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Brockes.
die Krammetsvögel. Und darum ziemt es sich wohl,
daß man gleich im Morgengebet — mit einem leisen
Zungenschnalzen — sich seiner erinnert:
Drum gieb, o guter Gott, daß wenn wir Obst heut essen,
Wir, daß es deine Gab und Huld, mit Dank ermessen.
Genau im Einklang mit dieser Auffassung Gottes
steht Brockes’ Auffassung der Ewigkeit: Hier besitzen
wir nur fünf Sinne. Und welche Quelle unsagbaren
Vergnügens gewähren sie uns! In der Ewigkeit aber
werden wir wahrscheinlich mehr, viel mehr, vielleicht
tausend Sinne besitzen! Und welche Wollust wird uns
dann erst zugänglich sein:
Ja, wer weiß, wann wir verkläret
Durch den Tod ins Leben gehn,
Was alsdann uns widerfähret,
Ob uns Gott nicht ausersehn,
Uns in jenem selgen Leben
Andre Sinnen noch zu geben,
Und zwar immer mehr und mehr
Zur Vermehrung seiner Ehr.
Wer weiß, ob fünf genug zu der Erkenntnis seyn,
Die nöthig, der Natur Geheimnis zu ergründen,
Und ob nicht tausend Ahrt von Sinnen noch zu finden,
Die uns hier unbekannt und die uns künftighin
Noch vorbehalten sind?
Diese Weltanschauung der Sinne, diese Andacht der
Außenwelt läßt Brockes nicht in einer bloßen Beschrei-
bung und subjektiven Bewunderung der sinnlichen Welt
verharren, sie macht ihn zu ihrem uneingeschränkten
Anwalt und Verteidiger. Sie drängt ihn, alles Gegebene
zu bejahen: Alles was ist, ist herrlich, das heißt: unsren
Sinnen nützlich! Durch alle Reiche der Natur dichtet
er sich hindurch und beweist vom Reich der Metalle,
der Steine, der Erdarten, der Pflanzen, der Tiere, daß
sie nichts enthalten, das nicht irgendwie unsern Sinnen
nützlich und darum bejahenswert sei. Nutzen und
Brockes.
die Krammetsvögel. Und darum ziemt es sich wohl,
daß man gleich im Morgengebet — mit einem leisen
Zungenschnalzen — sich seiner erinnert:
Drum gieb, o guter Gott, daß wenn wir Obst heut essen,
Wir, daß es deine Gab und Huld, mit Dank ermessen.
Genau im Einklang mit dieser Auffassung Gottes
steht Brockes’ Auffassung der Ewigkeit: Hier besitzen
wir nur fünf Sinne. Und welche Quelle unsagbaren
Vergnügens gewähren sie uns! In der Ewigkeit aber
werden wir wahrscheinlich mehr, viel mehr, vielleicht
tausend Sinne besitzen! Und welche Wollust wird uns
dann erst zugänglich sein:
Ja, wer weiß, wann wir verkläret
Durch den Tod ins Leben gehn,
Was alsdann uns widerfähret,
Ob uns Gott nicht ausersehn,
Uns in jenem selgen Leben
Andre Sinnen noch zu geben,
Und zwar immer mehr und mehr
Zur Vermehrung seiner Ehr.
Wer weiß, ob fünf genug zu der Erkenntnis seyn,
Die nöthig, der Natur Geheimnis zu ergründen,
Und ob nicht tausend Ahrt von Sinnen noch zu finden,
Die uns hier unbekannt und die uns künftighin
Noch vorbehalten sind?
Diese Weltanschauung der Sinne, diese Andacht der
Außenwelt läßt Brockes nicht in einer bloßen Beschrei-
bung und subjektiven Bewunderung der sinnlichen Welt
verharren, sie macht ihn zu ihrem uneingeschränkten
Anwalt und Verteidiger. Sie drängt ihn, alles Gegebene
zu bejahen: Alles was ist, ist herrlich, das heißt: unsren
Sinnen nützlich! Durch alle Reiche der Natur dichtet
er sich hindurch und beweist vom Reich der Metalle,
der Steine, der Erdarten, der Pflanzen, der Tiere, daß
sie nichts enthalten, das nicht irgendwie unsern Sinnen
nützlich und darum bejahenswert sei. Nutzen und