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faul und nicht sparsam genug; so ist's ohne Trug. Die Fetten, ja
siehe, die schaffen halt kräftig; drum sind sie vollsäftig. Laß die Dürren
sich mühen und kärglicher leben; das wird sie erheben. Und Wohl-
stand wird kommen, den dicken Bauch, den kriegen's dann auch."
Und der Bauer wurde noch wüthender. Und er sah die wenigen
fetten Tauben an und dann wieder die vielen mageren. Und er be-
griff, daß die ersteren gewiß nicht vom vielen Arbeiten fett geworden,
während die anderen trotz ihres Fleißes mager blieben. Und abermals
ergriff er den Dreschflegel und trieb die weisen Männer zur Thüre
hinaus.
Und sogleich ging er nun nach dem Taubenschlag. Er wollte
einmal selber zusehen, was denn da eigentlich los sei.
Und als er, leise herantretend, in den Taubenschlag hineinsah —
ei welch' wunderbares Bild bot sich da seinen Augen dar!
Da war in der Mitte des weiten Raumes ein Berg, bestehend
aus Getreidekörnern, und oben saßen die fetten Tauben, und Alles,
was sie thaten, bestand darin, daß - sie die mageren Tauben dazu
kommandirten, immer noch mehr Körner herbeizutragen und daselbst
aufzuhäufen, und im Uebrigen thaten sie nichts weiter, als die Massen
der Körner von der einen Seite zur anderen zu werfen, wobei sie
Vieles davon verschleuderten und verwüsteten; und dabei fraßen sie
immer drauf los und schimpften auf die mageren Tauben, welche ihnen
nicht schnell genug die Körnerhaufen vergrößern konnten.
Und die mageren Tauben flogen herbei und wieder hinaus aufs
Feld und wieder herbei. Und immerfort schleppten sie Körner zu dein
großen Haufen, und wenn sie hungrig waren, dann wurde ihnen von
den Fetten eine Portion Körner zugeworfen, gerade soviel, daß sie
noch ferner Körner herbeizuschaffen im Stande waren.
Da sah der Bauer auch noch was Anderes. Es waren da nämlich
auch noch eine Anzahl von Tauben, welche nicht ganz so fett waren,
wie die Obendraufsitzenden, sie waren sozusagen erst „mittelfett." Und
dann waren auch Viele vorhanden, welche noch ziemlich mager waren
und erst eben begannen, ein wenig fett zu werden. Diese alle hielten
eifrig zu den kolossal Fetten und nahmen den ganz Mageren oftmals
noch die wenigen Happen weg, ja in der Verfolgung waren sie schlimmer,
als die ganz Fetten.
Und als der Bauer, zu seinem großen Erstaunen, alles dies ge-
sehen hatte, da sprach er zu sich selber:
„Jetzt weiß ich vom Warum das Darum!" Und dann wandte er
sich an die Mageren und sagte:
„Ihr dummen Tauben, warum habt Ihr Euch die Wirthschaft
gefallen lassen?"
Eine der Magersten von den Magern antwortete: „Ach, Bauer
sieh', ich hoffte immerfort, selbst noch ein .Mittelfetter' oder wohl gar
ein Kolossal Fetter' zu werden."
Wieder Andere sagten: „Siehe, wir dachten uns, es sei immer
so gewesen und werde auch immer so bleiben, und es könnte wohl
nicht anders sein."
„Das nennt Ihr.Denken?'" rief der Bauer ärgerlich. „Ihr ge-
dankenlosen Tauben!"
Und der Bauer hielt den fetten und mageren Tauben eine gehörige
Standrede, worin er Allen gleiche Pflichten bei der Arbeit auferlegte
und gleiche Rechte beim Fressen gab. Als er den Taubenschlag verließ,
sprach er: „Nun arbeitet und genießt auch Euer Leben. Traget all'
das Korn zusammen, das Ihr bekommen könnt, und esset es, damit
Ihr Alle fett werdet. Wenn ich später noch einen Mageren finde, so
drehe ich ihm den Hals um!"
Und seitdem befinden sich die Tauben recht wohl. Keine derselben
mehr ist so übermäßig fett, daß sie nicht mehr fliegen kann; aber auch
keine mehr ist mager, ausgemergelt und schäbig. Sie sind nun alle
fleischig, stark und gesund.
faul und nicht sparsam genug; so ist's ohne Trug. Die Fetten, ja
siehe, die schaffen halt kräftig; drum sind sie vollsäftig. Laß die Dürren
sich mühen und kärglicher leben; das wird sie erheben. Und Wohl-
stand wird kommen, den dicken Bauch, den kriegen's dann auch."
Und der Bauer wurde noch wüthender. Und er sah die wenigen
fetten Tauben an und dann wieder die vielen mageren. Und er be-
griff, daß die ersteren gewiß nicht vom vielen Arbeiten fett geworden,
während die anderen trotz ihres Fleißes mager blieben. Und abermals
ergriff er den Dreschflegel und trieb die weisen Männer zur Thüre
hinaus.
Und sogleich ging er nun nach dem Taubenschlag. Er wollte
einmal selber zusehen, was denn da eigentlich los sei.
Und als er, leise herantretend, in den Taubenschlag hineinsah —
ei welch' wunderbares Bild bot sich da seinen Augen dar!
Da war in der Mitte des weiten Raumes ein Berg, bestehend
aus Getreidekörnern, und oben saßen die fetten Tauben, und Alles,
was sie thaten, bestand darin, daß - sie die mageren Tauben dazu
kommandirten, immer noch mehr Körner herbeizutragen und daselbst
aufzuhäufen, und im Uebrigen thaten sie nichts weiter, als die Massen
der Körner von der einen Seite zur anderen zu werfen, wobei sie
Vieles davon verschleuderten und verwüsteten; und dabei fraßen sie
immer drauf los und schimpften auf die mageren Tauben, welche ihnen
nicht schnell genug die Körnerhaufen vergrößern konnten.
Und die mageren Tauben flogen herbei und wieder hinaus aufs
Feld und wieder herbei. Und immerfort schleppten sie Körner zu dein
großen Haufen, und wenn sie hungrig waren, dann wurde ihnen von
den Fetten eine Portion Körner zugeworfen, gerade soviel, daß sie
noch ferner Körner herbeizuschaffen im Stande waren.
Da sah der Bauer auch noch was Anderes. Es waren da nämlich
auch noch eine Anzahl von Tauben, welche nicht ganz so fett waren,
wie die Obendraufsitzenden, sie waren sozusagen erst „mittelfett." Und
dann waren auch Viele vorhanden, welche noch ziemlich mager waren
und erst eben begannen, ein wenig fett zu werden. Diese alle hielten
eifrig zu den kolossal Fetten und nahmen den ganz Mageren oftmals
noch die wenigen Happen weg, ja in der Verfolgung waren sie schlimmer,
als die ganz Fetten.
Und als der Bauer, zu seinem großen Erstaunen, alles dies ge-
sehen hatte, da sprach er zu sich selber:
„Jetzt weiß ich vom Warum das Darum!" Und dann wandte er
sich an die Mageren und sagte:
„Ihr dummen Tauben, warum habt Ihr Euch die Wirthschaft
gefallen lassen?"
Eine der Magersten von den Magern antwortete: „Ach, Bauer
sieh', ich hoffte immerfort, selbst noch ein .Mittelfetter' oder wohl gar
ein Kolossal Fetter' zu werden."
Wieder Andere sagten: „Siehe, wir dachten uns, es sei immer
so gewesen und werde auch immer so bleiben, und es könnte wohl
nicht anders sein."
„Das nennt Ihr.Denken?'" rief der Bauer ärgerlich. „Ihr ge-
dankenlosen Tauben!"
Und der Bauer hielt den fetten und mageren Tauben eine gehörige
Standrede, worin er Allen gleiche Pflichten bei der Arbeit auferlegte
und gleiche Rechte beim Fressen gab. Als er den Taubenschlag verließ,
sprach er: „Nun arbeitet und genießt auch Euer Leben. Traget all'
das Korn zusammen, das Ihr bekommen könnt, und esset es, damit
Ihr Alle fett werdet. Wenn ich später noch einen Mageren finde, so
drehe ich ihm den Hals um!"
Und seitdem befinden sich die Tauben recht wohl. Keine derselben
mehr ist so übermäßig fett, daß sie nicht mehr fliegen kann; aber auch
keine mehr ist mager, ausgemergelt und schäbig. Sie sind nun alle
fleischig, stark und gesund.