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Witkop, Philipp
Die Anfänge der neueren deutschen Lyrik — Heidelberg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.73240#0072
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Günther.

Mich rühmlich strafen kann und stets entschuldigt scheine;
Bisweilen zeigt es mir das Glücke, recht zu gehn,
Bald läßt es mich in mir dem Guten widerstehn,
Damit die frömmste Welt das Ärgste von mir meine.
Aus dieser Quelle springt mein langes Ungemach:
Viel Arbeit und kein Lohn, als Krankheit, Haß und Schande,
Die Spötter pfeifen mir mit Neid und Lügen nach,
Die Armut jagt den Fuß aus dem und jenem Lande,
Die Eltern treiben mich den Feinden vor die Tür
Und stoßen mich — o Gott, gib acht: sie folgen dir! —
Ohn Ursach in den Staub und ewig aus dem Herzen!
Mein Wissen wird verlacht, mein ehrlich Herz erdrückt,
Die Fehler, die ich hab, als Laster vorgerückt.
Und alles schickt sich recht, die Freunde zu verscherzen.
Ist einer in der Welt, er sei mir noch so feind,
An dem ich in der Not kein Liebeszeichen täte?
Und bin ich jedem nicht ein solcher wahrer Freund
Als ich mir selbst von Gott — erhört er andre —■ bete?
Hat jemand auf mein Wort sein Unglück mehr gefühlt,
Hat bosheitsvoller Scherz mit fremder Not gespielt,
Und hab ich unrecht Gut mit Vorsatz angezogen,
So greife mich sogleich der bösen Geister Bund
Mit allen Martern an, wovon der Christen Mund
Schon über tausend Jahr den Leuten vorgelogen.
Verflucht sei Welt und Licht!
Endlich wird Günther aus Lauban erlöst. Er findet
neue Freunde. In Kreuzberg scheint sein Dasein Halt
zu finden. Und sein Glaube an das Leben erwacht aufs
neue. Mit der Arglosigkeit des Kindes spricht er sich
Mut zu. Nach der Melodie „Wer nur den lieben Gott
läßt walten“ dichtet er: „Mein Leben wird noch um das
Ende — Ein Himmel voll Vergnügung sein“. Da trifft
ihn die Nachricht von Leonorens Hochzeit. Und die
alte Liebe und alles alte Leid stürmt aufs neue in ihm
auf. Also auch das Heiligste seines Lebens, das Herz
seines Herzens ist ihm von einem anderen entrissen
 
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