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1331

aber die Chokeraforschungen haben wenigstens bet eene Jute jehabt, bet fe
den Menschen darieber uffjeklärt haben, dat er keen unjekochtet Spreewasser
drinken soll. Na, ieber sonne Unbildung war ick schon lange erhaben, indem
ick ooch schon ohne de Cholera Wasser stets nur in Jestalt von Bier
jenossen habe, un wenn ick schon mal Wasser drinken mußte, dann war et
immer heeß, so heeß, dat keene Bazille drin leben konnte, un damit se ooch
janz richtig nn rejulär doot singen, joß ick denn immer eenen dichtijen
Schuß Rum rin. Ratierlich darf man ooch jejen Bazillen nich zu blut-
rinstig sind, un um ihnen bet Sterben zu erleichtern un zu versießen, kriegten
se denn een Stickchen Zucker zu. Ick sage Dir, Jacob, bei sonne Mischung,
wenn nich zuville Leitungswasser drin is, merkste von de Bazillen so jut wie
jarnischt. Un mit fo’n Jetränk helfe ick mir über de dollste Epidemie weg.
Hier haben wir ja nu von de Cholera so jut wie nischt jemerkt, indem sich
de Cholera wahrscheinlich wejen unsere seine Desinfektionsanstalt un von
wejen den Krambol-Jestank ieberhaupt nich herjetraut hat. Na, et hat nich
sollen sein, un et is ooch janz jut so, indem nämlich een Menschenfreind
schon behauptet hat, bet ooch de Cholera blos 'ne Krankheit vor arme Leite
is, da doch de Reichen merschtendeels noch rechtzeitig auskneifen. Na, so
nach und nach kommt ja nu der Typhus uff, un wat de Cholera icbrig
jelassen hat, bet wird nu woll diese jesegnete Naturjabe mitnehmen. So
kommt man wenigstens nich so leichte in Verlejenheit ieber die Krankheit,
an die man am liebsten zu Jrunde jehen mechte.

Unser Majistrat hatte in seine jroße Liebenswirdigkeit ooch schon vor
Allens jesorgt; zweeschläfrije Nasenqnetscher un een doppeltet Krambol-
polster — ick sage Dir, Jacob, da hätte man drinjelejen wie Jott in
Frankreich un jeziert hätte ick mir wie Lehmann in't Sarg, weil er een
reenet Hemde anhatte, womit ick verbleibe erjebenst un mit ville Jrieße
treier Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Die LDilitärvorlage.

axrivi fuhr um'« Morgrnrokh
w Empor au« srlzMrrrn Träumen —
Da« Militär, o schwere Noth,

Da« wächst nicht aus den Bäumen.

Wir haben rin |it kleine« Heer,

Es mangelt an Soldaten!

Ich weih mir nicht zu helfen mehr,
Ich weih mir nicht ju rathen.

An fünfundneunzigkaufend Mann
Muh ich heraus seht schinden —
Den Reichstag werd' ich fechten an,
So wird sich Alle» stnden.

Der Miguel gleichen Kummer litt,
Und sprach in schweren Sorgen:

V du gcwalt'gcs Defizit!

Wer soll uns ferner borgen?

Die fünfundneunzigtausend Mann,
wie soll ich str ernähren?

Der Reichstag nur mir helfen kann,
Und Steuern nur gewähren.

Der gute Reichstag sagt nicht Nein!
Er läht da« Geld nicht rosten.

Nun kann er ivirder nobel sei»,
Auf seiner Wähler Kosten.

Vision. 'Sksrr

bisterhafte Schatten wandeln
XUZ! In der Burg bemoosten Trümmern,
Durch die dunklen Mauerspalten
Sah' ich fahle Lichter schimmern.

Ei, was ragt dort in die Höhe,

Wo sie all' zusammenlaufen?

Was bedeutet dies Gerüste?

Ja, das ist ein Scheiterhaufen!

An den Marterpfahl gefesselt
Stehn drei Opfer bang und schweigen.
Aber um den Scheiterhaufen
Tanzt und jauchzt ein wilder Reigen.

Das sind Mönchlein mit der Glatze
Und den wohlgenährten Bäuchen,

Denen wohlbesoff'ne Ritter
Ihre plumpen Hände reichen.

Schaurig klingt die dumpfe Weise:
„Bratet, bratet, arme Sünder,

Die verhehlt den rechten Glauben!
Fahrt zur Hölle, Satanskinder!" —

Gierig flackert auf der Holzstoß;

Ich doch trete zu den Leuten;

„Was hat," frag' ich Einen zaghaft,
„Alles dieses zu bedeuten?" —

„Hellte haben Pfaff und Junker
Sich mit Leib und Seel' vereinigt,"
Also sprach er, „drum das Feuer,
Das die armen Seelen reinigt —

Drei ganz schlimme Atheisten
Schmoren dorten" — doch da kündet
Dröhnend Eins des Dorfes Glocken
Und der tolle Spuk verschwindet.

Hobrlsxähne.


In Deutschland befehle nur Einer —

Der Kanzler Caprivi hat
Uns dies ganz ausdrücklich versichert,

So meldet ein Zeitungsblatt.

Doch lege auf diese Meldung
Ich nicht zu viel Gewicht:

Wenn Einer nur etwas zu sagen hat,

So ist es Caprivi nicht.

Nachdem der Eid der Sozialdemokraten
so häufig angezweifelt wird, sollte man dieselben
auch nicht mehr zum Fahneneid zulassen
und folglich von der Militärpslicht befreien.
* * *

Die neuen Millionen fürs Militär,

Ob achtzig oder hundert,

Wo sollen wir diese wohl schaffen her?

So fragen die Deutschen verwundert.

Auf neue Steuern der Miguel sinnt,

Das Zentrum finstere Pläne spinnt,

Und Eugen Richter räth indeß:

Germania werd' eine Spar-Agnes!

Die Fabrikinspektoren sollten sich einmal in der Werkstätte der Gesetz-
gebung umsehen und Schutzmaßregeln gegen den Klassen-Egoismns anordnen,
damit das Volk nicht so oft zu Schaden kommt.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Drittes Kapitel.

Die Sitzung de« ZIlibustirrverrins.

Kniff, Vorsitzender: Meine Herren! Die ge-
sunden Grundsätze, ans denen unser Wohlstand be-
ruht, sind Ihnen Allen so gut bekannt, daß ich sie
heute nur summarisch wiederhole. Weshalb dies
geschieht? Ein neues Mitglied, das sich zur Auf-
nahme gemeldet hat, ist durch die Ballotage in
unseren Verein rezipirt worden. Treten Sie vor,
Herr Schniff!

(Schniff, ergriffen von der Bedeutung des Augenblicks, das
Taschentuch an das linke Auge gepreßt, tritt vor.>

Kniff: Unser Verein, theurer Mitbruder, ist
uralt. Vor tausend Jahren fuhren seine Gründer
stolz durch die Meere, kaperten Handelsschiffe, lan-
deten da, wo blühende Städte gewerbfleißig lagen,
nahmen Reichthümer, Gold- und Silberschätze,
seidene Gewebe und köstliche Spangen. Eines
unserer berühmtesten Mitglieder war jener Störte-
becker, der die deutsche Küste von seinem Ruhme
widerhallen ließ. Siehst Du unsere Klubfahne?
Schwarz ist sie und trägt als herrliches Emblem
den Todtenkopf und das Stundenglas. Es ist die
letzte Flagge der Bukanier, die sie retteten aus
jenem furchtbaren Zusammenstoß bei Cartagena im
Jahre 1697, der das Ende des großen Flibustier-
Staates dank der brutalen Uebermacht der holländisch-
englischen Kriegsflotte herbeiführte.

Die Flibustier, die Könige des Seeraubs, sie,
die von Westindien bis nach Spanien, die von
Veracruz bis Gibraltar der Schrecken der Hafen-
städte und der Kauffahrer Ovaren, sie sind wohl
zersprengt, aber sie sind nicht untergegangen. Eine
wackere Schaar warf hier Anker, siedelte hier sieh
an und lernte sich in die neuen, fremden Ver-
hältnisse fügen. Aber insgeheim hingen sie fest
und treu am alten Brauch, und der strenge

Ritus unseres Bekenntnisses wird still und sicher
beobachtet.

Wohin Du schaust, überall siehst Du Genossen
unseres Klubs, siehst du versteckt, dem Eingeweihten
aber sichtbar, als unscheinbare Berlocke an der
Uhrkette, als Kravattennadel, als Ring die schwarze
Flagge mit Todtenkopf und Stundenglas. Aus
den Seeräubern, die offen ihr edles Gewerbe
trieben, wurden Rheder, die der großen Welt ver-
borgen die alte Seeräuberzunst noch anfrechterhalten.
Höre das Losungswort und präge es Dir für alle
Zeiten ein:

Leck im Kiel und Wurm im Mast,

Segel mürb', vom Ost gefaßt.

Gute Fracht und Prämie hoch.

Schlechte Fahrt, im Bug ein Loch,

Hohe See und Sturmgebraus,

Schiff versinkt mit Mann und Marls,
Eingeheimst Versicherung,

Thu' es oft, wirst reich genung,

Rhederei, ein feiner Spaß,

Todtenkopf und Stundenglas!"

Gehe fleißig in die Kirche, wähle wie es sich
gebührt als Mann der Ordnungspartei, lasse Dich
selbst zu Ehrenämtern wählen, sei Respektsperson
und rechne immer auf unsere Hilfe. Ein Hunds-
fott, wer seinen Mit-Flibnstier verläßt!"

Schniff küßte die Flagge, die Pfropfen knallten
und der Schaumwein füllte die Gläser.

Viertes Kapitel.

Der Untergang.

Eine schwarze Wolkenmasse, die Meer und
Himmel zu Einem Ganzen verband, hing über dem
westindischen Ozean. Obgleich es Mittagszeit war,
herrschte tiefe Dunkelheit, nur dann und wann
durch das blaue Licht eines Blitzes erhellt. „Lea"
und „Kuno", mit Fracht nach Haiti bestimmt, be-

fanden sich hilflos preisgegeben dem mit grausiger
Schnelligkeit vorschreitenden Wirbelsturm, dem Hurri-
kane. Wie Glas splitterten die Masten, die Segel
flatterten davon wie aufgescheuchte Möven, ein
Krach, ein Schrei. Erst sank „Kuno", dann „Lea."
Einzelne Schwimmer, die an Planken, an Tonnen
sich klammern. Weiter rast der Sturm, der letzte
Hilferuf verhallt.

Fünftes Kapitel.

Die Einhrimsung.

Kurz ist dieses Kapitel. Frachtgelder und Asse-
kuranzgelder waren in den Händen der Rheder, die
wieder einmal so viel „Pech" gehabt. Am Abend
des Tages, da die Nachricht eingetroffen war, feierte
der Flibustier-Verein ein Freudenfest. Störtebeker,
Morgan, Monbars, van Horn lächelten selig aus
dem Seeräuber-Olymp herab auf ihre theuren
Nachkommen.

Draußen aber tutete der Nachtwächter in sein
Horn und brummte dann in seinen Bart: „Die
Herren sind heute wieder einmal recht lustig. Heute
hat freilich der Hilfsverein für die Hinterbliebenen
der auf See verunglückten Matrosen sein Stift-
ungsfest." Unter dieser Flagge segelte nämlich der
Klub der Flibustier.

-#-T

Inschrist aus ein Denkmal für die Hamburger
Äholeraopser.

Stets bereit ju Rath und That,
wacht und rvaltet früh und spat
lieber Hamburg der Senat.

Umsicht seine höchste Zier,

Detz zuin Zeugen liegen wir
An Zehntausend hier.
 
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