vermuthung
gerieth, daß hierunter eine besondere Bedeutung verborgen liege, die ich auch vermittelst des Bildnisses des Hector, das uns Philostrat