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Die Mystiker.
bar ist das Geheimnis des Herzens durch die Löcher
des Leibes, offenbar ist jenes Geheimnis der Frömmig-
keit und die Eingeweide der Barmherzigkeit Gottes.
Sind nicht die Eingeweide durch die Wunden offen
gelegt? Worin wäre es denn deutlicher als in deinen
Wunden, daß du Herr süß und milde bist und reich an
Erbarmen!“
Man hat Bernhard denn auch — mit Unrecht —
mehrere Lieder zug'eschrieben, die diese mystische Sinn-
lichkeit in das lateinische Kirchenlied einführen, den
berühmten Jubelgesang Jesu dulcis memoria und eine
Begrüßung der heiligen fünf Wunden. Übernommen
wurde die sinnliche Mystik von der Franziskanischen
Dichtung. Rein und schlicht ist das Leben des heiligen
Franziskus von ihr erfüllt. Lodernd flammt sie in den
Liedern des seligen Jakopone da Todi auf. In der Glut
der Verzückung scheint sein Gedicht geschrieben, das
mit dem doppelten Aufschrei beginnt und am Ende
jeder Strophe zu ihm zurückkehrt: In foco amor mi
mise! In foco amor mi mise! In Brand mich Liebe
setzte! In Brand mich Liebe setzte! Der Dominikaner-
orden, der sich vorzugsweise an die gebildeten Stände
wandte, suchte durch und auf den Intellekt zu wirken,
der Franziskanerorden, der sich unmittelbar zur Menge
kehrte, suchte mehr das Gefühl denn die Vernunft zu
wecken. Er war der eigentliche Träger dieser mysti-
schen Bewegung, und sein großer Kirchenlehrer und
Mystiker, der heilige Bonaventura erklärt ausdrücklich
in seinem „Wegweiser des Geistes zu Gott: Es ist nötig,
daß alle Verstandestätigkeit zurückgelassen und der
höchste Affekt ganz und gar in Gott übertragen und
gewandelt werde . . . Wenn du aber forschest, wie das
geschehe, so frage die Gnade, nicht die Lehre, die Sehn-
sucht, nicht den Verstand, den Seufzer des Wortes, nicht
den toten Buchstaben, den Geliebten, nicht den Lehrer“.
Die Mystiker.
bar ist das Geheimnis des Herzens durch die Löcher
des Leibes, offenbar ist jenes Geheimnis der Frömmig-
keit und die Eingeweide der Barmherzigkeit Gottes.
Sind nicht die Eingeweide durch die Wunden offen
gelegt? Worin wäre es denn deutlicher als in deinen
Wunden, daß du Herr süß und milde bist und reich an
Erbarmen!“
Man hat Bernhard denn auch — mit Unrecht —
mehrere Lieder zug'eschrieben, die diese mystische Sinn-
lichkeit in das lateinische Kirchenlied einführen, den
berühmten Jubelgesang Jesu dulcis memoria und eine
Begrüßung der heiligen fünf Wunden. Übernommen
wurde die sinnliche Mystik von der Franziskanischen
Dichtung. Rein und schlicht ist das Leben des heiligen
Franziskus von ihr erfüllt. Lodernd flammt sie in den
Liedern des seligen Jakopone da Todi auf. In der Glut
der Verzückung scheint sein Gedicht geschrieben, das
mit dem doppelten Aufschrei beginnt und am Ende
jeder Strophe zu ihm zurückkehrt: In foco amor mi
mise! In foco amor mi mise! In Brand mich Liebe
setzte! In Brand mich Liebe setzte! Der Dominikaner-
orden, der sich vorzugsweise an die gebildeten Stände
wandte, suchte durch und auf den Intellekt zu wirken,
der Franziskanerorden, der sich unmittelbar zur Menge
kehrte, suchte mehr das Gefühl denn die Vernunft zu
wecken. Er war der eigentliche Träger dieser mysti-
schen Bewegung, und sein großer Kirchenlehrer und
Mystiker, der heilige Bonaventura erklärt ausdrücklich
in seinem „Wegweiser des Geistes zu Gott: Es ist nötig,
daß alle Verstandestätigkeit zurückgelassen und der
höchste Affekt ganz und gar in Gott übertragen und
gewandelt werde . . . Wenn du aber forschest, wie das
geschehe, so frage die Gnade, nicht die Lehre, die Sehn-
sucht, nicht den Verstand, den Seufzer des Wortes, nicht
den toten Buchstaben, den Geliebten, nicht den Lehrer“.