- 1359
-L- Das liberale Vürgerthum
in -er Aonfliktszcit. > jetzt.
Reinen Nanu und keinen Groschen!
Der
RatHskellermeister
von Bremen.
Line wahrhaftige Geschichte.
Bremer Rathskeller mit seinen
vortrefflichen Rheinweinen hat
das Lob, das ihm die Dichter ge-
spendet, vollauf verdient; leider
besitzt er den Fehler, daß er
eigentlich nur den reichen Leuten
zugänglich ist und dem armen
Mann verschlossen bleibt.
Indessen ist es auch schon
vorgckommcn, daß reiche Leute
mit dem Rathskeller zu Bremen
Pech gehabt haben, was wir nachstehend der Wahr-
heit entsprechend erzählen wollen.
Es mögen etwa zwei Jahrzehnte her sein, daß
sich am Bremer Rathskeller noch ein Kellermeister
alten Schlages befand, dick und grob, und mit einer
weithin funkelnden Weinnase, welche bekanntlich
für einen guten Kellermeister den Befähigungsnach-
weis bildet. Vielleicht war der Besitzer dieser Nase
der Glückliche, den Heinrich Heine unsterblich ge-
macht hat, als er im Bremer Rathskcllcr angesäuselt
war und die wundersamen Verse dichtete:
„Du braver Rathskellermeister von Bremen,
Siehst du, auf den Dächern der Häuser fitzen
Die Engel und find betrunken Mid singen;
Die glühende Sonne dort oben
Ist nur eine rothe betrunkene Nase,
Die Nase des Weltgeists,
Und um die rothe Weltgeistnase
Dreht sich die ganze betrunkene Welt!"
Nun gießt cs einen berühmten Staatsmann,
der sehr gerne guten Wein trinkt, besonders wenn
er ihn geschenkt bekommt. Dieser Staatsmann, den
seine Schmeichler den größten des Jahrhunderts
nennen, kam eines Tages als Gast eines hohen
Senats nach der guten Stadt Bremen und selbst-
verständlich wurden ihm auch die Herrlichkeiten des
Rathskellers erschlossen.
Der Kellermeister, der auch zu den Verehrern
des berühmten Staatsmannes gehörte, war ganz
in seinem Element und bespritzte, wie es bei alten
Kellermeistern Sitte, seinen vornehmen Gast mit
edlem Wein, um ihn mit dem köstlichen Aroma zu
erfreuen. Dann stieß er mit dem großen Mann
an und sprach zu ihm in seiner derben Weise:
„Un wenn Se wedder mal na Bremen kaamt,
so besöken's mi ook in mine Mahnung; aber nich
's Namiddags wenn'k slaap; wer mi in'n Slaap
stört, de kriegt dat mit mi to dohn!"
Dem Staatsmann gefiel der originelle Kauz
mit der mächtigen Karfunkelnase und er versprach
dem Alten, ihn zu besuchen, sobald die gute Stadt
Bremen wieder einmal die Ehre haben werde,
ihn, den größten Mann seiner Zeit, als Gast zu
empfangen.
Indessen der berühmte Staatsmann hat den
Bremer Rathskeller nicht wieder besucht. Aber sein
ältester Sohn kam einmal nach Bremen und der
Vater trug ihm auf, an seiner Stelle den Besuch
bei dem alten Kellermeister abzustatten.
Die Schmeichler behaupteten, der junge Staats-
mann habe die Schlauheit des alten geerbt; Andere
behaupteten das Gegentheil und diese scheinen im
Rechte zu sein.
Der Alte hatte dem Jungen eingeschärft, unter
allen ilmständen darauf zu achten, daß er den Raths-
kellermeister nicht im Schlafe störe. Aber es ging
in diesem Falle, wie es gewöhnlich in den Märchen
geht, wenn ein Prinz oder ein Ritter eine ver-
zauberte Jungfrau erlösen will; der edle Befreier
achtet nicht auf die Vorschriften und verfällt selber
dem Zauberbann.
Als der jugendliche Diplomat den Hausflur des
Rathskellermeisters betrat, fand er sich einem sehr
hübschen Mädchen gegenüber. Es war die Tochter
des Alten, die auf Befragen erwiderte, daß der
Papa grade sein Mittagsschläfchen abhielt. — Ob
die Schönheit der Bremerin oder ein genialer Ge-
danke dem Besucher das Gedächtniß verwirrte, das
sei dahingestellt, genug, er vergaß die väterliche
Mahnung und nannte seinen Namen mit der Bitte,
sie möge den Herrn Kellermeister von seinem Er-
scheinen unterrichten.
Das jltnge Mädchen ward verlegen; der Name
des Fremden schien ihr aber bedeutend genug zu
sein, um ausnahmsweise einmal den gestrengen Herrn
Papa im Mittagsschlunnner zu stören. Sie bat den
Fremden einzutreten ins Zimmer und dort Platz zu
nehmen, tvährend sie ins anstoßende Gemach ging,
um den Vater zu wecken. Der junge Diplomat
vernahm bald daraus ein unheimliches Knurren und
Poltern und wurde nun wider seinen Willen Ohren-
zeuge folgender Unterredung:
„Wat is dat sörn Keerl?"
„Er nennt sich Herr v. B."
„Is dat de Ool oder de Jung?"
„Der Herr ist noch ziemlich jung."
„Na, denn seg ein man, he kunn mi in — —"
Der Diplomat hatte genug. Er wartete die
Rückkehr der holden Kellermeisterstochter gar nicht
erst ab, spornstreichs lief er davon, um sich in die
übertünchte Höflichkeit des Westens zu begeben,
wo man dergleichen Dinge nicht sagt, sondern
nur denkt.
— ich bewillige Alles.
Hang' mir nur den wieder ein,
-L- Das liberale Vürgerthum
in -er Aonfliktszcit. > jetzt.
Reinen Nanu und keinen Groschen!
Der
RatHskellermeister
von Bremen.
Line wahrhaftige Geschichte.
Bremer Rathskeller mit seinen
vortrefflichen Rheinweinen hat
das Lob, das ihm die Dichter ge-
spendet, vollauf verdient; leider
besitzt er den Fehler, daß er
eigentlich nur den reichen Leuten
zugänglich ist und dem armen
Mann verschlossen bleibt.
Indessen ist es auch schon
vorgckommcn, daß reiche Leute
mit dem Rathskeller zu Bremen
Pech gehabt haben, was wir nachstehend der Wahr-
heit entsprechend erzählen wollen.
Es mögen etwa zwei Jahrzehnte her sein, daß
sich am Bremer Rathskeller noch ein Kellermeister
alten Schlages befand, dick und grob, und mit einer
weithin funkelnden Weinnase, welche bekanntlich
für einen guten Kellermeister den Befähigungsnach-
weis bildet. Vielleicht war der Besitzer dieser Nase
der Glückliche, den Heinrich Heine unsterblich ge-
macht hat, als er im Bremer Rathskcllcr angesäuselt
war und die wundersamen Verse dichtete:
„Du braver Rathskellermeister von Bremen,
Siehst du, auf den Dächern der Häuser fitzen
Die Engel und find betrunken Mid singen;
Die glühende Sonne dort oben
Ist nur eine rothe betrunkene Nase,
Die Nase des Weltgeists,
Und um die rothe Weltgeistnase
Dreht sich die ganze betrunkene Welt!"
Nun gießt cs einen berühmten Staatsmann,
der sehr gerne guten Wein trinkt, besonders wenn
er ihn geschenkt bekommt. Dieser Staatsmann, den
seine Schmeichler den größten des Jahrhunderts
nennen, kam eines Tages als Gast eines hohen
Senats nach der guten Stadt Bremen und selbst-
verständlich wurden ihm auch die Herrlichkeiten des
Rathskellers erschlossen.
Der Kellermeister, der auch zu den Verehrern
des berühmten Staatsmannes gehörte, war ganz
in seinem Element und bespritzte, wie es bei alten
Kellermeistern Sitte, seinen vornehmen Gast mit
edlem Wein, um ihn mit dem köstlichen Aroma zu
erfreuen. Dann stieß er mit dem großen Mann
an und sprach zu ihm in seiner derben Weise:
„Un wenn Se wedder mal na Bremen kaamt,
so besöken's mi ook in mine Mahnung; aber nich
's Namiddags wenn'k slaap; wer mi in'n Slaap
stört, de kriegt dat mit mi to dohn!"
Dem Staatsmann gefiel der originelle Kauz
mit der mächtigen Karfunkelnase und er versprach
dem Alten, ihn zu besuchen, sobald die gute Stadt
Bremen wieder einmal die Ehre haben werde,
ihn, den größten Mann seiner Zeit, als Gast zu
empfangen.
Indessen der berühmte Staatsmann hat den
Bremer Rathskeller nicht wieder besucht. Aber sein
ältester Sohn kam einmal nach Bremen und der
Vater trug ihm auf, an seiner Stelle den Besuch
bei dem alten Kellermeister abzustatten.
Die Schmeichler behaupteten, der junge Staats-
mann habe die Schlauheit des alten geerbt; Andere
behaupteten das Gegentheil und diese scheinen im
Rechte zu sein.
Der Alte hatte dem Jungen eingeschärft, unter
allen ilmständen darauf zu achten, daß er den Raths-
kellermeister nicht im Schlafe störe. Aber es ging
in diesem Falle, wie es gewöhnlich in den Märchen
geht, wenn ein Prinz oder ein Ritter eine ver-
zauberte Jungfrau erlösen will; der edle Befreier
achtet nicht auf die Vorschriften und verfällt selber
dem Zauberbann.
Als der jugendliche Diplomat den Hausflur des
Rathskellermeisters betrat, fand er sich einem sehr
hübschen Mädchen gegenüber. Es war die Tochter
des Alten, die auf Befragen erwiderte, daß der
Papa grade sein Mittagsschläfchen abhielt. — Ob
die Schönheit der Bremerin oder ein genialer Ge-
danke dem Besucher das Gedächtniß verwirrte, das
sei dahingestellt, genug, er vergaß die väterliche
Mahnung und nannte seinen Namen mit der Bitte,
sie möge den Herrn Kellermeister von seinem Er-
scheinen unterrichten.
Das jltnge Mädchen ward verlegen; der Name
des Fremden schien ihr aber bedeutend genug zu
sein, um ausnahmsweise einmal den gestrengen Herrn
Papa im Mittagsschlunnner zu stören. Sie bat den
Fremden einzutreten ins Zimmer und dort Platz zu
nehmen, tvährend sie ins anstoßende Gemach ging,
um den Vater zu wecken. Der junge Diplomat
vernahm bald daraus ein unheimliches Knurren und
Poltern und wurde nun wider seinen Willen Ohren-
zeuge folgender Unterredung:
„Wat is dat sörn Keerl?"
„Er nennt sich Herr v. B."
„Is dat de Ool oder de Jung?"
„Der Herr ist noch ziemlich jung."
„Na, denn seg ein man, he kunn mi in — —"
Der Diplomat hatte genug. Er wartete die
Rückkehr der holden Kellermeisterstochter gar nicht
erst ab, spornstreichs lief er davon, um sich in die
übertünchte Höflichkeit des Westens zu begeben,
wo man dergleichen Dinge nicht sagt, sondern
nur denkt.
— ich bewillige Alles.
Hang' mir nur den wieder ein,