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1274

^ Weltausstellung in Chicago, --ch-

s rüsten viele Monde lang
Die Lande alle sich aufs Beste,
Vorn Aufgang bis zürn Niedergang
Zürn großen Arbeits-Friedensfeste,

Und Gallia wägt, Britannia sinnt,
wie sie vermeidet Spott und Schaden,
wie sie den Kreis irn Streit gewinnt,
Zu denr die Uirion geladen.

So gut sie kann, so gut sie weiß.

Strebt Jede, daß vereint inan sehe,
was sie erzeugt rnit Rnnst und Fleiß,
Auf daß rnit Ehren sie bestehe.

Nur Line seh' ich lächelnd stehn,

Nur Line seh' dern Krüfungsta^e
Entgegen sorgenlos ich gehn,

Gewiß, daß sie die Andern schlage;

Nur Line tritt vor das Gericht,

Das Schande so vergiebt, wie Ehre,

Mit unbekürnrnertern Gesicht —

Ls ist Germania, die hehre.

Als habe Siegel sie und Brief,

So deutlich steht in ihren Blicken:

„wie ginge mir die Sache schief?
wer will mir was am Zeuge flicken?

wo brennt so hoch und klar ein Licht?
wo mühn sich so die Arbeitsbienen?
Bin ich im Schwesterreigen nicht
Die Erste, der sie Alle dienen?"

Nur feige Scheelsucht murmelt leis,

Daß sich zu früh die Stolze brüstet —
Tritt sie in ihrer Schwestern Ureis
Nicht — schwer gepanzert und gerüstet?
Und darf sie prahlen nicht mit Recht,
wie leicht sich diese Rüstung trage,

Und wie der Deutsche brav und echt
Verstohlen kaum zu seufzen wage?

Im wettlauf in der Rennbahn Sand
Ist so voraus sie viele Meter,

Und dann — sie führt an jeder bjand
Den reizendsten der Struwelpeter.

Und weise ist es sicherlich,

Die beiden Bürschchen festzuhalten —
Lin leuchtendes Juwel an sich
Ist jede dieser Krachtgestalten.

Der Beiden Werth wird fern und nah
Mit tiefem Staunen auch ermessen —
Es kann, wer sie mit Augen sah,

Sie lebenslang nicht mehr vergessen.

Der Line stellt sich finster dar,

Die breite Brust besät mit Gröen,

Lr, der zuvor ein Ranzler war
Und jetzt ein Raisonneur geworden!

Lr kommt gewiß bei guter Zeit
Bis an den Ljals noch in die Tinten.
Der Andre, der so schrecklich schreit,

Ist Ahlwardt mit den „Iudenflinten";
Auch er ein Junge rar und fein
And zweifelsohne ausgetragen —

Und schwerer als ein Rieselstein
Liegt mancher „Spitze" er im Magen!
Sie trägt sodann mit frommer Lust
Sin Rind, an dem ihr Blick sich weidet,
Stolzzärtlich an der Mutterbrust —

Lin Rind, als Grenadier gekleidet.

Auf Adlerschwingen echten Ruhms
Zog jüngst sein Name in die weite —
Die Zierde des Soldatenthums
Ist sicher es: Lück, der Gefreite!

Ja, Deutschland schnitzt aus gutem Holz
Und künstlerisch sind die Gedanken —
So fordert, selbstbewußt und stolz
Es sein Jahrhundert in die Schranken!

Berlin, Anfang Jnli.

Lieber Jacob!

Wenn ooch nu woll de Hitze so ziemlich am dollsten is, so soll der
Mensch sich in Jeduld fassen, hibsch stille sitzen un seine cenzije Beschäftijuug
soll in Schwitzen bestehen. Un weil er denn von Außen soville Flissigkeit
verliert, soll er von Innen immer feste nachjießen, möglichst kiehl, wie Jöthe
sagt, bis an't Herze ran, bannt er nischt von sein Jewicht iubießt. Aber
Flaumen un sowat soll er nid) zwischen bet Weißbier jcuießen, indem bet
manchmal recht dämliche Foljcn hat, un ooch immer fein säuberlich de Steene
ausspucken, indem der Mensch keene Henne is, die immer Alles mangenander
srcßt. Immer Alles hibsch apart, wie der Mann sagte, den seine Frau
immer de Haare in de Bouletteu rinmengelirte, — immer Alles apart:
Haare apart un Bouletten voll) apart.

Doch ick misch mir hier in Jeschichten rin, die mir jarnischt anjehen.
Aber wat ick sagen wollte — den konservativen Parteitag in Dresden hast
Du doch nich etwa besucht? Ick bin lieber hier jeblieben, weil ick mit ziem-
licher Sicherheit annehme, bet se mir da eklich rausjeschmissen hätten. Denke

dir blos, Hoffrath Ackermann hat den janzcn Klimbim eröffnet. Warum se mir
blos noch nich zum Hofsrath jemacht haben, bet mochte ick wissen. Ick jloobe, bet
ick immer noch 'ne respektable Persönlichkeit bin, un meine Waschfrau hat früher
schar vor eenen Major außer Dienst jewaschen, se hat bet Jeschäft aber uff»
jesteckt, indem der immer zuville weiße Westen jebrauchte un immer det Wasch-
jeld sck)uldig blieb. Also an Protektion un Konnexion wirdc et mir nich fehlen.

Na, den Antisemitismus hätten je nu de Konservativen jlicktich rin.
Ick weeß blos »ich, warum se sick) solange jeziert haben? Koos blos bei
keenen Juden wat, lieber Jacob, lass' Dir lieber von de Christen beseibeln,
det is ville sicherer un Du kommst dadurch in juten Jeruch. Heitzudage
muß sich der Mensch vorsehen, det er immer mit'n Nicken jejen de Wand
kommt, un der Anschluß au de konservative Partei is ieberhaupt det Eenzigste,
tvat uns noch retten kann. Also ick bin vor de Antisemiten un Konser-
vativen un vor Ackermann un vor Stöckern, die schieben de Karre nämlich
rin in'n Dreck, un mir kricjen se denn nachher nich raus, denn haben wir
Alle Arbeet un massenhaft zu duhn, un so wird de Welt jlicklich. Ick lese
jetzt blos noch det „Volk" von Stöckern — ick kann Dir sagen, Jacob,. een

Gin „guter Freund."

Ihnt der alte Bismarck kund
Die bundesbrüderlichsten Triebe.

Üiit Oesterreich ein fester Bund
war seines Lebens einz'ge Liebe.

Lr hat's gesagt, wie er in Wien
Als Schwiegervater eingezogen.

Philister froh umdrängten ihn.

Der Alte hat ja nie gelogen.

Ls ist die reine Liebe ja
In Lchlcswig-tzolstein schon gewesen —
Zu Kampfgenossen hat er da
Die Vesterreicher sich erlesen.

Bis man den großen Lieg gewann,
war ihm die Bnndestreue heilig.

Die Beute ungenirt sodann
Steckt' er in Preußens Tasche eilig.

Und wieder trieb die Liebe ihn,

Lein Oesterreich ans Herz zü schließen —
Bei Aöniggrätz und bei Kitschin,

Da ließ er es zusammenschießen.

Das ist ein freund! Die Lust erfüll'

Zu seinem Ruhm das Juhiliren!

Lr Hais verdient, daß mit Vebrllll
Antisemiten ihn fetiren!

Der Zchalj und der Leusel.

Line morgenländische Zage.

X«A?s war einmal ein König im Parsenlande,
isHjr der galt für sehr mächtig, lind er selbst
glaubte, er wäre Herr über alle Menschen
und Dinge im Bereiche feines Szepters. Seine
Höflinge wiederholten ihm Tag für Tag, er sei
der edelste, beste, größte Fürst, und sie huldigten
dem Schah, warfen sich vor ihm auf die Erde und
küßten den Saum seines Gewandes. Stündlich
wuchs der Stolz des Herrschers, er bäuchte sich
allmächtig, und die Schätze seines königlichen Säckels
zerstoben für die prunkvollen Feste und Fahrten,
für köstliche Kleinodien und Teppiche, für Schmuck
und für ragende Schlösser.

Siche, sprach er an einem linden Frühlings-
abend zu seinem Großvezier, als er auf dem' platten
Dache seines Palastes saß und die finfettbe Sonne
die schlanken Pfeiler und die sanftgewölbten Kuppeln
der Moscheen, die hängenden Gärten und marmornen
-Säulen der Residenz mit einem goldenen Lichtmeer
überfluthete, dies Alles ist mein, imb diese wimmelnde,
drängende, regsame Menge zu meinen Füßen, mir
ist sie unterthan. Bin ich nicht mächtiger, als jener
Nebukadnezar, von dem die alten Pergamente er-
zählen? Ich fasse es nicht, daß dieser erhabene
Regent der Assyrer eine Zeitlang geglaubt hat, er
sei ein Ock)se, und auf den Wiesen gegrast hat, als
wäre er-wirklich ein wiederkäuender Vierfüßler und
trüge zwei Hörner statt einer Krone.

Sonne meines Lebens, Mittelpunkt der Welt,
König der Könige, entgegnen der Großvezier, ein
gekrönter Ochse ist eine naturgeschichtliche Unmöglich-
keit, ein gehörnter Gekrönter ein Majestätsverbrechen.
Es giebt königliche Diener, königliche Wagen, könig-

liche Geliebte: auf deinen Gütern sind königliche
Verwalter, und ans deinen Weiden äst das könig-
liche Rindvieh, llnb er verneigte sich dreimal mit
gekreuzten Armen. Darob freute sich der Schah
und trank die dritte Flasche funkelnden Weines,
der. in den lieblichen Gelände» von Schiras ge?
>vachsen war. Der Vezier ging, der Fürst blieb
allein und dachte an Nebukadnezar.

Deriveilen war der Teufel auf einer Lustrcise
-durch die Welt in das Parsenland gekommen, und
weil es ihn gelüstete, den Herrn des Reichs von
Angesicht zu Angesicht zu schauen, wandelte er
sich in einen Mollah, einen Priester, dem der graue
Bart bis auf die Brust wallte und stand urplötzlich
vor dem sinnenden König.' Ich weiß, sprach Satanas,
was du sinnst, und ich komme dir die Wahrheit zu
künden. Lange weilte ich in der Einsamkeit grausiger
Schluchten, wo die wilden Thierc der Wälder ihr
Obdach suchen, wo die Magier ihre geheime Weis-
heit still-verborgen hegen, die der Schlüssel zu allen
Thaten und Wünschen, zu den Gedanken und Er-
eignissen liefert, welche die Vergangenheit ausdeutet,
das Seiende begreifen lehrt, das Kommende voraus-
sagt. Viele Jahre habe ich büßend, fasteird, betend
bei den Meistern geweilt, und spät erst ward ich
ein Eingeweihter. Zu dir, erhabener Schah, bin
ich gepilgert, daß du aus dem Bronnen der Er-
kenntniß schöpfest und stehest das was ist. Erst
zürnte der König, aber die Neugier siegte über den
Zorn, und er erwiderte: Zeige was du kannst!
Bist du ein trügerischer Gaukler, beim Blute meiner
Ahnen, ich lasse dich von vier wilden Pferden in
Stücke reißen. Bist du aber höheren Wissens kündig,
so will ich dich ehren, wie Keinen zuvor.

Der Teufel lächelte sein, ließ den Mantel noch
etwas tiefer auf die linke Seite gleiten und zog
 
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