1179
wenn man in't Ausland will, denn muß man ooch Wat in de Tasche haben,,
un da det bei uns nich der Fall is, da bleiben wir schon lieber hier, un
hauen uns redlich im Lande mit unsern Jläubijern rum. Wir haben ja
ooch keene Ricksicht uff eenen erlauchten Namen zu nehmen oder jloobst Du
vielleicht, lieber Jacob, det det Jeschlecht derer von Naucke ooch schon so
vornehm is, det man vor die Leite, die Eenen eventuell wat pumpen, nach-
her, wenn't an't Bezahlen jehen soll, ausricken muß? Nee, so blaublutig
find wir noch nich, un uff unfern Kiez hier draußen is det ooch noch nich
Mode.-
Haste nischt Neiet aus Friedrichsruh jeheert? Ick ooch nich. Die Stille
kommt mir da 'n bisken unheimlich vor, denn et wird doch woll nich der
Fall sind, det wir von da ieberhaupt nischt mehr zu Heeren kriejen. Det
Wirde ick nämlich uff det Schmerzlichste bedauern. Denn in eene Zeit, wie
de unsrije, wo schon ieberhaupt nich ville Spaß in de Welt jemacht wird,
da kann man vor eenen Ulkmacher nich dankbar jenug sind. Darum hoffe
ick ooch, det oogenblicklich blos 'ne kleene Pause stattfindet, wo man neie
Kräfte sammelt, un det denn später det Jeschäst wieder mit unjeschwächte
Kräfte weiter fortjcsetzt wird. Wenn nu ooch in de Hamburger Nachrichten
nich ville steht, so macht et doch immer sehr ville Freide, wenn een fremder
Zeitungsschreiber bei den jroßen Einsiedler jewesen is, un man lernt denn
uff indirekten Weje seine Sorgen un Schmerzen kennen. Det er etwa wieder
nach de Willemstraße ziehen will, davon is natierlich keene Rede, aber mit
den höchsten Schmerz erfüllt et ihn doch immer wieder, so oft er blos dran
denkt, det de Welt immer noch nich aus de Fugen jejangen is. Det die
olle, dämliche Welt ooch nich mal nach den jrößten Mann aller Zeiten fragt,
is ieberhaupt schon een Zeichen von Jemeinheit, det Eenen darieber sämmt-
liche Haare zu Berje stehen kennten. Ja, wenn doch wenigstens wat passiren
mechte! Een kleener Krieg, damit unsere Paar Millionen Soldaten ooch en
bisken wat zu duhn kriegten, denn wäre vielleicht sonne schwache Aussicht,
det se den Altreichskanzler vielleicht als Krankenpstejer mitnehmen wirden.
Ra, un so'n Posten is doch ooch immer noch besser wie jar keener. Mir
duht blos leed, det ick in die Beziehung jarnischt zu sagen habe, sonst Wirde
ick den ollen Mann doch irjend eenen Posten jeden, denn et ärjert mir zu
sehr, wenn Eener durchaus arbeeten will un er find't partuh nischt zu duhn.
Unser Majistrat der hat nu alle Hitzrde mit seine Wärmehallen voll zu
duhn. Wenn De in birjerliche Zeitungen rinkiekst, lieber Jacob, denn mißtest
De denken, sonne Wärmehalle is mindestens een Hotel erster Jiete. Ick sage
Dir, die Bohnensuppe, un die Linsensuppe, un der Schusterpunsch, wie se da
den brriehmten Kaffee nennen, — nee, wenn De det liest, denn mußt Du
denken, Du sitzt mit jeborene Depotmarder in't Kaffee Bauer. Aber selbst
derfste nich hinjehen, sonst löst sich die janze Reklame jleich in alljemeinet
Wohljefallen uff. Die olle Jeheimrathskneipe von Päpke haben se ja nu
ooch zu 'ne Wärmehalle jemacht, ach — un ick bin janz melanchlötrig jeworden,
wie ick neilich da Vorbeijing. Jott, wenn De jetzt die armen Deibels, die
nischt uff un nischt in'n Leibe haben, da lang schleichen sehst, wo friehcr die
wohljesetzten un wohljenährten Spießbirjer un Jeheimräthe saßen un eene
Strippe mit 'ne jroße Weiße nach de andere verkonsumirten, denn, lieber
Jacob, kommen Dir janz kuriose Jedanken ieber den Lauf der Welt. Na,
wir können ja vorläufig nischt dran ändern, wir wollen de Welt loofen
lassen, wie se will, bis wir mal een jewichtijet Wörtken mitzusprechen haben.
Inzwischen verbleibe ick wie jewehnlich erjebenst un mit ville Jrieße Dein treier
Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Hvvellpähne.
Roth und Hunger weit und breit,
Dazu Bälle, Soire'n,
Maskcnfeste kann man sehn,
Denn es ist die Faschingszeit.
Jammer neben Ueberfluß —
Sagt, ob da der Reiche nicht
Schamerfüllt sein Angesicht
Vor der Welt verhüllen muß? .
Er verhüllt sein Antlitz auch,
Doch — von Scham ist keine Spur,
Tenn er nimmt die Maske nur,
Die bei Narrenscherzen Brauch.
* *
*
Die germanische Tugend der Gastfreundschaft wird von Nicmandcm so
energisch ausgcübt, wie von den Berliner Wachtposten. Wer auf.ihre
Einladung nicht in ihr Schilderhaus eintritt, den erschießen sie einfach.
* *
*
Ans dem Deutschen Reich hält' man gerne
Gemacht eine große Kaserne,
Doch immer mehr stellt sich heraus:
Es wird ein großes Armenhaus.
Bei den heutigen wirthschaftlichen Zuständen hat die „soziale Frage"
für denkende Menschen längst ausgehört, eine Frage zu sein.
Ob die streikenden Buchdrucker Sieger werden,
Das ließe wohl schwer sich errathen,
Doch eines werden sie ganz gewiß —
Sie werden Sozialdemokraten.
* *
*
Nachdem man in Bezug aus Bewaffnung unseres Militärs die
denkbar vollkommensten Erfindungen gemacht hat, sollten sich die
Erfinder darauf legen, auch die dazu nöthigen Hungergürtel für die
Zivilbevölkerung zu erfinden.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
es ist ein Sozialdemokrat. Ich fürchte mich nicht.
Nehmen wird er uns nichts und theilen werd ich
nicht mit ihm, wenn er nur macht seine Arbeit
gut und recht!"
Und so schickte denn Meister Streicher seinen
Gesellen Quast, nachdem die Familie Käferstein
für die Zeit des häuslichen Umsturzes auf einen
Monat eine billige Sommerwohnung bezogen hatte.
Quast fing an zu schaben und zu kratzen, zu grun-
dircn, zu streichen und zu malen in Gesellschaft einer
nicht mehr jungen Vertrauensköchin, mit welcher er
sich sehr gut vertrug.
Als aber nun die gröbste und unangenehmste
Arbeit vorüber war, da kam Frau Käferstein fast
täglich vom Lande herein, um als gute und gewissen-
hafte Hausfrau ihr Heim zu überwachen und die
Arbeit zu revidiren. Quast aber, der Anfangs
gefürchtete Sozialdemokrat, war der höflichste Mensch
von der Welt und da er die Madame öfters als
„gnädige Frau" anredete, war ihr Vorurtheil schnell
verschwunden. Eines Tages kam sie zu ihm mit
ihrem holdesten Lächeln, zeigte ihm die Puppenküche
ihrer kleinen Elsa und schmeichelte:
„Lieber Herr Maler, die kleine Küche könnten
Sie mir auch wohl ein Bischen mit anstreichen!"
„Mit Vergnügen, schöne Frau!" war die galante
Antwort.
„Schöne Frau!" echote es im Herzen Sarah-
lebens; „Gott was 'n netter Mensch! So nennt
mich ja nicht einmal mein Siegfried," und geschmeichelt
gab Frau Käferstein ihrer Köchin Marie die Ordre,
dem Herrn Maler doch jeden Morgen ein gut be-
legtes Butterbrot zum Frühstück zu geben. Ihr
Vorurtheil gegen die bösen, begehrlichen Sozial-
demokraten war bald ganz verschwunden und immer,
wenn sie kam, hatte sie für Quast eine neue kleine
Bitte, die dieser mit der größten Bereitwilligkeit
erfüllte.
Bald strich er das Schaukelpferd des kleinen
Käferstein, dann lackirtc er auf Wunsch der Gnä-
digen die Bettstelle der Köchin; Eimer und sonstiges
Geschirr erhielten ein neues, farbiges Kleid und zu
einer Puppenstube brachte Quast sogar besondere
Farben und Pinsel mit, so daß auch diese in neuer
Dekoration wie frisch aus einer Spielzeughandlinig
hervorgegangen erglänzte.
Dabei „Herr Maler" hinten und „Herr Maler"
vorn und „gnädige" und „schönste Frau" — es
war ein rührend glückliches Verhältnis; und Quast
bekam nicht nur sein Butterbrot, sondern auch ein
Glas Bier zum Frühstück und Nachmittags Kaffee,
auch manchmal eine Flasche Wein.
Als nun die Arbeit ihrem Ende nahte und
Quast sich eines Tags nach dem letzten Pinselstriche
von Frau Käferstein verabschiedete, da kam es ihm
vor, als zittere eine Thräne in den Angen der
guten Frau, die ihm gerührt die Hand drückte und
außer ihren Segenswünschen ihm zuni Andenken
an die schöne Zeit des Grundirens, Malens und
Lackirens eine Doppclkrone verehrte.
Quast ging gehoben von dem Bewußtsein,
wiederum den Beweis angetreten zu haben, daß
die Sozialdemokraten keine bösen Menschen sind.
* *
*
Der Sommer war fast vergangen. Die Familie
Käferstein hatte ihre Wohnung wieder bezogen und
die Räume glänzten, daß man sich darin spiegeln
konnte. Der kleine Max galoppirte auf seinem neu
lackirten Schaukelpferde; die kleine Elsa Käferstein
erfreute sich ihrer restaurirten Puppenstube, die
Eimer prangten wie neu in der Küche und die alte
Köchin schlief den Schlaf der Gerechten in ihrer
ncugestrichenen Bettstelle. Frau Käferstein war
stolz, daß sie Alles so fein diplomatisch eingerichtet
hatte und lobte in ihrem Herzen den braven Maler-
gesellen Quast, der in allen Dingen so zuvorkommend
und gefällig gewesen war.
Da erschien eines Tages der Jnnungsmeister
Streicher im Kabinet des Herrn Käferstein mit
seiner Rechnung für die Wohnungsmalerei; nach-
dem dieselbe unter Klagen über den großen Be-
trag und die schlechten Zeiten beglichen war,
zeigte Käferstein sich nicht wenig erstaunt, als
der biedere Malermeister noch eine zweite Rechnung
zuin Vorschein brachte und in derselben zu lesen
stand:
„Eine Bettstelle, einen Küchenschrank, ein Schaukel-
pferd, eine Puppenküche, ein Paar Eimer u. s. w.
u. s. w. neu lackirt und gestrichen Summa Sum-
marum: 53 Mark 50 Pfennige."
„Aber lieber Herr Meister, dazu habe ich Ihnen
doch gar keinen Auftrag gegeben," rief Herr Käfer-
stein entrüstet.
„Sie zwar nicht, aber die gnädige Frau, und
ich muß Sie freundlichst bitten, die Kleinigkeit zu
bezahlen."
„Sarahleben!" kreischte jetzt die Stimme Käfer-
stein's durch die neudekorirte Wohnung, „Sarah-
leben, tvas hast Du gemacht?" Und damit hielt
er der erschrocken herbeieilenden Gattin die Rechnung
vor die Augen.
„Nu, was ist, Käferstein?" sagte die schnell ge-
faßte Frau, die immer noch mit Vergnügen an den
höflichen und gefälligen Quast dachte, „was machst
Du für ein Geschrei wegen der Lumperei! Nobel
miisscn wir sein, also zahle!"
Und Käferstein zahlte, voll Ingrimm über die
Dekorirungswuth seiner Frau, über den Jnnungs-
meister und den sozialdemokratischen Malergesellen;
es kam ihm sogar vor, als sei er bei dieser Ge-
legenheit selbst lackirt worden.
wenn man in't Ausland will, denn muß man ooch Wat in de Tasche haben,,
un da det bei uns nich der Fall is, da bleiben wir schon lieber hier, un
hauen uns redlich im Lande mit unsern Jläubijern rum. Wir haben ja
ooch keene Ricksicht uff eenen erlauchten Namen zu nehmen oder jloobst Du
vielleicht, lieber Jacob, det det Jeschlecht derer von Naucke ooch schon so
vornehm is, det man vor die Leite, die Eenen eventuell wat pumpen, nach-
her, wenn't an't Bezahlen jehen soll, ausricken muß? Nee, so blaublutig
find wir noch nich, un uff unfern Kiez hier draußen is det ooch noch nich
Mode.-
Haste nischt Neiet aus Friedrichsruh jeheert? Ick ooch nich. Die Stille
kommt mir da 'n bisken unheimlich vor, denn et wird doch woll nich der
Fall sind, det wir von da ieberhaupt nischt mehr zu Heeren kriejen. Det
Wirde ick nämlich uff det Schmerzlichste bedauern. Denn in eene Zeit, wie
de unsrije, wo schon ieberhaupt nich ville Spaß in de Welt jemacht wird,
da kann man vor eenen Ulkmacher nich dankbar jenug sind. Darum hoffe
ick ooch, det oogenblicklich blos 'ne kleene Pause stattfindet, wo man neie
Kräfte sammelt, un det denn später det Jeschäst wieder mit unjeschwächte
Kräfte weiter fortjcsetzt wird. Wenn nu ooch in de Hamburger Nachrichten
nich ville steht, so macht et doch immer sehr ville Freide, wenn een fremder
Zeitungsschreiber bei den jroßen Einsiedler jewesen is, un man lernt denn
uff indirekten Weje seine Sorgen un Schmerzen kennen. Det er etwa wieder
nach de Willemstraße ziehen will, davon is natierlich keene Rede, aber mit
den höchsten Schmerz erfüllt et ihn doch immer wieder, so oft er blos dran
denkt, det de Welt immer noch nich aus de Fugen jejangen is. Det die
olle, dämliche Welt ooch nich mal nach den jrößten Mann aller Zeiten fragt,
is ieberhaupt schon een Zeichen von Jemeinheit, det Eenen darieber sämmt-
liche Haare zu Berje stehen kennten. Ja, wenn doch wenigstens wat passiren
mechte! Een kleener Krieg, damit unsere Paar Millionen Soldaten ooch en
bisken wat zu duhn kriegten, denn wäre vielleicht sonne schwache Aussicht,
det se den Altreichskanzler vielleicht als Krankenpstejer mitnehmen wirden.
Ra, un so'n Posten is doch ooch immer noch besser wie jar keener. Mir
duht blos leed, det ick in die Beziehung jarnischt zu sagen habe, sonst Wirde
ick den ollen Mann doch irjend eenen Posten jeden, denn et ärjert mir zu
sehr, wenn Eener durchaus arbeeten will un er find't partuh nischt zu duhn.
Unser Majistrat der hat nu alle Hitzrde mit seine Wärmehallen voll zu
duhn. Wenn De in birjerliche Zeitungen rinkiekst, lieber Jacob, denn mißtest
De denken, sonne Wärmehalle is mindestens een Hotel erster Jiete. Ick sage
Dir, die Bohnensuppe, un die Linsensuppe, un der Schusterpunsch, wie se da
den brriehmten Kaffee nennen, — nee, wenn De det liest, denn mußt Du
denken, Du sitzt mit jeborene Depotmarder in't Kaffee Bauer. Aber selbst
derfste nich hinjehen, sonst löst sich die janze Reklame jleich in alljemeinet
Wohljefallen uff. Die olle Jeheimrathskneipe von Päpke haben se ja nu
ooch zu 'ne Wärmehalle jemacht, ach — un ick bin janz melanchlötrig jeworden,
wie ick neilich da Vorbeijing. Jott, wenn De jetzt die armen Deibels, die
nischt uff un nischt in'n Leibe haben, da lang schleichen sehst, wo friehcr die
wohljesetzten un wohljenährten Spießbirjer un Jeheimräthe saßen un eene
Strippe mit 'ne jroße Weiße nach de andere verkonsumirten, denn, lieber
Jacob, kommen Dir janz kuriose Jedanken ieber den Lauf der Welt. Na,
wir können ja vorläufig nischt dran ändern, wir wollen de Welt loofen
lassen, wie se will, bis wir mal een jewichtijet Wörtken mitzusprechen haben.
Inzwischen verbleibe ick wie jewehnlich erjebenst un mit ville Jrieße Dein treier
Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Hvvellpähne.
Roth und Hunger weit und breit,
Dazu Bälle, Soire'n,
Maskcnfeste kann man sehn,
Denn es ist die Faschingszeit.
Jammer neben Ueberfluß —
Sagt, ob da der Reiche nicht
Schamerfüllt sein Angesicht
Vor der Welt verhüllen muß? .
Er verhüllt sein Antlitz auch,
Doch — von Scham ist keine Spur,
Tenn er nimmt die Maske nur,
Die bei Narrenscherzen Brauch.
* *
*
Die germanische Tugend der Gastfreundschaft wird von Nicmandcm so
energisch ausgcübt, wie von den Berliner Wachtposten. Wer auf.ihre
Einladung nicht in ihr Schilderhaus eintritt, den erschießen sie einfach.
* *
*
Ans dem Deutschen Reich hält' man gerne
Gemacht eine große Kaserne,
Doch immer mehr stellt sich heraus:
Es wird ein großes Armenhaus.
Bei den heutigen wirthschaftlichen Zuständen hat die „soziale Frage"
für denkende Menschen längst ausgehört, eine Frage zu sein.
Ob die streikenden Buchdrucker Sieger werden,
Das ließe wohl schwer sich errathen,
Doch eines werden sie ganz gewiß —
Sie werden Sozialdemokraten.
* *
*
Nachdem man in Bezug aus Bewaffnung unseres Militärs die
denkbar vollkommensten Erfindungen gemacht hat, sollten sich die
Erfinder darauf legen, auch die dazu nöthigen Hungergürtel für die
Zivilbevölkerung zu erfinden.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.
es ist ein Sozialdemokrat. Ich fürchte mich nicht.
Nehmen wird er uns nichts und theilen werd ich
nicht mit ihm, wenn er nur macht seine Arbeit
gut und recht!"
Und so schickte denn Meister Streicher seinen
Gesellen Quast, nachdem die Familie Käferstein
für die Zeit des häuslichen Umsturzes auf einen
Monat eine billige Sommerwohnung bezogen hatte.
Quast fing an zu schaben und zu kratzen, zu grun-
dircn, zu streichen und zu malen in Gesellschaft einer
nicht mehr jungen Vertrauensköchin, mit welcher er
sich sehr gut vertrug.
Als aber nun die gröbste und unangenehmste
Arbeit vorüber war, da kam Frau Käferstein fast
täglich vom Lande herein, um als gute und gewissen-
hafte Hausfrau ihr Heim zu überwachen und die
Arbeit zu revidiren. Quast aber, der Anfangs
gefürchtete Sozialdemokrat, war der höflichste Mensch
von der Welt und da er die Madame öfters als
„gnädige Frau" anredete, war ihr Vorurtheil schnell
verschwunden. Eines Tages kam sie zu ihm mit
ihrem holdesten Lächeln, zeigte ihm die Puppenküche
ihrer kleinen Elsa und schmeichelte:
„Lieber Herr Maler, die kleine Küche könnten
Sie mir auch wohl ein Bischen mit anstreichen!"
„Mit Vergnügen, schöne Frau!" war die galante
Antwort.
„Schöne Frau!" echote es im Herzen Sarah-
lebens; „Gott was 'n netter Mensch! So nennt
mich ja nicht einmal mein Siegfried," und geschmeichelt
gab Frau Käferstein ihrer Köchin Marie die Ordre,
dem Herrn Maler doch jeden Morgen ein gut be-
legtes Butterbrot zum Frühstück zu geben. Ihr
Vorurtheil gegen die bösen, begehrlichen Sozial-
demokraten war bald ganz verschwunden und immer,
wenn sie kam, hatte sie für Quast eine neue kleine
Bitte, die dieser mit der größten Bereitwilligkeit
erfüllte.
Bald strich er das Schaukelpferd des kleinen
Käferstein, dann lackirtc er auf Wunsch der Gnä-
digen die Bettstelle der Köchin; Eimer und sonstiges
Geschirr erhielten ein neues, farbiges Kleid und zu
einer Puppenstube brachte Quast sogar besondere
Farben und Pinsel mit, so daß auch diese in neuer
Dekoration wie frisch aus einer Spielzeughandlinig
hervorgegangen erglänzte.
Dabei „Herr Maler" hinten und „Herr Maler"
vorn und „gnädige" und „schönste Frau" — es
war ein rührend glückliches Verhältnis; und Quast
bekam nicht nur sein Butterbrot, sondern auch ein
Glas Bier zum Frühstück und Nachmittags Kaffee,
auch manchmal eine Flasche Wein.
Als nun die Arbeit ihrem Ende nahte und
Quast sich eines Tags nach dem letzten Pinselstriche
von Frau Käferstein verabschiedete, da kam es ihm
vor, als zittere eine Thräne in den Angen der
guten Frau, die ihm gerührt die Hand drückte und
außer ihren Segenswünschen ihm zuni Andenken
an die schöne Zeit des Grundirens, Malens und
Lackirens eine Doppclkrone verehrte.
Quast ging gehoben von dem Bewußtsein,
wiederum den Beweis angetreten zu haben, daß
die Sozialdemokraten keine bösen Menschen sind.
* *
*
Der Sommer war fast vergangen. Die Familie
Käferstein hatte ihre Wohnung wieder bezogen und
die Räume glänzten, daß man sich darin spiegeln
konnte. Der kleine Max galoppirte auf seinem neu
lackirten Schaukelpferde; die kleine Elsa Käferstein
erfreute sich ihrer restaurirten Puppenstube, die
Eimer prangten wie neu in der Küche und die alte
Köchin schlief den Schlaf der Gerechten in ihrer
ncugestrichenen Bettstelle. Frau Käferstein war
stolz, daß sie Alles so fein diplomatisch eingerichtet
hatte und lobte in ihrem Herzen den braven Maler-
gesellen Quast, der in allen Dingen so zuvorkommend
und gefällig gewesen war.
Da erschien eines Tages der Jnnungsmeister
Streicher im Kabinet des Herrn Käferstein mit
seiner Rechnung für die Wohnungsmalerei; nach-
dem dieselbe unter Klagen über den großen Be-
trag und die schlechten Zeiten beglichen war,
zeigte Käferstein sich nicht wenig erstaunt, als
der biedere Malermeister noch eine zweite Rechnung
zuin Vorschein brachte und in derselben zu lesen
stand:
„Eine Bettstelle, einen Küchenschrank, ein Schaukel-
pferd, eine Puppenküche, ein Paar Eimer u. s. w.
u. s. w. neu lackirt und gestrichen Summa Sum-
marum: 53 Mark 50 Pfennige."
„Aber lieber Herr Meister, dazu habe ich Ihnen
doch gar keinen Auftrag gegeben," rief Herr Käfer-
stein entrüstet.
„Sie zwar nicht, aber die gnädige Frau, und
ich muß Sie freundlichst bitten, die Kleinigkeit zu
bezahlen."
„Sarahleben!" kreischte jetzt die Stimme Käfer-
stein's durch die neudekorirte Wohnung, „Sarah-
leben, tvas hast Du gemacht?" Und damit hielt
er der erschrocken herbeieilenden Gattin die Rechnung
vor die Augen.
„Nu, was ist, Käferstein?" sagte die schnell ge-
faßte Frau, die immer noch mit Vergnügen an den
höflichen und gefälligen Quast dachte, „was machst
Du für ein Geschrei wegen der Lumperei! Nobel
miisscn wir sein, also zahle!"
Und Käferstein zahlte, voll Ingrimm über die
Dekorirungswuth seiner Frau, über den Jnnungs-
meister und den sozialdemokratischen Malergesellen;
es kam ihm sogar vor, als sei er bei dieser Ge-
legenheit selbst lackirt worden.