DEUTSCHES HRUS
2. Kunft.
Die Kunft, ein Buch als 6anzes fdiön zu geftalten, hat niemals höher gestanden als
in Deutfdtland zur Zeit der Erfindung des Buchdrucks. Was ßutenberg und feine 6e-
noffen im engen Rnfdiluß an die fichere Tradition der gothifdien Handfchriften ge-
fdtnitten, gegoffen, gefekt und gedruckt haben, das hat keiner ihrer Tladifolger daheim
oder im Rusland an Kraft und Harmonie übertroffen. Einen zweiten Höhepunkt er-
reichte die deutfche Buchkunft zur Zeit der frühen Renaiffance, als Weifter wie Dürer,
Holbein und Cranadi den auf deutfchem Boden entftandenen und erprobten Holzfdtnitt
für die Bilder und den Schmuck des Buches malerifch tierwendeten. Ihr Beifpiel wirkte
fort, bis der Dreißigjährige Krieg auch diefe Blüthe knickte. In den Büchern des acht-
zehnten Jahrhunderts haben die deutfchen Kupferstecher und Drucker ihre franzöfifchen
üorbilder feiten erreicht.
Erft im neunzehnten Jahrhundert hat die deutfche Buchkunft mit wadtfendem Erfolge
wieder eigene "Wege befchritten. Die Richtung wedtfelte mit den hiftorifdien Stilarten,
die in rafdter Folge den 6efchmack in der Rrchitektur und allen dekoratiuen Künften
beherrfmt haben. Diefe Strömungen fpiegeln fidi zum Theil noch heute im deutfchen
Buchgewerbe wieder.
Der Klaffizismus, der die erften Jahrzehnte des Jahrhunderts beherrfdite, ging frei-
lich nicht tief genug, um den Buchdruck, die Typen und den Sa§, nachdrücklich zu be-
einfluffen; die Drucker hielten (ich an die gefällige Ueberlieferung der Zöpfzeit, die fett
eingebürgerten Frahturbudtftaben und die befcheidene Sa^weife. Dagegen bewährte in
den llluftrationen befonders der größeren Bild- und Tafelwerke die herrfdtende Waler-
fchule ihre Wacht. Die Freskokünftler und Kartonzeichner, Cornelius und feine Freunde,
zwangen die Kupferftecher, auf jede malerifche Wirkung zu uerzidtten und fidi auf den
Kontur zu befmränken. Diefe Umrißmanier ift heute im deutfchen Buchgewerbe uer-
geffen; auch der Cinienftich friftet nur nodt in vereinzelten koftfpieligen Rrchitektur-
werken als eine vermeintlich oornehme Technik fein Dafein.
nachhaltiger ift der 6ewinn aus der Zeit der Romantik feit den dreißiger Jahren.
Die Künftler, welche die alten Sagen, Wärmen und Cieder und die jungen Dichter der
romantifchen Schule mit ihren finnigen Zeichnungen begleiteten, fflorik non Schwind,
Eugen Tleureuther, Rdolph Schroedter und Rndere, uor Rllem Cudwig Richter, der üebling
des deutfchen üolkes, wußten zu ihren Bildern auch den Zierrat und die Schrift zu (timmen.
Reben ihr gothifches Rankenwerk fekten fie eine fefte, mittelalterliche Type, einen wohl-
thuenden öegenfalj zu der abgemagerten Fraktur. Sie behandelten die llluftration nicht
wie Waler, fondern wie Zeichner, fei es, daß fie felbft in Kupfer radirten oder auf
Stein zeichneten oder ihre Cinien durch den Holzfdtnitt wiedergeben ließen. Gleichzeitig
wußten Rethel, Schnorr uon Carolsfeld, Führidt und Rndere diefen Cinienholzfchnitt
auch für größere Folgen und Bilderwerke zu beleben, neue Wege wies Rdolph Wenzel,
der fchon als junger Cithograph der Buchkunft gedient hatte und jet(t feine genialen
llluftrationen zu der ßefmichte und den Werken Friedrichs des öroßen in einem
malerifchen Zeimnungsftil fchuf, an dem fich eine moderne Schule des Holzfchnitts
heranbildete. Der Buchdruck und die Schriftgießerei wurden durch die uielerlei tedt-
nifdien neuerungen, wie die Weffinglinien und die üerfeinerungen des Typenfdtnitts,
zunächft mehr uerwirrt als künftlerifch bereichert. Hnfehnlidte tupographifdte Werke
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2. Kunft.
Die Kunft, ein Buch als 6anzes fdiön zu geftalten, hat niemals höher gestanden als
in Deutfdtland zur Zeit der Erfindung des Buchdrucks. Was ßutenberg und feine 6e-
noffen im engen Rnfdiluß an die fichere Tradition der gothifdien Handfchriften ge-
fdtnitten, gegoffen, gefekt und gedruckt haben, das hat keiner ihrer Tladifolger daheim
oder im Rusland an Kraft und Harmonie übertroffen. Einen zweiten Höhepunkt er-
reichte die deutfche Buchkunft zur Zeit der frühen Renaiffance, als Weifter wie Dürer,
Holbein und Cranadi den auf deutfchem Boden entftandenen und erprobten Holzfdtnitt
für die Bilder und den Schmuck des Buches malerifch tierwendeten. Ihr Beifpiel wirkte
fort, bis der Dreißigjährige Krieg auch diefe Blüthe knickte. In den Büchern des acht-
zehnten Jahrhunderts haben die deutfchen Kupferstecher und Drucker ihre franzöfifchen
üorbilder feiten erreicht.
Erft im neunzehnten Jahrhundert hat die deutfche Buchkunft mit wadtfendem Erfolge
wieder eigene "Wege befchritten. Die Richtung wedtfelte mit den hiftorifdien Stilarten,
die in rafdter Folge den 6efchmack in der Rrchitektur und allen dekoratiuen Künften
beherrfmt haben. Diefe Strömungen fpiegeln fidi zum Theil noch heute im deutfchen
Buchgewerbe wieder.
Der Klaffizismus, der die erften Jahrzehnte des Jahrhunderts beherrfdite, ging frei-
lich nicht tief genug, um den Buchdruck, die Typen und den Sa§, nachdrücklich zu be-
einfluffen; die Drucker hielten (ich an die gefällige Ueberlieferung der Zöpfzeit, die fett
eingebürgerten Frahturbudtftaben und die befcheidene Sa^weife. Dagegen bewährte in
den llluftrationen befonders der größeren Bild- und Tafelwerke die herrfdtende Waler-
fchule ihre Wacht. Die Freskokünftler und Kartonzeichner, Cornelius und feine Freunde,
zwangen die Kupferftecher, auf jede malerifche Wirkung zu uerzidtten und fidi auf den
Kontur zu befmränken. Diefe Umrißmanier ift heute im deutfchen Buchgewerbe uer-
geffen; auch der Cinienftich friftet nur nodt in vereinzelten koftfpieligen Rrchitektur-
werken als eine vermeintlich oornehme Technik fein Dafein.
nachhaltiger ift der 6ewinn aus der Zeit der Romantik feit den dreißiger Jahren.
Die Künftler, welche die alten Sagen, Wärmen und Cieder und die jungen Dichter der
romantifchen Schule mit ihren finnigen Zeichnungen begleiteten, fflorik non Schwind,
Eugen Tleureuther, Rdolph Schroedter und Rndere, uor Rllem Cudwig Richter, der üebling
des deutfchen üolkes, wußten zu ihren Bildern auch den Zierrat und die Schrift zu (timmen.
Reben ihr gothifches Rankenwerk fekten fie eine fefte, mittelalterliche Type, einen wohl-
thuenden öegenfalj zu der abgemagerten Fraktur. Sie behandelten die llluftration nicht
wie Waler, fondern wie Zeichner, fei es, daß fie felbft in Kupfer radirten oder auf
Stein zeichneten oder ihre Cinien durch den Holzfdtnitt wiedergeben ließen. Gleichzeitig
wußten Rethel, Schnorr uon Carolsfeld, Führidt und Rndere diefen Cinienholzfchnitt
auch für größere Folgen und Bilderwerke zu beleben, neue Wege wies Rdolph Wenzel,
der fchon als junger Cithograph der Buchkunft gedient hatte und jet(t feine genialen
llluftrationen zu der ßefmichte und den Werken Friedrichs des öroßen in einem
malerifchen Zeimnungsftil fchuf, an dem fich eine moderne Schule des Holzfchnitts
heranbildete. Der Buchdruck und die Schriftgießerei wurden durch die uielerlei tedt-
nifdien neuerungen, wie die Weffinglinien und die üerfeinerungen des Typenfdtnitts,
zunächft mehr uerwirrt als künftlerifch bereichert. Hnfehnlidte tupographifdte Werke
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