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1170

^merstütznngMohnsitz und

eimattzsliebe, KeimatHsseHnen,

^ch, es ist ein trautes Klingen,

Wenn die Deutschen in der Fremde
Igre KeimatHslikdev singen.

„Lebe woHl, du kleine Gaffe"

Tönt es da aus vollem Kerzen,

And die Keimatgskliinge wecken
Der Lrinn'rung sanfte Zchmerzen.

Ko stegt's Heute; da verkündet
Kich dev Junker „edles" Ktreöen:

Mch, sie wollen jetzt dem Armen
Keine KeimatH wiedergeben,

Wollen iHm die Welt verschließen,

Fesseln ihn an seine Kcholle,

Daß er treu dem Heim'schen GrundHerrn
Wie ein Kklave dienen solle.

Ist er aber in der Fremde
Nicht als Kagabond verdorben,

Kat den „UnterstiitzungswoHnsih"

In zwei Jagren er erworben,

Dann erlaubt die fremde Ktadt iHm,
Dich in Kargen zu ernäHren,

Wird iHm Vettelbrot im Alter,

Wird itzm selbst ein Grab gewäHren.

Junkerlein! Mit solcher WeisHeit
Vleib' daHeim, laß dich begraben,

Denn -er Mann der Arbeit danket
Nicht für deine Vettelgavcn.

Was die Neuzeit Großes bietet,

Ist durch seine Kraft erstanden,

Darum Weltenvürger-Rechte
Fordert er in allen Landen.

Doch es ist ein falsches Lied Heut,

Ist ein längst verblaßter Kchimmer;
Vaterhaus und KeimatHsstätte
Kat der Proletarier nimmer.

In den großen Miettzskasernen
Ward gewechselt oft die Klause,

And er kennt nicht einen Klein mehr
Kon dem „tgeuven KaterHause!'

t , , Berlin, Mitte Januar.

Lieber Jacob!

' Nu sind wir schon 'ne janze Ecke rin in't neie Jahr un Alles is noch
jenau so, wie et in det alte ooch war. Blos een bisken älter sind wir
jeworden, un hoffentlich ooch een bisken schlauer, wat allerdings bei mir
nich jut möglich is, indem ick schon in de Schule een riesijer Schlaukopp
war un merschtendeehls brauchte ick blos eenen Enzijen ruffzukommen, denn
war ick der Vorletzte. Un mit die Schlauheit is det in detselbe Tempo
stets beijeblieben.

Doch davon nu nach Reine, ick wollte Dir zunächst man daruff nff-
merksam machen, det mir nu mit Riesenschritten eenen janz ieberschwäng-
lichen Wohlstand entjejenjehen. Von wejen die Zölle. De Schrippen sollen
jetzt so jroß werden, wie srieher de Vierjroschenbrode, un de Vierjroschen-
brode nehmen sonnen Umfang an, det Eener eens nich alleene dragen kann.
Na, un det Fleesch det wird nu jarnich alle werden, indem von Amerika
soville importirt wird, det et Eenen schließlich zum Halse raushängt. Ratier-
lich: oogeublicklich is et noch nich so weit, aber et kommt noch, Du mußt
blos de Jeduld nich verlieren, denn wenn Eener immerzu dasteht un
trampelt mit de Beene un prampirt in Eensweg, denn kann de Rejierung
ooch nischt machen, un se wird denn ooch unjemiethlich un jeht wieder uff

den ollen Kurs zurick, nn mit de Billigkeit un det Versprechen von Wohl-
erjehen is et denn janz nn jar Essig. Also abwarten, det is de erste
Birjerpflicht, un wer det nich kann, den kann ick ooch nich helfen un
Caprivi — ick wollte natürlich sagen: Jraf von Caprivi — ooch nich.
Det mußt De doch nu ooch sagen, Jacob, Alles mit Eenmal, det jeht nich.
Haste nich de Reichstagsverhandlungen jelesen, wat se da Alles in den
jroßen Diskutirklub jesagt haben? Na, weeßte, ick habe ja meinen Schöpfer
jedankt, det ick keen Jroßjrundbesitzer bin. . Mein Jott, wat missen die Leite
nich ausstehen, um ihr bisken Leben zu fristen! Nee, ick bin jetzt ooch da-
vor, det vor die Leite endlich mal wat jedahn wird. Et is ja schrecklich,
wenn man det Jejammere mit anhören muß, un kann nich helfen. Ick
jeheere ja natürlich ooch zu de Jrundbesitzer, indem ick vor mein Fenster
drei Toppe mit wilden Wein habe, aber jetzt in'n Winter da is ja mit det
Zeich ooch nich ville los — aber ick hätte se janz jerne den Jrafen Kanitz
jeschenkt, objleich mein Herz sehre dran hängt, blos damit det Jestöhne
uffhört. Det is ja ooch een Hundeleben, wat so'n Mann fiehrt. In'n
Winter an de Riviera, in Sonuncr in de Seebäder, un so zwischen durch
mal uff de Jieter oder in de Reichshauptstadt 'ne Lanze for de nothleidende
Landwirthschaft brechen — is so'n Leben nich schrecklich? Denke mal blos
an die Ruhelosigkeit, lieber Jacob, un Du wirst mit leichter Miehe be-

<-xT Zemmel und Ferkel.

Jjg.eü, Schlesien, dir! Rach deinen Gauen,
Die reichen Segens Strom durchwallt,
Nuß vollBewund'rung Jeder schauen,
Der fester stets den Riemen schnallt.

Denn hört er Herrn v. Schalscha schwärmen
von dieser sel'gen Insel Wohl,

Hört in den eigenen Gedärmen
Lr nicht das Rnurren dumpf und hohl.

Die Semmeln sind nach diesem Bürgen
So groß, daß auch ein starker Nann
Rur schwer, mit Hängen und mit Würgen,
Zur Hälfte sie bezwingen kann.

Die herrenlosen Ferkel laufen
Dir in den Hof mit Freudenton:

Du kannst den schönsten Tuieker kaufen
Für fünfunddreißig pfeun'ge schon.

Wie hat das Wort bei mir gezündet!

Vb ihm die Wirklichkeit entspricht?

Doch — Herr v. Schalscha hat's verkündet
And Herr v. Schalscha flunkert nicht.

Rach Schlesien ziehe, laß dir rathen.

Wenn es dir hier" zu pauvre ist.

Dafern für ein Stück Schweinebraten
Du noch nicht abgestorben bist.

Hält' ich die Nacht der Potentaten
In meiner armen, schwachen Hand —
Den menschenfreundlichen Nagnaten
Lrhüb' ich in den Fürstenstand;

Lr hegt doch christliches Lrbarmen
Und zaubert mitleidsvoll und mild
Zum Trost der Hungernden und Armen
Uns an die Wand ein lieblich Bild.

Lr dürste sich bescheiden reihen
Zu denen, die am Äächsten mir.

Und huldvoll würd' ich ihm verleihen
Lin Ferkelchen als Wappenthier,

In seinem Rüssel aber trüge
Das Borstenviehlein klug und lieb
Die Semmel groß und ungefüge.

Die Herr v. Schalscha uns beschrieb.

&

Der Adler — rin Fisch.

Ein japanesisches Märchen.

^or ungefähr hundert Jahren saß in Japan
ein Mikado auf dem Thron, welcher sich
mehr mit Politik beschäftigte, als man
von einem Mikado gewohnt ist. Eines Tages ließ
er seinen ersten Minister zu sich rufen und sagte zu
ihm: „Minister, Du sollst ein sicheres Mittel aus-
findig machen, das mir zeigt, welche von den vielen
Zeitungen meines Reiches es mit der Wohlfahrt
des Ganzen am besten meint."

Der Minister erschrak, denn aus derlei Er-
findungen verstand er sich viel schlechter, als auf
die Erfindung neuer Steuern. Er warf sich auf
den Bauch, küßte die Zehenspitze des Mikado und
sagte: „Erhabener Sohn der Sonne und Beherrscher
des Mondes, ich flehe Dich an, gewähre mir drei
Tage Zeit zum Nachdenken."

Der Mikado sprach: „Ministerchen, Du Verdienst
den Banibus. Wozu bist Du Minister, wenn Du
drei Tage Zeit brauchst. Ich wette, der Eseltreiber,
welcher soeben am Thore meines Palastes sein
graues Thier vorbei führt, braucht keine drei Tage
dazu. Geh, Dnmmkopf, und führ' ihn herauf."

Der Minister erhob sich, ging und brachte den
Eseltreiber.

Der Mikado sprach: „Eseltreiber, was meinst
Du, wie bring' ich heraus, welche von den vielen
Zeitungen es am besten meint mit der Wohlfahrt
meines Reiches."

Der Eseltreiber besann sich ein Weilchen und
sagte: „Großmächtiger Mikado, in drei Tagen ist
das große Jahresfest, an dem Du Dich dem ver-
sammelten Volke zeigst und eine Rede hältst. Ich
rathe Dir, daß Du in dieser Rede einen recht
großen Unsinn sagst. Die vielen Zeitungen Deines
Reiches werden, wie gewöhnlich, sich mit Deiner
gehaltenen Rede beschäftigen. Sieh' nun zu, was
sie darüber schreiben. Ich sage Dir, diejenige
Zeitung, welche den Muth hat, zu schreiben, daß
Du einen Unsinn geredet hast, fie meint es mit
der Wohlfahrt des Reiches am besten."

Der Mikado mußte über diesen Rath des Esel-
treibers lachen, daß sein Zopf die possierlichsten
Luftsprünge machte. Dann sagte er: „Eseltreiber,
Du hast mehr Verstand in Deiner Fußsohle als
mein erster Minister in seiner Hirnschale. Nimm
diesen Beutel voll Goldstücke, ziehe Deines Weges
und schweige, so lieb Dir Dein Leben ist."

Am dritten Tage nach dics^KBegebenheit hielt
der Mikado seine große Jahresfestrede vor.dem
versammelten Volke. Er zog einen Vergleich zwischen
dem Reiche Japan und dem Reich der Lüfte und
sagte dabei: „Der Adler ist der größte Fisch
unter allen Fischen." Dieses Wort machte im
Reiche Japan große Sensation und alle Zeitungen
beschäftigten sich mit demselben. In Japan, muß
man wissen, wurden damals die Zeitungen auf
Papier von verschiedenen Farben gedruckt, und
zwar hatte jede Zeitung eine besondere Farbe, nach
welcher die Zeitung auch benannt wurde. Es war
nun sehr interessant, die Kommentare der japane-
sischen Zeitungen über die Rede des Mikado zu
vergleichen.

Die Blaue Zeitung, das Organ des höchsten
japanesischen Adels, schrieb: „Wenn der Mikado
sagt, der Adler ist ein Fisch, dann ist er ein Fisch.
Basta!"

Die Gelbe Zeitung schrieb: „Wir glauben, daß
der Mikado nicht richtig verstanden worden ist. Er
wird wohl .gesagt haben, der Adler sei der größte
Vogel unter allen Vögeln. Wir erwarten eine
 
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