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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 7.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.15409#0187
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Kouponabschneiden ausruhcn un bei 'ne jute Zijarre un een Dröppken Roth-
spohn ieber den Welllauf Nachdenken will.

Doch de Lichter brennen nu an de Christböhme, nn, wie De in alle
Bourgeoiszeitungen lesen kannst, zieht nu der poetische Harzduft un bet
Waldesjrien ebenso wie in den Palast, so ooch in de Hittc in. Uff bet weiße
Dischduch da stehen de Teller mit Aeppel un Nisse, un der sorgsame Vater
un die noch sorgsamere Mutter hat vor die lieben Kinderkens alle die scheenen
un jnten Sachen als Jeschenkc ufffcbaut, die der Mensch sehr jut jebraucheu
kann, wenn er sc nämlich hat. Un in de Ncbenstubc da drängeln sich de
Jungcns un de Meechens, un se kennen de Zeit jarnich abwarten, bis bet
Zeichen jejeben wird, wo sc sich mit hellen Jubel in den Lichterjlanz rinstirzen
kennen, un wo denn Eener den Andern um den Hals fallt vor lauter Freidc,
int wo soville Thränen der Mehrung , un der Jlickseeligkeit versoffen werden,
bet man davon janz jut een Fußbad nehmen kann.

Ja, lieber Jacob, et wäre jut, wenn et so wäre. Aber ick sage dajejcn,
bet et doch een bisken anders is. Ick jloobe un ick wecß et, dct an keenen
Dag von det janzc Jahr der Arme, der Elende, der Verlassene mit sonne
Bitterkeit un mit so'» Jcfiehl von Vereinsamung die janzc Trostlosigkeit von
seine Klassenlage empfindet, wie jrade zu Weihnachten. Alle Poesie, aller
Friede, alle Freide, det schwindet dahin wie nischt, wenn Mangel da is, wenn
kccn Jeld zu Hause is, wenn nischt zu beißen un zu brechen da is, wenn
Arbeetslostgkeit herrscht, wenn de Bude kalt is un det letzte Stick aus de
Wirthschaft längst bei Päthen jewandert is. Da können se heitc mit alle
Jlocken läuten, da können alle Orjeln spielen un jescheitelte un jeschoreue
Diener der Kirche kennen mit noch so'n salbungsvollen Ausdruck un noch

so'u frommen Oogenuffschlag versichern, det „Friede auf Erden" herrscht-

Jacob, wir Beede jloobcn uich daran, un alle die Millioueu uu Millionen,
die unter den Druck von unsere heitijen Zustände un Verhältnisse leiden un
seifzen, die jloobcn ooch nich an den „Frieden".

Et is wahr, Jacob, det heitije Fest is een wcihevollet Fest un man
braucht keen öltet Weib zu sein, wenn man heite een bisken ernster un weicher
jestimmt is. Aber erst denn feiert die janzc Welt ihr Weihnachtsfest, wenn
der Jubelruf, mit den der Zimmermannssohn in Palästina nach de Legende
bcjrießt wurde, nämlich „Friede auf Erden", nach unfern Sinn erfüllt is.
Vielleicht dauert dct jarnich mehr so lange, aber wie lange et ooch dauern
mag, wir behalten Muth un hoffen uff die Zukunft.

So winsche ick Dir, lieber Jacob, un alle unsere Fremde vcrjniegte
Feierdage un een frohet Fest, womit ick verbleibe erjebenst un mit lulle Jrieße
Dein kreier

Jotthilf Nauckc.

An'n Jörlitzer Bahnhof jlcich links.

Die Schutzzvllnrr.

Die Jankees lachen sich halb zu Tod,
Weil Ihr mit der Faust im Sacke droht.
Daraus geht für Euch die Lehre herfür:
Die Uankces sind noch brutaler als Ihr!

Hobrlspähne. - • •

Sonst kam der heil ge Nikolaus
Mit Acpfeln und mit Wissen,

Und fragte uns gar gründlich aus,
Und horchte, was wir wissen.

.Jetzt kommt allein der Miguel an,
Und giebt uns >vas zu rathcn;

Die Steuerruthe schwingt er dann,
Und kauft uns viel Soldaten.

Die Weihnachtszeit ist doch die schönste Zeit im
Jahre; denn zu Weihnachten laßt sich selbst der
verbissenste Spießbürger und Zünftler willig ein

Licht aufstccken.

Stille Nacht, heilige Stacht.

Alles schläft. Einsam ivacht

Stur der Schutzmann, und giebt drauf Acht,

Ob man „groben Unfug" macht.

Der Elberfcldcr Staatsanwalt wird recht traurig sein, daß er diesmal
den Sozialdemokraten gar keine Aufmerksamkeit erweisen kann, während er
ihnen voriges Jahr zu Weihnachten eine so splendide Bescheernng zurecht
gemacht hatte.

* *

*

Wir Deutschen, wir haben jetzt einen Koch;

Wer könnte mit diesem sich messen?

Nun, heiliger Christ, o bescheer' uns noch

Recht viele Braten zu essen.

„Gott schütze mich vor meinen Freunden", sagt der Arbeiter,
wenn ihm Ultramontane, Konservative und Deutschfrcisinnige ihre Arbeiter-
frcundlichkeit versichern. Der Schutz vor solchen Arbeiterfreunden wäre demnach
auch eine Kategorie des Arbeiterschutzes.

Weihnacht ist das Fest der Kleinen,
Weihnacht ist das Fest der Kinder.
Doch den Großen, doch den Alten
Kostct's deshalb Geld nicht minder.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

suppen auf die Funktionen des Magens belebend
wirken. Wer an Magerkeit und Entkräftung leidet,
der setze mit seiner Berufsthätigkeit aus und wende
innerlich die besten Nahrungsmittel in reichlichen
Dosen und angemessener Abwechselung an, dann
wird er bald gesunden. Für Jeden, dem eine
solche Naturheilmethode zu kostspielig ist, sollte der
Staat Heilanstalten bereit halten, welche alles
Nöthige gratis darbieten, dann würde die öffentliche
Gesundheitspflege ohne Medizin und ohne —
Schmierkäse eminente Fortschritte machen.

Gedankensplitter.

Verdächtigungen und Verleumdungen gleichen
dem rauchlosen Pulver; man merkt den Erfolg des
Schusses wohl, sicht aber nicht den Schützen.

Zeugnis; der Liebe.

„Ob ich Dich liebe, frage die Sterne!"
sagte Elias Kohn zu seiner Kalle, da hatte er, um
ihr zu Weihnachten eine Pelzgarnitur zu kaufen,
die Gebrüder Stern angepumpt.

Eine Kapu;inerpredigt.

Von Jeremias Demuth, gekrönten, Ordnungspoeten.

Ei, wie war'sch vorn Jahre schccne!
Ruh'gen Leiden drohde gecnc
Bruchgefahr for Arm un Becne
Durch geworfne Mauerschdcene,

Gingen se ooch gans alleenc,

Da gebendigd das gemeenc
Backd in Geddcn lag
Dag fer Dag.

Dahden ooch de Oogen funkeln,

Gonnden se doch nur in Dunkeln
Heemlich munkeln.

Hadd'n ooch de Hand gejuckd,

Hammsc dennoch nich gczuckd,

Denn es word'n, wenn se uffgemuckd,
Uffcn Gobb gespuckd;

Jeder worde mid Aweck geduckd
Un ä Jährchen word'n ufsgchuckd,

Wenn'r schief ä Schutzmann angeguckd
Un ins Bläddchcn worde's 'nein gedruckd.
Trugen ä baar Schnciderfibse
Soundags edwan rohde Schlibse,
Dippdense se uff de Nibsc;

Nachher nahm mer se bei'n Gribjc,

Un sc zahlden runde Summen —

Wo nich: „Brummen!"

Da se sahn, se war'n de Grummeu
Un de Dummen,

Dahden se vcrschdummen
lln sich dies vermummen.

Alles war so schdill un friedlich,

Hibsch un ordendlich un niedlich,

So nach Herzenslust gemiehdlich —

Nee, mer dahd sich wärglich giedlich,

Sah mer ncrdlich oder siedlich. —

Jetzd had mer ä Herz, ä hceßes,

Ae Gesichd, ä sehre bceses,

Un warum? Ra ja, mer lvecß es —

Ei Herrjeses!

's is doch änne Sind nn Schande,

Daß im deidschen Vaderlande
Geener glicklich gommd zu Rande
Mit der ziegellosen Bande,

Die da dreimd von Mord un Brande!
Das Gesetz, das sehr zu loben,

Weil vor ihm das Backd zerschdobcn,

Hammsc unmehr uffgehoben;

Alles is dodal verschoben
Un das freidedrunkne Dobeu
lln das Griegsgeheil der Rohden
Weckd de Dodten.

Wärd' uich Alles uffgeboden,

Zwicfelnse uns noch nach Roden,
Rungeuirn mit schwiel'gen Fodcn
De Guldur in Grund un Boden.
Schwummrig is es mir un schwiclc
lln mir sagd ä Vorgefiehle:

Alles schdehd jetzd uffcn Schbiele!

Dieser Sibbschaft „letzde Ziele"

Gennd mer ja — wie Federgiele
Dähdensc de Gorgeln schneiden,

Un se blindem uns bei Zeidcn
Ricksichtslos nn unbescheiden,

Wemmcrsch leiden.

Amwcr wie sc nn begehren?

Wie sc glibb un glar belehren,

Daß se sich von Dreimen uehren,

Wenn uff ihr Brohgrainm se schweren?
Geener will de Wahrhced Heeren,
Awwcr meeglichst viel verzehren
Un zwar gcene Heedelbeeren.

's wärd ä schreckliches Gewärchc,

Reddcd uns uich noch — de Gär che.
Ja, ä richdger dichdger Basler,

Der besicgd ä jedes Laster,

Gläbd uff jedes Maul ä Flaster;

Wer nich folgen will, den schaßd er
Mid der Bicwcl uff der Schdcllc
In de Helle.
 
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