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DEUTSCH £ KU11ST

lieh in den legten Jahren haben fich diefe üerhältnifle non 6rund aus geändert, und
Berlin beginnt einer der bedeutendem Kunftmärkte des Feftlandes zu werden. Seine
Rrdiitektur, eine Zeit lang non der Münchener Kunft abhängig, und feine Skulptur be-
ginnen den ganzen Horden bis zur Maingrenze zu beherrfchen. Rudi in Frankfurt, das
in Wallot feine bedeutende Kraft an Berlin abgegeben hatte, baut man im Berliner
Stil. Hur eine Stadt madtt Berlin im Horden durch ihre Rrdiitehtur Konkurrenz, das ift
Hannooer mit feinem uon Technikern entwickelten Backfreinftil, der Reh für den Kirchen-
bau fogar in Berlin eingebürgert hat. Durch ungeheure Rufträge in der Denhmalsplaftik
ift der Umfang des bildhauerifchen Betriebes ins Unwahrfcheinliche gewachfen, und die
Kunfrpflege des Kaifers hat fidi uorzugsweife der Plaftik zugewandt. Reinhold Begas
in Berlin und Schilling in Dresden find die höchften Typen der Denkmalsplaftiker.
Ruch in Berlin hat fleh im neunzehnten Jahrhundert die Malerei, wo fie originell war,
gern außerhalb der akademifchen Kreife bewegt. In Wenzel fand fie ihren klaffifchen
Rusdruck, und es ift für den Boden Berlins im 6egenfafe zu München bezeichnend,
dafj diefer mächtigfte ßeift fich nicht dem üolksleben zuwandte, fondern der 6efchichte
der Dunaftie, und erft nachdem er im Krönungsbilde König Wilhelms auf modernen
Boden getreten war, an die Schilderung des Gebens der eigenen 2eit herantrat. Die
offiziellen flufgaben auf dem Gebiete der Malerei find Rnton uon Werner zuge-
fallen. — Im Uebrigen trägt das Gefchledit, das heute an der Rrbeit ift, keine aus-
gefprodien berlinifchen Züge. Ciebermann, ein geborener Berliner, wurzelt in Frank-
reich und Holland, Cudwig uonHofmann wäre ebenfo gut in Dresden oder München
denkbar. Diefer hat fidi wie der Bildhauer Rdolf Hildebrand, der in München und
Florenz lebt, und die aufstrebende Bildhauergruppe der Diez, Geuger, üolkmann,
Tuaillon eine ideale Welt gefchaffen, aus der ihn, wie den Bildhauer, nur das Bildnifj
in die eigene Zeit zurückruft.

Wie Berlin in der üotkswirthfchaft und in der Otteratur — namentlich im Theater —
bereits zur Hauptftadt des Reichs geworden ift, fo dürfte es in Zukunft auch einen
großen Theil der Produktion auf dem Gebiete der bildenden Kunft beherrfchen. In der
Rrdiitektur hat es durch die Bauten Wallots und Meffels ein neues Cofungswort
bereits ausgegeben.

Es darf dabei jedodi nicht überfehen werden, dafj im legten Jahrzehnt des Jahrhunderts
überall ftarke Triebe lokaler Kunft und Kunfrpflege aufgefdioflen find.
In den alten Stammeszentren und den gröfjeren Refidenzen beginnt es fich zu regen.
Zunächft hat man in Cöln, Hamburg, Frankfurt begonnen, der «ergebenen heimifdien
Kunft nachzufpüren und ihre lange Zeit unterfchäfsten £eiftungen zu Ehren zu bringen,
mit der ausgefprodienen Rbfidit, einer neuen Produktion im Herzen des üolkes dadurch
den Boden zu bereiten. In Dresden, wo Prell und Kuehl die Rufgabe zugefallen
ift, das Rusftellungswefen neueinzurichten, in Karlsruhe, das Dill, und Stuttgart, das
Kalckreuth an fich gezogen hat, fördern die Regierungen mit Umficht die künftlerifdie
Erziehung des üolkes und der Künftler.

Bei einzelnen Künftlern macht fich der Trieb geltend, uon den Rkademieftädten auf den
Boden der Heimat zurückzukehren und fidi dort auszuleben. Ma* Klinger, an den
fidi auch das Wiedererwadien der 6riffelkunft in Deutfdtland knüpft, hat fich uon
Berlin und Rom in feine üaterftadt £eipzig zurückgezogen und fdiafft dort in ruhiger
Rbgefdiiedenheit. Hans Olde lebt jahraus jahrein auf feinem einfamen 6ut in Hol-

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