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Kommentare zu S. 489-549
500,26 mit Anm. 6 eran rasati i ballerini: Lukian (Lukian. symp. 18) läßt an dem Gastmahl, das in einer blutigen
Saalschlacht zwischen den Vertretern der verschiedenen philosophischen Richtungen endet, einen häßlichen, „bis auf ein
dünnes gerad emporstehendes Schwänzchen“ (Übers.: Christoph Martin Wieland) kahlgeschorenen Tänzer auftreten. Da
sich die Beschreibung der Physiognomie des Tänzers aber offensichtlich an der des homerischen Thersites (Hom. II. 2,219)
orientiert, ist diese Stelle bezüglich des wirklichen Aussehens der Tänzer nicht ganz ernst zu nehmen.
500,30 scheletri, ehe gli antichi facevansi apporre alle mense: Dazu s. Komm. 500,18.
Neuntes Kapitel.
Das Theater.
I. Das Trauerspiel.
A. Das unter Nr. 189. aufgestellte Basrelief, welches in der Villa Pamfili zu sehen ist, ist von den Alterthumsforschern, die über die
Schaubühnen und die Masken der Alten geschrieben haben, noch gar nicht in Betrachtung gezogen worden, ungeachtet es vor vielen
andern Denkmählern dieser Art, wovon sie uns weitläufige Erklärungen gegeben haben, der Betrachtung würdig gewesen wäre. Johann
Babtista Casali führt von allen den Figuren, die auf diesem Marmorwerke befindlich sind, nur eine Einzige an (De trag. et. com. in
Gronov. Thesaur. antiquitat. graecar. Tom. VIII. p. 1608.), und diese ist noch dazu aus einer Zeichnung genommen, welche sich in der
Sammlung des Commendator del Pozzo befindet, ob er gleich in Rom wohnte und das Original untersuchen konnte. Da Casali nun
diese Figur nur aus der zweyten Hand, oder nach einer wenig genauen und richtigen Zeichnung erhielt; so konnte er auch nur wenig
Nutzen für seinen Zweck daraus schöpfen; besonders da unter mehrern andern Fehlern die Figur auch nicht einmal eine Maske hat.
Um aber auf die Erklärung des ganzen Sujets zu kommen; so erblicken wir auf diesem Basrelief als Hauptfigur das Bildniß eines
verstorbenen Jünglings, von einem Chor tragischer Schauspieler, mit Masken versehen, begleitet; welche auf Zweyerley Bezug haben
können, entweder auf die Anlage, die [108] der Verstorbene zur Bühne hatte, oder auf das menschliche Leben, in welchem, einem
Ausspruche des Aristonymus beym Stobäus zufolge, gleich den Schauspielern auf der Bühne, die Schlechtesten oft die besten Rollen
haben (Serm. 16. p. 566.1. 28.).
Die Bemerkungen, welche uns dieses Marmorwerk darbietet, lassen sich auf vier Hauptpunkte, zurückführen. Der Erste betrift
den Charakter und die Kleidung der Schauspieler; der Zweyte die Masken insbesondere; der dritte eine Art von Loge hinter der Figur
des Verstorbenen und der Vierte endlich ein musikalisches Instrument.
Was nun den ersten Punkt betrift; so könnte die letzte Figur rechter Hand mit dem Scepter einen Theaterkönig vorstellen, dessen
Person immer mit einem Scepter (Demosth. Περί παραπρεσβ. p. 85. b. I. 3.) in der linken Hand (Ovid. Lib. III. amor. eleg. I.
v. 13.) auf der Bühne erschien, wenn es nicht Personen von solchem Range unanständig wäre, Socken (Soccus) an den Füßen zu
haben, wie man hier sieht. Es wird daher wohl das, was man für einen Scepter halten könnte, wenn die übrige Kleidung an dieser
Figur damit übereinstimmte, nichts weiter als ein Stock (baculus) seyn, den so viele andere Personen in den Trauerspielen zu tragen
pflegten, und wie derjenige war, der dem Nero aus der Hand fiel, als er aufder Bühne erschien, um eine andere Figur zu machen,
als er selbst war (Sueton. Ner. cap. 24.); wiewohl ich auch recht gut weiß, daß Philostratus da, wo er von der schimpflichen Neigung
desselben zum Gewerbe eines Tragikers und Comikers spricht, dasjenige Σκήπτρον (Scepter) (Vit. Apollon. Lib. V. cap. 7. p. 193.)
nennt, was Suetonius baculum nennt, vielleicht darum, weil der Stab der tragischen Schauspieler gerade wie der Scepter war und
völlig dieselbe Gestalt hatte, wie man ihn bey unserer Figur sieht. Doch muß man hierbey eine Ausnahme in Ansehung derjenigen
tragischen Schauspieler machen, welche die Rollen von Greisen spielten (Descript. des pierr. grav. du cab. de Stosch, p. 216.), wie
z.B. die Hecuba und der Erzieher des Erechtheus beym Euripides (Euripid. Hecub. v. 65. 281. Troad. v. 271. Jon. v. 743.). Diese
bedienten sich des Σκολιόν, d. i. des krummen Stabes. Ich weis daher nicht, warum Lipsius (Elector. Lib. I. cap. 28. p. 440. edit.
Plant. 4.), und Pitiscus, der ihm hierin folgt, den gewöhnlichen Stab oder Scepter der tragischen Schauspieler mit dem der Lustspieler
verwechseln; indem man sich mit den Gebräuchen des alten Theaters nur ein wenig bekannt zu machen braucht, um genau zu wissen,
daß der Stab der komischen Schauspieler am oberen Ende wie ein Hirtenstab gebogen war, daher auch Bey de einerley Namen führten,
indem man sie [αΙά'Άρεσκος, baldAaywßoXop,. d.h. einen Stab zum Hasenwürgen, nannte. Da es nun nicht glaublich ist, daß die
erwähnte Figur mit dem geraden Stabe in der Hand einen König aus einem Trauerspiele vorstellt, weil sie die Socken des komischen
Schauspielers trägt, und man auch nicht wohl sagen kann, daß hier eine Tragicomödie vorgestellt werde, wie Plautus selbst seinen
Amphitryon nennt (Plaut. Prolog. Amphitr. p. 59.); so wollte ich wohl demjenigen, der etwa untersuchen wollte, was es wohl für
eine Figur seyn könnte, eine nicht gemeine Gelehrsamkeit vorlegen. Es könnte nemlich wohl seyn, daß, so wie auf den Bühnen der
griechischen Theater gewisse öffentliche Bediente angestellt waren, welche von dem Stabe, ‘Ράβδος, den sie trugen, ‘Ραβδούχοι, oder
‘Ραβδοφόροι, bey den Römern etwa Lictores, genannt wurden, und deren Amtsverrichtung darin bestand, daß sie aufdem Theater
die Ordnung erhalten mußten (Scholiast. Aristophan. Pac. v. 733. Suid. v. 'Ραβδούχοι.), die Figur, von der hier die Rede ist, auch
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500,26 mit Anm. 6 eran rasati i ballerini: Lukian (Lukian. symp. 18) läßt an dem Gastmahl, das in einer blutigen
Saalschlacht zwischen den Vertretern der verschiedenen philosophischen Richtungen endet, einen häßlichen, „bis auf ein
dünnes gerad emporstehendes Schwänzchen“ (Übers.: Christoph Martin Wieland) kahlgeschorenen Tänzer auftreten. Da
sich die Beschreibung der Physiognomie des Tänzers aber offensichtlich an der des homerischen Thersites (Hom. II. 2,219)
orientiert, ist diese Stelle bezüglich des wirklichen Aussehens der Tänzer nicht ganz ernst zu nehmen.
500,30 scheletri, ehe gli antichi facevansi apporre alle mense: Dazu s. Komm. 500,18.
Neuntes Kapitel.
Das Theater.
I. Das Trauerspiel.
A. Das unter Nr. 189. aufgestellte Basrelief, welches in der Villa Pamfili zu sehen ist, ist von den Alterthumsforschern, die über die
Schaubühnen und die Masken der Alten geschrieben haben, noch gar nicht in Betrachtung gezogen worden, ungeachtet es vor vielen
andern Denkmählern dieser Art, wovon sie uns weitläufige Erklärungen gegeben haben, der Betrachtung würdig gewesen wäre. Johann
Babtista Casali führt von allen den Figuren, die auf diesem Marmorwerke befindlich sind, nur eine Einzige an (De trag. et. com. in
Gronov. Thesaur. antiquitat. graecar. Tom. VIII. p. 1608.), und diese ist noch dazu aus einer Zeichnung genommen, welche sich in der
Sammlung des Commendator del Pozzo befindet, ob er gleich in Rom wohnte und das Original untersuchen konnte. Da Casali nun
diese Figur nur aus der zweyten Hand, oder nach einer wenig genauen und richtigen Zeichnung erhielt; so konnte er auch nur wenig
Nutzen für seinen Zweck daraus schöpfen; besonders da unter mehrern andern Fehlern die Figur auch nicht einmal eine Maske hat.
Um aber auf die Erklärung des ganzen Sujets zu kommen; so erblicken wir auf diesem Basrelief als Hauptfigur das Bildniß eines
verstorbenen Jünglings, von einem Chor tragischer Schauspieler, mit Masken versehen, begleitet; welche auf Zweyerley Bezug haben
können, entweder auf die Anlage, die [108] der Verstorbene zur Bühne hatte, oder auf das menschliche Leben, in welchem, einem
Ausspruche des Aristonymus beym Stobäus zufolge, gleich den Schauspielern auf der Bühne, die Schlechtesten oft die besten Rollen
haben (Serm. 16. p. 566.1. 28.).
Die Bemerkungen, welche uns dieses Marmorwerk darbietet, lassen sich auf vier Hauptpunkte, zurückführen. Der Erste betrift
den Charakter und die Kleidung der Schauspieler; der Zweyte die Masken insbesondere; der dritte eine Art von Loge hinter der Figur
des Verstorbenen und der Vierte endlich ein musikalisches Instrument.
Was nun den ersten Punkt betrift; so könnte die letzte Figur rechter Hand mit dem Scepter einen Theaterkönig vorstellen, dessen
Person immer mit einem Scepter (Demosth. Περί παραπρεσβ. p. 85. b. I. 3.) in der linken Hand (Ovid. Lib. III. amor. eleg. I.
v. 13.) auf der Bühne erschien, wenn es nicht Personen von solchem Range unanständig wäre, Socken (Soccus) an den Füßen zu
haben, wie man hier sieht. Es wird daher wohl das, was man für einen Scepter halten könnte, wenn die übrige Kleidung an dieser
Figur damit übereinstimmte, nichts weiter als ein Stock (baculus) seyn, den so viele andere Personen in den Trauerspielen zu tragen
pflegten, und wie derjenige war, der dem Nero aus der Hand fiel, als er aufder Bühne erschien, um eine andere Figur zu machen,
als er selbst war (Sueton. Ner. cap. 24.); wiewohl ich auch recht gut weiß, daß Philostratus da, wo er von der schimpflichen Neigung
desselben zum Gewerbe eines Tragikers und Comikers spricht, dasjenige Σκήπτρον (Scepter) (Vit. Apollon. Lib. V. cap. 7. p. 193.)
nennt, was Suetonius baculum nennt, vielleicht darum, weil der Stab der tragischen Schauspieler gerade wie der Scepter war und
völlig dieselbe Gestalt hatte, wie man ihn bey unserer Figur sieht. Doch muß man hierbey eine Ausnahme in Ansehung derjenigen
tragischen Schauspieler machen, welche die Rollen von Greisen spielten (Descript. des pierr. grav. du cab. de Stosch, p. 216.), wie
z.B. die Hecuba und der Erzieher des Erechtheus beym Euripides (Euripid. Hecub. v. 65. 281. Troad. v. 271. Jon. v. 743.). Diese
bedienten sich des Σκολιόν, d. i. des krummen Stabes. Ich weis daher nicht, warum Lipsius (Elector. Lib. I. cap. 28. p. 440. edit.
Plant. 4.), und Pitiscus, der ihm hierin folgt, den gewöhnlichen Stab oder Scepter der tragischen Schauspieler mit dem der Lustspieler
verwechseln; indem man sich mit den Gebräuchen des alten Theaters nur ein wenig bekannt zu machen braucht, um genau zu wissen,
daß der Stab der komischen Schauspieler am oberen Ende wie ein Hirtenstab gebogen war, daher auch Bey de einerley Namen führten,
indem man sie [αΙά'Άρεσκος, baldAaywßoXop,. d.h. einen Stab zum Hasenwürgen, nannte. Da es nun nicht glaublich ist, daß die
erwähnte Figur mit dem geraden Stabe in der Hand einen König aus einem Trauerspiele vorstellt, weil sie die Socken des komischen
Schauspielers trägt, und man auch nicht wohl sagen kann, daß hier eine Tragicomödie vorgestellt werde, wie Plautus selbst seinen
Amphitryon nennt (Plaut. Prolog. Amphitr. p. 59.); so wollte ich wohl demjenigen, der etwa untersuchen wollte, was es wohl für
eine Figur seyn könnte, eine nicht gemeine Gelehrsamkeit vorlegen. Es könnte nemlich wohl seyn, daß, so wie auf den Bühnen der
griechischen Theater gewisse öffentliche Bediente angestellt waren, welche von dem Stabe, ‘Ράβδος, den sie trugen, ‘Ραβδούχοι, oder
‘Ραβδοφόροι, bey den Römern etwa Lictores, genannt wurden, und deren Amtsverrichtung darin bestand, daß sie aufdem Theater
die Ordnung erhalten mußten (Scholiast. Aristophan. Pac. v. 733. Suid. v. 'Ραβδούχοι.), die Figur, von der hier die Rede ist, auch