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DEUTSCHE KUtlST

Daß die deutfche Kunft der neueren Zeit mit dem £eben nicht die innigfte Fühlung
hat, zeigt fidi uor Rllem in der Bildnißmalerei, die ihre fchwache Seite war und die
fchließlich in einer Reihe großer und reicher Städte, die drei Jahrhunderte uorher bei
geringerer wirthfchaftltcher Kraft höchfte Kunft getragen hatten, wollig uerfchwunden
war. — Wie uiele große Bildnißmaler laffen (ich heute in Deutfmland neben dem
Münchener £enbam nennen?

Diefe mangelhafte Berührung mit dem Ceben wurde früh empfunden, und fdton in
den zwanziger Jahren fuditen Freunde der Kunft im Bürgerthum Rbhülfe zu fmaffen.
£s gab damals keinen Kunfthandel, der fidi ernftüdi um lebende Kunft kümmerte, und
das Rusftellungswefen war fdtwadt entwickelt; dabei fandten die Rkademien, die hun-
dert Jahre früher für den fürftlichen Bedarf Künftler gefdtult hatten, unaufhörlich Schaa-
ren uon Künftlern in die Welt, für die der moderne Staat und das Bürgerthum keine
Rufgaben hatten, und die auch für die wenigen Fürften zuuiel waren, die nach alter
Ueberlieferung Mittel für Kunft aufwandten, auch wo fie für ihr bürgerlich gewordenes
Ceben Kunft eigentlich nicht mehr nöthig hatten. So wurden überall Kunftüereine ge-
gründet, Gefellfdtaften, die die aus den geringen Beiträgen zahlreicher Mitglieder zu-
fammengeflofTenen, oft erheblichen Mittel in der Regel für die Förderung einer niederen
öattung uon Kunft uerwandten, wie fie den künftlerifch meift wenig gebildeten Mit-
gliedern faßlich und angenehm war.

Durch die Kunftüereine wurde in weiteren Kreifen das Rusftellungswefen gepflegt und
entwickelt, das, fpäter uom Staat weiter ausgebildet, uon Jahrzehnt zu Jahrzehnt
wamfend, zulefet die Produktion der Hachbarländer im weiten Kreife uon Italien bis
nach Petersburg heranzog, Deutfchland zum großen internationalen Kunftmarkte machte
und fchließlich durch das Uebermaaß fowohl das Rufkommen einer feineren künftleri-
fchen Genußfähigkeit wie die künftlerifche Produktion felbft zu erfticken drohte.
Rkademien als uom £eben losgelöfte Cehranftalten der Kunft, überwiegend in wirth-
fchaftlich fchwach entwickelten Städten und nur ausnahmsweife in den Mittelpunkten
des nationalen Cebens gelegen, Kunftüereine als Förderer der mittleren und niedrigen
Produktion, Rusftellungen uon ftändig wachfender Zahl und immer größerem Umfang
und fchliefjlich an fie angefchloflen ein fehr einflußreicher Kunfthandel bei mangelhaft
entwickelten unmittelbaren Beziehungen zwifchen Künftler und Publikum, das find die
neuen Zeichen, unter denen die Produktion der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahr-
hunderts uor fidi gegangen ift.

*

Unter den zahlreichen deutfchen Rkademieftädten nehmen naturgemäß Bert in, zu
Rnfang des Jahrhunderts als die Hauptftadt des nordens, fpäter als die Reichshaupt-
fiadt, und München, als die Hauptftadt Süddeutfchlands, den erften Rang ein. Zeit-
weilig behaupteten fidi, durch günftige äußere Umftände gehoben, Dresden, auch wohl
Kartsruhe, Stuttgart und Weimar neben ihnen, und DüfTeldorf, eine künftliche 6ründung
— es erhielt feine Rkademie als entfchädigung für die berühmte durch erbgang nach
München übergeführte Galerie —, hat dauernd den kleineren Rkademien den Rang
abgelaufen und durch einzelne Meifter, wie die Rmenbach, Knaus, uon ßebhardt,
Janffen, felbft über die Grenzen Deutfchlands hinaus in Rnfehen geftanden. üon

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