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1242

Der Tapferste. ™>...

saßen drei alle Krieger

&& §3erlrauliD zusammen beim Vier.
Der Line trug Bänder und Ärden,
Der blutigen Tapferkeit Zier.

DerZweite spraD: „ZDurerer woZt ward uns.
Was ZeMundseDzig gesZaZ —

ZI gab' deuWe Brüder erWossen
Im Walde vonZadowa."

Denn als miJ gesZimpfl und gesDlagen
Im Dienste der Zerr Korporal,

Da Hab' G BesZwerde ergriffen.
RiSt fürDtend der RaFe Zlragl."

„IDZaße," so spraD er. ..dreiTastnen
Lrßeutel bei Neß in der ZDlaFt.
Und Zaß' einen seindliFen Äderst
Im Kampf zum Kefang'nen gemaSt."

Den Dritten noD zierte kein Orden,
Lr war noD ein junges Blut,

DoF rief er: „Igr Kameraden.

KuD iD gab Won Proben von Wntlf.

Da reiDten die alten Krieger
Dem jungen die Künde gcrüßrt,

-Und spraZen: ..öUrr dir. duLerwcg'ner.
Die Palme des NutZes gebiigrtl"

Siehst? woll, oller Junge, Du sagst immer, bet wird nischt, aber mein
Jrundsatz is: Immer warm anjezogen, kalt Blut behalten un Kopp hoch

— denn wird die Sache wall schon janz von alleene schief jehen. Nun sind
wir schon beinahe niitten drin in de. Rosenzeit, sehste, so in die Tempratur,
wo ick mir am molligsten stehle. Herrjehses nee, wat is bet jetzt 'ne an-
jcnehme Jahreszeit! Kommste irjendwo det Sonntags rans, da heerste
ieberall de Kejelkngeln rumpeln, un de Kejeljnngens die drillen: Bataillon,
Jrenadier — damit De man ooch jarnich verjeßt, det De in eenen Militär-
staat lebst. Un nfs de Kejelbahnen da schieben de Leite in Hemdsärmeln,
als ob se't bezahlt kriejen, »n mancher olle dicke Philister der schwenningert
sich hier an eenen Sonntag Nachmittag det bisken Kummerspeck ab, wat er
sich im Laufe der Woche so langsam ranjefuttert hat.

Na, un denn die Landparthien! Jacob, de Umjejend von Berlin

— det reene Sießholz mit Sahne, der Jrunewald — schade blos, det rechts
um de Ecke un links um de Ecke, un ieberall, wo De hinsehst, Holzauktion
is. Aber die Natur, ick meenc, wat so die richtije Jejend is — Mensch,
Du hast ja keene Ahnung von Flaumen mit Klecße. Wie de janze Jejend
hier herrlich nach Stoob un Stullenpapier riecht, un wenn De Dir so mit
aller Jewalt in det schwellende Moos rinschmeißen willst, denn liegst De
mit Eenmal mit det Kreiz uff 'ne zerbrochene Flasche, det De man — wat
haste, wat kannste — nach de erste beste Sanitätswachc jaloppiren mußt.

Un denn 'ne Kremserparthie, mitten rin in'n Jrunewald, wo er am
dicksten iS. Herrejott, was haste da for Aussichtspunkte! Ick sage Dir,
wenn nischt dazwischen läje, kenntest De bis Stuttjart sehen; mit'n Finger
kannste iebrijens ieberall hinzeijen, wo De blos hinwsllst, ick jloobe sojar
bis nach Australien.

Na, neilich haben wir dies Jahr de erste Landparthie jemacht. Aber
feste — mein Freind Knietschmeier mit die schiefen Beene un seine Olle,
Fritze Bullerkopp mit seine Braut un zukinftije Schwiejermutter, un noch
so'n janzer Bau jemiethliche Qualmtuten mit ihre Jöhrcn, die so merschten-
deehls schon in heirathsfähigen Alter verkehrten. Na, ick kann Dir sagen,
Jacob, det war een Jezwitscher un Jepiepse in unfern Kremser, als ob
De an 'ne Bogelhandlung vorbeijehst, un wie wir nu raus waren aus
Berlin, da jing nu det richtige Jesiuge los. Na, ick bin doch nu een liebe-
voller Mensch, un freß jewiß keene Stiebelwichse, aber neben meinen Freind
Knietschmeier so'n Sticker zweeunnehalbe Stunde sitzen, wenn der det Singen
hat, weeßte, Jacob, ick habe ja jarnich jewußt, det et überhaupt soville
falsche Töne uff de Welt jiebt, wie Der in die kurze Zeit produziren kann.
Hätten nich die beeden Achtel Bier unter den Wagen jebammelt un hätten
nich aus die verschiedenen Freßkober die verheißungsvollsten Pullen raus-
jekiekt, lieber Jacob, jloobe man jarnich, det mir die beeden ollen, lang-
ohrigen Zossen, die vor unseren Kremser waren, nach'n Jrunewald jekriegt
hätten.

Aber neben det Verjniejen habe ick ooch Erfahrungen jesammelt ohne
et zu wissen, un doch habe ick mein Jutes davon jehabt. Det is Dir doch
klar wie Torf, lieber Jacob? Ick meene det zum Beispiel mit Knietschmeiern
seinen siebenjährijen Bengel. Ick höre plötzlich in den Kremser een Jeheul,
det ick denke, die Mauern von Jericho sollen noch mal umjebrillt werden.
Wat erblicken meine Oogen? Der Junge is von den Sitz runterjesprungen
un is ooch richtig in Muttern ihre Futterkistc rinjerathen un steht nu bis
an de Kniekehlen in weichjekochte Eier. Na, den Spaß kannste Dir vor-
stellen. Vor mir hatte er det Jute, det Knietschmeier senior wenigstens
mit seinen Jesang uffhörte, wojejen wir allerdings det Jebrill von Knietsch-
meier junior iujetauscht hatten.

Der perfekte Staatsmann

oder:

Dir Kunst, in drei Zkundcn Minister zu werden.

Lin Bruchstück

aus den Papieren eines Wohlbekannten.

Vorwort.

Wer möchte nicht gern? Jeder. Auch du, lieber
Leser, thätest es, wenn du könntest. Für die oberen
Zehntausend schreibe ich natürlich. Also auch du
stündest gerne vor dem Spiegel, das mehr oder
weniger schöugeformte Bein in den Wadelstrumpf
gezwängt und übtest den feierlichen Doppelschritt
des Fackeltanzes. Jeder Deutsche, der mit einem
güldenen Lössel im Munde das Licht der großen
Welt erblickt hat, trägt das Ministerportefeuille
bereits in der ersten ahnungsvoll-feuchten Windel.
Du, auch du, möchtest Minister werden. Darum
schrieb ich dies- Merkchen. Es soll dir ein Führer
sein durch die Jrrsale des Parkets: nicht mehr sollst
du au den herkulischen Scheidewegen zaudern, wie
du zu gehen hast. Folge mir! Wenn du diesen
Leitfaden sorgsam durchgearbeitct hast, bist du ein
Meister der Kunst, die ich lehre. Mein Motto ist:

„Minister werden ist nicht schwer,

Minister sein desto mehr." —

In der Residenz des Kanonenlandes,
in diesem Jahr.

Erste Lektion.

Die weise Voraussicht und das schöpferische Genie,
die uns zu den Herren der im Staub dahinkriechen-

den Plebejer machen, offenbaren sich bereits in der
klug-sinnigen Auswahl unserer Eltern. Unsere Geburt
ist kein blinder Zufall, wir wissen was wir wollen.
Mag der Vater sein, wer er mag, der Papa ist stets
ein Auserwählter, gesegnet mit Glücksgütern, sei
es, daß er östlich der Elbe als Ochseugraf Fidei-
kommisse, Schnapsbrennereien und anderes Gute
stiftet und die geschenkten Stempelsteuergebühren für
das heilsame Geschäft des Bauernlegens verwendet,
sei es, daß er städtischer Patrizier, als Bankier, als
Fabrikant, als Handelsherr die Kastanien verzehrt,
die Andre für ihn aus dem Feuer holen. Regel 1
lautet also: Werde Hochwohl geboren!

Hast du diese erste verdienstvolle That vollbracht,
so durchlaufe die Karriere des Säuglings mit der
aumuthigen Würde, die allein den Edelsten und
Besten und den Bürgern von Bildung und Besitz
eignet! Mit souveräner Verachtung läßt du dich
herab, dem Weib aus dem Volke, das dir zur Amme
bestellt ist, die guten Säfte auszusaugen, die jenes
ihrem Kinde entziehen muß. So übst du schon in
zarter Jugend jene Tugend, in der du später glänzen
wirst, auf Kosten Anderer zu leben.

Von der Nabelschnur zur Gängelschnur, vom
seidenen Tragkleid zum Sammtkittelchen bleibst du
stets derselbe. Wenn dir der Hemdenzipsel zum
Hosenschlitz herauslugt, du bist sicher, daß schon sein
malerischer Faltenwurf dich von dem in geflickte
Röckchen gehüllten Pöbelvolk scharf unterscheidet,
das vor dem Gitter des für dich und deine Kameraden
reservirteu Spielplatzes in anmuthlosem Gewimmel
sich balgt. Und der Kenner wird, Thränen der
Rührung im Auge, den künftigen Löwen an der
Klaue erkennen, wenil du mit unnachahmlicher Grazie
die spitze, aristokratische Zunge gegen den Arbeiter-

jungen herausstreckst, der sich die Nase an dem
Stachelzaun wund drückt. Merke als Regel 2: Sei
deiner Herrenstellung stets bewußt!

Zweite Lektion.

Die zarte Knospe fängt zu blühen an, der Lehr-
zeit zweiter Abschnitt ist nun gekommen. Nicht
mehr stichst du die dienende Magd, die als Bonne
dich in den Park führt, dich umgiebt vom Morgen
bis zum Abend, auf daß deine Mama die heiligen
Pflichten ihres Berufs erfülle, Toilette zu machen,
Visiten zu machen, Konversation zu machen, Juwe-
liersschulden zu machen, nicht mehr, sage ich, stichst
du die Bonne heimlich mit Nadeln oder zwickst sie
und raufst ihr die Haare aus. Du quälst fortan
Gouvernanten und zeigst durch die Energie deines
Auftretens, die Zartheit deines Benehmens, daß
sie ein Miethling ist, die zum Dienen erkauft. Der
Hauslehrer erzittere vor dir und krieche, ein Sklave
deiner Launen! So reifst du zum „höheren Schüler"
heran. Auf dem Präsentirteller wird dir das Wissen
servirt, du lernst und strebst. Zwei Wege stehen
dir offen. Die Laufbahn, die vom Gymnasium zur
Hochschule führt, beschreite, wenn es dich nicht an-
ekelt, den strengen Studieugang im Staub der Schule
durchzumachen. Oder du bildest dich bis zu den
ragenden Höhen des Quartanerthums und springst
nnt kühnem Satz in die Untiefen der Kadettenanstalt.
Jedenfalls versäume den Turnunterricht nicht! Zwei
Uebungen führe unablässig aus, die Rücken- und die
Kniebeuge! Glaube mir, du brauchst sie.

Gescheitere Mitschüler wirst du hassen, aber du
wirst sie mit jener feinen Strategie, die großen
Naturen eigen ist, geschickt für dich ausnützen, mit
ihren Federn dich schmücken, sie in den Hintergrund
 
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