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1351

Unsere Geschichte ist hier zu Ende. Wir brauchen nicht erst
zu erzählen, daß der reiche Mann, der dem Bauern das Gut ge-
stohlen, der böse Kadi und die kräftig drauflosschlagenden Häscher
den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr sahen, daß Achmed und
seine Fatima wieder zu ihrem Recht.e kamen, alles das versteht sich
i>n Orient von selbst, — wir wollen nur noch erwähnen, daß der
Kalif nie wieder die Wahrheit zu suchen auszog, er hatte an
dem einen Mal genug. H. „. Zülow.

„Nun, nichts leichter als das festzustellen. Wenn Du, Groß-
mächtiger, meinem Rathe folgen willst, so werden wir die Wahrheit
erfahren, bevor die Sonne sich zum zweiten Mal ins
Meer senkt."

Der Kalif hatte von seinem Vorfahren Harun
Alraschid noch die Gewohnheit, ab und zu als einfacher
Handwerker oder Bauer verkleidet sich unter das Volk
zu begeben, um die Stimmung auszukundschaften.

Hierauf baute der Narr, als er vorschlug, der Kalif
möge sich als Bauer in das Dorf Achmed's begeben |
und dort die Einwohner befragen, was Wahres an der
Sache sei. Der Kalif war sofort dazu bereit und am
nächsten Morgen, bevor die Sonne aufgegangen, be- !
fanden sich der Bauer, der Narr und der Beherrscher !
der Gläubigen in dem Gewände eines Bauern auf dem j
Wege nach dem Dorfe.

Kurz vor dem Dorfe wurde Rast gehalten und
ausgemacht, daß Achmed und der Narr auf die Rück-
kehr des Kalifen warten sollten, worauf dieser getrost !
in das Reich des bösen Kadis einzog.

Nachdem der Kalif einige Landleute nach der
Angelegenheit Achmed's befragt hatte und die An-
gaben des Letzteren bestätigt fand, begab er sich in das j
Wirthshaus, um hier noch Weiteres zu erfahren. Auf j
der Dorfstraße war der Kalif indessen bereits von j
einem Späher des Kadis beobachtet worden; dieser j
folgte ihm nun ins Wirthshaus, und als er dieselben
Fragen nach dem Prozeß des Achmed vernahm, eilte
er schleunigst zum Kadi, um diesem den verdächtigen |

Fremden zu melden. Der Kadi befahl die sofortige
Verhaftung und nach kurzer Zeit stand der Kalif vor
den Schranken des Gerichts.

die ganze böse Geschichte erzählte und hinzufügte: „Siehst Du jetzt,
mächtiger Kalif, wie Recht und Gesetz in Deinem Reich gehandhabt

wird! Ich glaube fast, daß
von dieser Sorte Kadis noch
mehrere in Deinem Reiche
sich befinden."

„Beim Barte des Pro-
pheten, Du bist ein wirk-
licher Narr! Recht und
Gesetz herrschen in Bagdad
und wer weiß, ob Dein
Bauer die Wahrheit be-
richtet hat."

„Ich höre." herrschte der Kadi ihn an, „daß Du Dich in unsere
inneren Angelegenheiten mischst und den Frieden und die Eintracht
unserer Bevölkerung zu untergraben suchst?"

„Nein, Hochweiser Kadi," war die Antwort des Kalifen, „mein
Hiersein hat einen anderen Zweck. Ich begegnete gestern einem Bauern,
der durch einen ungerechten Spruch von Haus und Hof verjagt sein
will, — und da habe ich mich aufgemacht, um an Ort und Stelle zu
erkunden, ob eine solche Ungerechtigkeit im Lande des Enkels Harun
Alraschid's möglich sei."

„So so," meinte der Kadi, „also Dein Sinn für Gerechtigkeit
war es, der Dich trieb! Hm, hm, um diesen Sinn noch etwas zu
schärfen und Deine Neugierde zu reizen, mein Sohn, werde ich Dir
eine Bastonnade von hundert Hieben zu Theil werden lassen; ich denke,
! daß Du damit befriedigt bist und besser von unserer Gerechtigkeit
denken lernst."

Auf einen Wink des Kadi wurde der Kalif von den Häschern
ergriffen und die Exekution an Ort und Stelle vollzogen.

Es half dem Kalifen nichts, als er schrie: „Halt' ein, ihr
Nichtsnutzigen, ich bin ja der Kalif selbst!" Der Kadi spottete seiner
i und sagte:

„Ach, sieh doch, nun will er auch noch der Kalif sein, der gerechte
und großmächtige Herrscher der Gläubigen, — möge er lang leben
und gesund sein! — Gebt ihn: dafür noch hundert Hiebe mehr!"

Und gewissenhaft ward dem Bedauernswerthen die doppelte Portion
zu Theil. Unter dein Gelächter des Kadis und der Häscher humpelte
er hierauf jammernd und wehklagend zunr Dorfe hinaus, bis er zu
1 den auf ihn harrenden Freunden gelangte.

„Ich glaube, daß von dieser Sorte Kadis sich noch mehrere in
Deinem Reiche befinden."

Ah, sieh doch, nun will er auch noch der Kalif sein.
 
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