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Appuhn-Radtke, Sibylle; Wischermann, Heinfried [Hrsg.]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 1): Die Villa im Veneto 1444-1525: zum Stand der Forschung — Berlin: Buchhandlung Wasmuth, 1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.57012#0005
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Bernhard Rupprecht gibt seinem Beitrag den Untertitel
"Zur Geschichte eines Ideals" und zeichnet den Werdegang
nach, den der Villenbegriff vom 14 • bis zum 16. Jahrhun-
dert nimmt. Er macht dabei zwei literarische Quellen nam-
haft. Die erste ist Petrarcas "De vita solitaria", ent-
standen 1346-1356, die für die Architekturgeschichte wohl
aber erst mit ihrer Drucklegung 1473 wirksam werden konnte.
Petrarca flieht das leben in der Stadt. In ihr kann der
Mensch nicht zu sich selbst finden, er wird frenrbestimmt,
in Streit und Händel verwickelt und verfällt dem Laster.
Als Solitarius fern der Stadt zu leben, bedeutet für Pe-
trarca eine sittliche Entscheidung. Humanität und Sittlich
keit also, zu denen sich die Askese als ein mönchisches
Ideal gesellt, sind die Triebfedern seines Handelns. Er
sucht den "locus amoenus", einen abgeschiedenen Ort, auf
einem kleinen Hügel gelegen und von einem Bach umflossen.
Es sind dies übrigens Forderungen, aie auch Palladio an ein
Villengrundstück stellen wird. Die Seele solle sich mit sich
selbst beschäftigen, solle sich selbst genüg sein, wozu die
Lektüre antiker Autoren den Weg zu weisen habe. Petrarcas
"locus amoenus" ist also ein innerlicher Ort, den sein
Jahrhundert ihm nicht zur Verfügung stellen konnte, und
seine Villa ein Ideal, dem die unsicheren politischen und
sozialen Verhältnisse seiner Zeit keinen realen Ort zu -
weisen konnten, So siedelt sich Petrarca in seinen letzten
Lebensjahren in Arqua bei Padua an, bewohnt dort eine "Vil-
la urbana" und wird notwendig zum inneren Emigranten.
Petrarcas "locus amoenus" wäre sicherlich ein literari-
scher Topos geblieben, wäre nicht ein anderer Begriff zum
Leben auf dem Lande hinzugetreten: utilita, der ökonomische
Hintergrund der landwirtschaftlich genutzten Ländereien.
Der vermögende und diesseitsbezogene Stadtadel drängt hi-
naus aufs Land und verlangt durchaus handfeste und prak-
tische Anweisungen für Handel und Wandel, Pacht und Wirt-
schaft. Während Petrarca nur das eine Ziel hat, die Stadt
zu fliehen, ergreift die Feudalität aktiv Besitz vom Land.
 
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