1302
Freiheit.
war' ich doch ein Vögelein
Nit farbigem Gefieder!
Ich schwänge hoch mich in die Luft
Und sänge frohe Lieder.
G wär' ich doch ein Vögelein
Entschlüpft aus Eierschalen!
Von manchem Uebel wär' ich frei,
Zum Beispiel vom Eteuerzahlen.
G wär' ich doch ein Vögelein!
Wie wollt' ich tiriliren,
Daß ich nicht im Uasernenhof
Muß schwitzend exerziren.
G wär' ich doch ein Vögelein,
Hoch wohnend im Geäste!
Nein Hauswirth quält'um Miethe mich,
Krei faß' ich in meinem Neste.
G wär' ich doch ein Vögelein!
Wie wollt' ich wohlig schweifen
Und spitzen scharf mein Echnäbelein
Die Menschen auszupseisen.
Massalle m Polizelgewahrsam.
Äine Äpisode aus soziakistengefehlicher 3eif.
war an einem herrlichen
Frühlingssonntage des Jah-
res 188*. Die Almen leuch-
teten in frischem Grün, die
Thäler durchwehte ein
köstlicher Blüthenduft
und die schneebedeckten
Häupter der Bergriesen
des Alpenlandes blitz-
ten und funkelten im
Sonnenlichte.
Auf der Terrasse des
Burggartens, unweit
der kleinen süddeutschen
Gebirgsstadt R., war eine fröhliche Gesellschaft versammelt, welche
von den anderen Gästen, den ehrsamen Spießbürgern des Städtchens,
mit verdächtigen Blicken gemustert wurde.
„Dös san d' Sozi!" wisperte der Huber dem Meyer zu. „Die
feiern an Geburtstag von an großmächtigen Revoluzzer!"
„Und dös leid't die Gendarmerie?" fragte Meyer.
„Staad sein! Abwarten, was g'schicht!" entgegnete Huber wichtig.
„I Hab' den Inspektor schon umanand' steigen sehn. Der hat weiters
net auffi g'schaut!"
Die „Sozi," meist junge Männer in grauen Joppen, das kecke
Hütchen nach Landessitte mit Federn geschmückt, ließen sich durch das
Geflüster der Spießbürger nicht stören. Sie waren es gewöhnt, mit
scheuer Verwunderung betrachtet zu werden, denn die Sozialdemokratie
war in dieser Gegend noch etwas Neues, der Kaplan wetterte von
der Kanzel herab gegen sie und manch frommes Bäuerlein bekreuzte
sich, wenn ihm ein Rother begegnete.
Heute hatten die Sozialdemokraten sogar absichtlich die Auf-
merksamkeit ihrer Widersacher auf sich gelenkt. Sie hatten öffentlich
bekannt gemacht, daß sie im Burggarten den Geburtstag Lassalle's
feiern würden; sie wußten, daß darauf hin Alles, was an amtlicher
Polizei und freiwilliger Spionage vorhanden war, sich um den Burg-
garten gruppiren würde, und das war es gerade, was sie wünschten.
Denn am Abend sollte mit dem Eisenbahnzuge eine Sendung sozia-
listischer Schriften aus der Schweiz hereingebracht und von Ein-
geweihten auf der Bahnstation in Empfang genommen werden. Dabei
konnte man die Ueberwachung nicht brauchen, deshalb zog man sie
nach dem fast eine Stunde weit entfernt auf sonniger Anhöhe ge-
legenen Burggarten.
Hier that die rothe Tafelrunde den steinernen Maßkrügen alle
Ehre an und amüsirte sich mit Gesang und Spiel.
„Geh zu, Maxl, sing' a G'stanzl," sagte der Schreiner Karl.
Und Maxl sang:
Wir Rothcn san lustig,
Wer kann's uns verwehr'»?
Wir lassen uns nimma
Zum Rückschritt bekehr'n.
Ihr Pfaffen und Junker,
O, macht's Euch ka Qual!
Ihr g'hört ins alt' Eisen,
Die Welt wird sozial.
Der Chor sang die Jodler, die dem Schnadahüpfl folgen müssen
und die Spießbürger steckten ihre Köpfe zusammen und räsonnirten.
Maxl sang weiter:
Da schang'n d' Philister,
Uns hoab'ns auf der Muck'.
Z'weg'n denera Zöpfa
Bleibt d' Welt nimma z'ruck.
Jetzt ging eine Bewegung durch den Garten. Ein wohlbeleibter
Polizei-Inspektor mit rothem Gesicht und besonders rothem Riech-
organ erschien auf der Bildfläche und steuerte auf den Kreis der
Sozialisten zu. Aber Maxl ließ sich nicht aus dem Konzept bringen;
er spielte die Guitarre und sang:
Wo Rothe bei'nand' san
In frohem Verein,
Da steckt da Inspektor
Sei Nasen hinein.
Geh weit«, Inspektor,
Dös bringt Di' in Noth,
Deshalb is Dei' Nasen
So mordssakrisch roth!"
Die Heiterkeit, welche dieses Schnadahüpfl erzeugte, steckte die
ganze Untgebung an. Nur über das Antlitz des Polizeimannes zuckte
ein zorniges Wetterleuchten.
„Was geht hier vor!" rief er mit Donnerstimme.
„Na, das wissen's eh'", erwiderte der Schreiner Karl, „was vor-
geht, wenn ma in an Biergarten hockt; 's Bier geht vor, nachher
kommt G'sang."
„Unsinn! Ich will wissen, was Ihr hier treibt," sagte der Inspektor.
„Die Zeit vertreiben wir uns halt!" bemerkte der Maxl.
Der Inspektor wurde wüthend. „Keine Flausen! Ich hab's in
meiner Instruktion: einen Geburtstag feiert Ihr ohne Erlaubniß."
„Dös wär recht," sagte Karl, „wenn man zu an Geburtstag a Er-
laubniß braucht. Racher wären vielleicht nit amal Sie geboren worden."
Freiheit.
war' ich doch ein Vögelein
Nit farbigem Gefieder!
Ich schwänge hoch mich in die Luft
Und sänge frohe Lieder.
G wär' ich doch ein Vögelein
Entschlüpft aus Eierschalen!
Von manchem Uebel wär' ich frei,
Zum Beispiel vom Eteuerzahlen.
G wär' ich doch ein Vögelein!
Wie wollt' ich tiriliren,
Daß ich nicht im Uasernenhof
Muß schwitzend exerziren.
G wär' ich doch ein Vögelein,
Hoch wohnend im Geäste!
Nein Hauswirth quält'um Miethe mich,
Krei faß' ich in meinem Neste.
G wär' ich doch ein Vögelein!
Wie wollt' ich wohlig schweifen
Und spitzen scharf mein Echnäbelein
Die Menschen auszupseisen.
Massalle m Polizelgewahrsam.
Äine Äpisode aus soziakistengefehlicher 3eif.
war an einem herrlichen
Frühlingssonntage des Jah-
res 188*. Die Almen leuch-
teten in frischem Grün, die
Thäler durchwehte ein
köstlicher Blüthenduft
und die schneebedeckten
Häupter der Bergriesen
des Alpenlandes blitz-
ten und funkelten im
Sonnenlichte.
Auf der Terrasse des
Burggartens, unweit
der kleinen süddeutschen
Gebirgsstadt R., war eine fröhliche Gesellschaft versammelt, welche
von den anderen Gästen, den ehrsamen Spießbürgern des Städtchens,
mit verdächtigen Blicken gemustert wurde.
„Dös san d' Sozi!" wisperte der Huber dem Meyer zu. „Die
feiern an Geburtstag von an großmächtigen Revoluzzer!"
„Und dös leid't die Gendarmerie?" fragte Meyer.
„Staad sein! Abwarten, was g'schicht!" entgegnete Huber wichtig.
„I Hab' den Inspektor schon umanand' steigen sehn. Der hat weiters
net auffi g'schaut!"
Die „Sozi," meist junge Männer in grauen Joppen, das kecke
Hütchen nach Landessitte mit Federn geschmückt, ließen sich durch das
Geflüster der Spießbürger nicht stören. Sie waren es gewöhnt, mit
scheuer Verwunderung betrachtet zu werden, denn die Sozialdemokratie
war in dieser Gegend noch etwas Neues, der Kaplan wetterte von
der Kanzel herab gegen sie und manch frommes Bäuerlein bekreuzte
sich, wenn ihm ein Rother begegnete.
Heute hatten die Sozialdemokraten sogar absichtlich die Auf-
merksamkeit ihrer Widersacher auf sich gelenkt. Sie hatten öffentlich
bekannt gemacht, daß sie im Burggarten den Geburtstag Lassalle's
feiern würden; sie wußten, daß darauf hin Alles, was an amtlicher
Polizei und freiwilliger Spionage vorhanden war, sich um den Burg-
garten gruppiren würde, und das war es gerade, was sie wünschten.
Denn am Abend sollte mit dem Eisenbahnzuge eine Sendung sozia-
listischer Schriften aus der Schweiz hereingebracht und von Ein-
geweihten auf der Bahnstation in Empfang genommen werden. Dabei
konnte man die Ueberwachung nicht brauchen, deshalb zog man sie
nach dem fast eine Stunde weit entfernt auf sonniger Anhöhe ge-
legenen Burggarten.
Hier that die rothe Tafelrunde den steinernen Maßkrügen alle
Ehre an und amüsirte sich mit Gesang und Spiel.
„Geh zu, Maxl, sing' a G'stanzl," sagte der Schreiner Karl.
Und Maxl sang:
Wir Rothcn san lustig,
Wer kann's uns verwehr'»?
Wir lassen uns nimma
Zum Rückschritt bekehr'n.
Ihr Pfaffen und Junker,
O, macht's Euch ka Qual!
Ihr g'hört ins alt' Eisen,
Die Welt wird sozial.
Der Chor sang die Jodler, die dem Schnadahüpfl folgen müssen
und die Spießbürger steckten ihre Köpfe zusammen und räsonnirten.
Maxl sang weiter:
Da schang'n d' Philister,
Uns hoab'ns auf der Muck'.
Z'weg'n denera Zöpfa
Bleibt d' Welt nimma z'ruck.
Jetzt ging eine Bewegung durch den Garten. Ein wohlbeleibter
Polizei-Inspektor mit rothem Gesicht und besonders rothem Riech-
organ erschien auf der Bildfläche und steuerte auf den Kreis der
Sozialisten zu. Aber Maxl ließ sich nicht aus dem Konzept bringen;
er spielte die Guitarre und sang:
Wo Rothe bei'nand' san
In frohem Verein,
Da steckt da Inspektor
Sei Nasen hinein.
Geh weit«, Inspektor,
Dös bringt Di' in Noth,
Deshalb is Dei' Nasen
So mordssakrisch roth!"
Die Heiterkeit, welche dieses Schnadahüpfl erzeugte, steckte die
ganze Untgebung an. Nur über das Antlitz des Polizeimannes zuckte
ein zorniges Wetterleuchten.
„Was geht hier vor!" rief er mit Donnerstimme.
„Na, das wissen's eh'", erwiderte der Schreiner Karl, „was vor-
geht, wenn ma in an Biergarten hockt; 's Bier geht vor, nachher
kommt G'sang."
„Unsinn! Ich will wissen, was Ihr hier treibt," sagte der Inspektor.
„Die Zeit vertreiben wir uns halt!" bemerkte der Maxl.
Der Inspektor wurde wüthend. „Keine Flausen! Ich hab's in
meiner Instruktion: einen Geburtstag feiert Ihr ohne Erlaubniß."
„Dös wär recht," sagte Karl, „wenn man zu an Geburtstag a Er-
laubniß braucht. Racher wären vielleicht nit amal Sie geboren worden."