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1298

Sommer

Mßend.

tont Berg hinab Hab' ich den Blick gesandt,
Auf Wälder rings, auf üppig grüne Auen.
Inr Süden an des blauen Meeres Strand
war eine reiche, große Stadt zu schauen.

Sanft in -er Abendröthe Gluth getaucht,

Sah ich die Thürine, Kuppeln und Paläste,

Und von des Abends Nebeln schon nnrhaucht,
Erhob sich des Kastelles trotz'ge Veste.

Ven Hafen schmückte bunter Flaggen Zier,

Und einen Wal- von Masten sah ich ragen.

Die Schätze ferner Zonen wurden hier
Mit rüst'gein Fleiße an das Land getragen.

Das regte sich gleich einem Bienenschwarm,

Die Arbeit ist ja ewig unverdrossen,

Sie schuf das Bett mit ihrem starken Arm,
Darein -er Strom des Reichthums sich ergossen.

Sie haben junger! Ringsum edler wein
Und Brot und Frucht in reichem Ueberfluffe!

Sie haben Hunger! Uepp'ge Gasterei'n
In den Palästen winken zum Genüsse!

„Doch nicht für uns; wir sind in Lei- und Harnt
Auf allzu karge Löhnung angewiesen;
was rings auch blüht uird reift — wir find zu arm,
Der schönen Heintath Früchte zu genießen."

G), Ihr Gestalten, abgehärmt und bleich,

In den Gewändern, schmutzig und zerrissen —
Ihr wäret arm? wie thöricht; Ihr sei- reich,
Und habt das Unglück nur, es nicht zu wissen!
Seht der Paläste stolze Marmorxracht,

In den Bazaren seht des Luxus Spenden —

Die Welt, die dort sich schinückt, genießt und lacht,
Empfing ja Alles trur aus Euren fänden.

Ich schritt hinab -urch's grüne weingeländ';

Da seh' ich plötzlich hagere Gestalten,

Die ängstlich bitten- ihre Rnochenhänd'

Dem frohen Wanderer entgegenhalten.

„wir haben junger!" stöhnt's aus hohler Brust,
„wir haben junger!" spricht's ans starren Augen,
Und aus dem Bild -es Glückes und der Lust
Seh' ich empor des Volkes Elend tauchen.

Ihr pflügt und ertttet, segelt übers Meer,

Ihr bauet Städte, wirket in Fabriken,

Ihr bildet und ernährt ein Kriegerheer —
wie kann für Luch der Armnth Klei- sich schicken!
Ihr häufet Schätze — nehmt sie auch in Hut;
Durch Wohlstand sei -es Wirkens Kraft gestählet,
was Arbeit schaffet, sei der Arbeit Gut,

Und arm nur sei, wer Müßiggang erwählet! m. k.

Bescheidene »Anfragen.

An einen Privatmann.

In Sachsen und im Bayerland
Nahm man den Blumenregen,

In Jena an der Saale Strand
Die Huldigung entgegen.

Man sucht des Volkes Sympathie
Im Zwergenstaat der Reußen —

Warum, Durchlaucht, gastiren Sie
Nicht auch einmal in Preußen?

An Väterchen.

Im vor'gen schlechten Erntejahr
That man was Grundgescheidtes,

Denn es verbot der iveise Zar
Die Ausfuhr des Getreides.

Es schleicht sich Heuer Seuchennoth
Herein auf allen Wegen —

Warum nicht mit Export-Verbot
Die Cholera belegen?

Rn Äarnot.

Will Sadi Carnot mit Beflissenheit
Sein schönes Frankreich täglich daran mahnen,
Daß durchgemacht die blut'ge Schreckcuszeit
Mit ihrem Graun der größte seiner Ahnen?

Verdammen würde sonst doch sicherlich
Nicht gar so oft mit unbewegter Miene
Durch einen kurzen, raschen Federstrich
Bald den, bald jenen er zur Guillotine.

An (Klabstone.

Schlüpft der Esel in des Löwen Haut
In der Hoffnung, gute Jagd zu machen,
Wird er bald erkannt und fröhlich-laut
Werden alle Thiere ihn verlachen.

Halten soll man Dich für liberal,
Redekund'gcr, kleiner alter Schäker?

Windest Du Dich selber wie ein Aal,

Bleibst Du doch — ein heuchlerischer Quäker.

An die Vrager Iungczechen.

Men Deutschen „aus dem Reich"

Gebt ihr auf, sich zu bedenken,

Ehe sie odysseusgleich

Hin nach Prag die Schritte lenken.

Ob die Warnung nöthig war?

Gebt euch doch nur ja zufrieden!

Prag wird schon seit manchem Jahr
Scheu von aller Welt gemieden.

„Mütterchen, das goldne" sieht
Täglich kaum der Gäste sechse;

Wer nicht czechisch kann, der flieht
Rasch die gift'ge alte Hexe.

An die Alterthumskenner.

Dem armen Atlas hat der Sage Spruch,

Als kämen seine Schultern nicht zu Schaden,
Als drohe nie ihm der Zusammenbruch,

Die Last der ganzen Welt einst aufgcladcn.

Wird man statt „Atlas" in der Dichterei
Nicht lieber „Horda" für die Folge sagen?
Die ganze Last der Schienenflickerei
Muß er aus seinen beiden Schultern tragen.

Das Ende.

Lin Wald, gebirgige Gegend. Der Tlarr und der
Herzog treten auf.

Narr.

Herr, ich rathe Euch, tauscht Euren Herzogshut
gegen meine Schellenkappe. Es ist ein ehrlicher
Handel, und Ihr fahrt gut dabei. Euer Bortheil,
Euer blanker Vortheil! Dann schilt Euch Keiner

einen Narren, sondern lobt Euch: Ein witziger
Bursch, was für gute Einfälle er hat, und wie sein-
beredt er zu sprechen weiß! Es lohnt sich, Herr,
er lohnt sich.

Herzog.

Schweig, öder Thor und störe nicht der Sinnen?
Eiilfame Stunde mir durch schale Späße,

Die beim Bankett erträglich sind, nicht hier.
Däucht Dir, das Staatenlenken sei ein Handwerk,
Erlernt in ein, zwei Jahren, so geübt,

Wie es der Vorfahr übte, stumpf und träge,

Die gleichen Griffe und derselbe Tritt?

Die alte Welt ist krank, im Zeitcnschooße
Regt dräuend sich das Kommende, vor dem
Mir bangt. Die jähe Tiefe thut sich auf,

Kein Halt für meinen Fuß, und niederstürzt
Des eisigen Gletschers Wucht und stürzt aus mich.

Harr.

Was gilt's Meister? Ihr seid krank, weil Ihr
nicht regiert. Regiertet Ihr, Ihr wäret munter
wie ein Fisch. Aber weil Ihr malade seid, regiert
Ihr nicht. Ein ungesundes Geschäft, das Regieren,
drängt Euch nicht darnach. Wollt Ihr Hebamme
sein, wenn die Zeit das Ungethüm gebiert, vor
dem Euch graut? Seid ihr nicht launisch, wie ein
Wachtelhund und ruhelos wie der ewige Jude?
Geht in Euch, Ihr seid kein guter Geburtshelfer.

Herzog.

Dein Recht, straflos zu schinäh'n, ist deine Strafe,
Verachteter! Kein menschliches Gesetz
Versehret mich, den Herzog. Was ich that,

So grauenvoll es Dir erscheint, war gut.

Mein Wille war es, so zu handeln, so
Geschah es auch und siehe, es ist gut.

Wähnst Du, elender Sklav', ein alter Deichgraf,
Ein halber Russe, dulde Widerspruch?

Bon meiner Gnade lebt' das arme Volk,

Das meinem Drucke scheu sich beugte, stolz
Zieh' ich durch's Land, sie Alle dienen mir.

Und meiner höh'ren Einsicht Perlen werf' ich
Verschwenderisch in Reden vor die Menge,
 
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