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Pessimismus und Wissenschaft.

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als er sich in der sittlichen Beurteilung des gegenwärtigen
Weltzustandes zum trübsten Pessimismus bekannte. Sollte
nun aber diese Frage aus den vagen Begriffsdeduktiouen
auf reale Erkenntnisse zurückgeführt werden, so könnte
es sich auch hier nicht um die Entwicklung des sittlicheu
Gedankens im Universum, sondern höchstens um die-
jenigc innerhalb der terrestrischen Organismen haudeln.
Wer unbediugt dem Darwinismus huldigt, dürfte sich
daun, wenu er deu vermutlichen moralischen Zustand
des Urmenschen mit dem der jetzigen Menschheit vergliche,
wohl einer optimistischen Hoffnung hingeben können; wer
aber sich lediglich an das historische Material halten
würde, der könute, wie es uns scheint, leicht zu dem
schopenhauerschen Schlusse gelangen, daß zwar die in-
tellektuelle Bildung der Menschheit in der Geschichte die
wesentlichsten Fortschritte zeigt, daß aber in sittlicher
Beziehung vielleicht mehr Klugheit und äußere Beherr-
schung der Begierden, nicht aber mehr wirklich innerliche
Güte und wahre Charakterbildung iu der historisch über-
sehbaren Zeit Platz gegriffen hat. Wenn jedoch wirklich
sich nachweisen ließe, daß das sittliche Wesen der Mensch-
heit im ganzen innerhalb der unserer Kenntnis eröffneten
wenigen Jahrtausende ebensowenig nachweislich sich ver-
ündert hat wie seine äußere Gestalt, so wäre doch immer-
hin die Möglichkeit einer eben ganz außerordcntlich lang-
samen Umbildung dadurch nicht völlig ausgeschlossen. So
wenig deshalb auch in dieser Richtung die Wissenschaft
allzu hoffnungsvolle Perspektiven eröffuen kann, so wenig
schließt sie solche völlig aus, und sie wird, bei den bis-
herigen Daten, sicher am besten tun, auch diese Frage
in 8USPSN80 zu lassen, — bis zu der Zeit, wenn dieser
Planet mit allem, was er trägt, in dcn heimatlichen Gas-
ball zurückstürzt, oder wenu, „wie unsere Weisen sagen",
in eisiger Gleichheit die Bewegungen des Universums
auszittern. . .?

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