Brockes’ „Religiosität“.
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das war ja in gewissem Sinne auch die Aufgabe, die
sich Brockes gestellt hatte. Diese Zielgemeinschaft
mußte ihn von Anfang fesseln. Und so finden wir denn
auch kein Gedicht, in dem nicht das Lob der Sinnen-
welt in ein Lob des Schöpfers ausklänge. In diesem
Sinne ist das ganze „Irdische Vergnügen in Gott“ ein
einziger physiko-theologischer Beweis. Aber man soll
sich doch dadurch nicht täuschen lassen: In Wirklich-
keit ist Brockes, diesem Sinnenmenschen, alles Übersinn-
liche von Herzen gleichgültig. Die Geschöpfe sind es,
worauf es ihm ankommt, die Geschöpfe als Gegenstand
seiner Sinne. Und der Schöpfer kommt für ihn nur
so weit in Betracht, als etwa dem Feinschmecker bei
einer guten Tafel auch der Koch in den Sinn kommt:
ein wohlwollender Dank für den Koch und die beruhi-
gende Gewißheit, daß der Koch fest engagiert ist und
immer neu für gleiche Genüsse sorgen wird. So trifft
Brockes das Wesen seines Gottes am vorzüglichsten,
da er ihn „den großen Speisemeister“ nennt. Und sein
Gebet und Andacht trägt diesen Charakter:
Wenn wir Durst und Hunger stillen,
Wenn uns Früchte, Fleisch und Fische
Jeden Mittag unsre Tische
Uns zur Lust und Nahrung füllen;
Preist und rühmet unsern Gott,
Dankt dem Herrscher Zebaoth!
Wenn den Mund die Pfirsich füllet,
Und den Durst mit Anmut stillet,
Daß die Zung in Honig schwimmt,
Ach! so schätzt es nicht geringe!
Dankt dem Schöpfer aller Dinge,
Der euch so viel Guts bestimmt.
So oft ihr schöne Frücht erblickt, riecht, fühlt und schmecket,
So schmeckt und sehet doch, wie freundlich Gott der Herr!
Er ist ein vorzüglicher Speisemeister, dieser Herrgott,
im Frühling schickt er die jungen Gemüse und im Herbst
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das war ja in gewissem Sinne auch die Aufgabe, die
sich Brockes gestellt hatte. Diese Zielgemeinschaft
mußte ihn von Anfang fesseln. Und so finden wir denn
auch kein Gedicht, in dem nicht das Lob der Sinnen-
welt in ein Lob des Schöpfers ausklänge. In diesem
Sinne ist das ganze „Irdische Vergnügen in Gott“ ein
einziger physiko-theologischer Beweis. Aber man soll
sich doch dadurch nicht täuschen lassen: In Wirklich-
keit ist Brockes, diesem Sinnenmenschen, alles Übersinn-
liche von Herzen gleichgültig. Die Geschöpfe sind es,
worauf es ihm ankommt, die Geschöpfe als Gegenstand
seiner Sinne. Und der Schöpfer kommt für ihn nur
so weit in Betracht, als etwa dem Feinschmecker bei
einer guten Tafel auch der Koch in den Sinn kommt:
ein wohlwollender Dank für den Koch und die beruhi-
gende Gewißheit, daß der Koch fest engagiert ist und
immer neu für gleiche Genüsse sorgen wird. So trifft
Brockes das Wesen seines Gottes am vorzüglichsten,
da er ihn „den großen Speisemeister“ nennt. Und sein
Gebet und Andacht trägt diesen Charakter:
Wenn wir Durst und Hunger stillen,
Wenn uns Früchte, Fleisch und Fische
Jeden Mittag unsre Tische
Uns zur Lust und Nahrung füllen;
Preist und rühmet unsern Gott,
Dankt dem Herrscher Zebaoth!
Wenn den Mund die Pfirsich füllet,
Und den Durst mit Anmut stillet,
Daß die Zung in Honig schwimmt,
Ach! so schätzt es nicht geringe!
Dankt dem Schöpfer aller Dinge,
Der euch so viel Guts bestimmt.
So oft ihr schöne Frücht erblickt, riecht, fühlt und schmecket,
So schmeckt und sehet doch, wie freundlich Gott der Herr!
Er ist ein vorzüglicher Speisemeister, dieser Herrgott,
im Frühling schickt er die jungen Gemüse und im Herbst