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-— 1362 -

Weihnachten.

Sin w-irmen $tunftfäal, in deA Bürgers Zimmer,
DaA von der Sitte noch der Väter spricht —
Aüüverall der Nerzen Heller Schiniincr,
Allüvcrall deA GhristvauinA frohes Licht!

Und willst du heute dunkle Fenster finden.

So inuszr du weit, so inuszt du lanrie gehn,

BiA wo die Däuser allgemach verschwinden
Und nur der Aernisten niedre Hütten stehn.

Doch zürne nicht mit deiner Leit Geschicken
Und dieser Lage schmerzenreichem Lauf;

Versuch' eA nur, mit hellem Aug' zu blicken.

Und hundert Nerzen gehen still dir auf.

Von denen jede, jede dir verkündet:

Auch in den Hütten brennt ein WeihnachtMaum,
Und waA die Lichter all' au ihm entzündet.

Das ist kein leerer, trügerischer Lraum.

Wohl sind sie arm, wohl müssen sie sich yuälen,
Wohl ist ihr steter Schlafgenosz daö weh.

Doch überstrahlt die Lichter in den Sälen
Der wunderbare Ghristüaum der Idee,

Die unsichtbar, unfaszbar sich verbreitet.

Die wie ein Lenzhauch in die Seele dringt.

Die eine schönre Lukuuft uuA bereitet
Und Allen, Allen die Erlösung bringt.

Ver all' den Andern in deA Herzens Aammern
In stiller Stunde fest und tief geschaut.

Der weisz, dasz sie sich an daA Heute klammern,
Weil einem Jeden vor der Lukunft graut.

Sie ahnen Alle eine Weltenwende,

Die wie ein Föhn mit dumpfem Brausen kommt.
Sie fühlen tief, dasz nahe schon das Ende
Und dasz kein Beten da um Stundung frommt.

GA fahren schaudernd MacsitA empor dom Pfühle,
GA lauschen bang und angstvoll in den Wind,

GA sind die Beute quälender Gefühle,

Die ohne Glaube, ohne Hoffnung sind.

Wer wählte seinen Platz drum bei den Satten,
Von denen nie die düstre Sorge weicht.

Die selber heute, in deA GhristbaumA Schatten,
Gin finstreA Ahnen fort und fort beschleicht?

Mein, nur zu jenen kann ein Mann sich schlagen.
Die Lräumer man und Schwärmer spottend nennt.
Weil eine Hoffnung sie im Herzen tragen.

Die wie ein Ghriftbaum hundertkerzig brennt;
Weil nie ein Lweifel sie im Glauben störte.

Den keine Macht der Grde ihnen raubt.

Und weil die Lukunfr stcrA noch dem gehörte.
Der fest und muthig an sich selbst geglaubt- z.

Vlihdraßt-Kleldungen.

Berlin. Die Gesellschaft für ethische Kultur will den
preußischen Unteroffizieren je ein Exemplar von Knigge's
„Uingang mit Menschen" zu Weihnachten schenken.

— Im preußischen Ministerium sind die Studien über
die Vermehrungsfähigkeit des Militärbazillus noch nicht ab-
geschlossen.

Sachsen. Gegen Begehung der Weihnachtsfeier seitens
der Sozialdemokraten ist von polizeilicher Seite eine Bean-
standung bis jetzt nicht erhoben worden; Weihnachten darf
also auch in Sachsen noch gefeiert werden.

Ostafrika. Auch hier wird das Weihuachtsfest in der
gebräuchlichen Weise gefeiert werden. Nur hängt man manch-
mal anstatt des Konfekts die Eingeborneu an die Bäume.

Ungleiches Mast.

^^eihnacht ist öas Kost -er Hiobo.
* » Asse Hastor schweigen still,
Am öos Kerkens beste Griebe
rost entfalten will.

$ct, beglücken will es Heben,
ßer sich hoffnungsfrouöig naht -
Ufa Llingt's in schönen Roöen,
hoch es «rangelt oft öio Hhat.

In öos Knternehnrers Hause
Koscher -Hlan? unö welche Gracht -
Ha, beim üxx'gen Koihnachksschmauso
Kirö öor Armen auch geöacht.
chine öürst'ge Hettelsxenöe
Reicht «an gnäö'gon Klickes her,
Koch öis Arbeit floitz'gor Hänöe
Kesser lohnen? Ainrmermehr!

Draußen auf beschneiten Kluren
Irrt öer arme „Aagabunö."

Keinölich örohenö seinen Kxuren
Kolgt Honöarm unö Kächterhunö.
Koll man, statt ihn müö' ?u Hetzen,
Kenschenrecht' ihm räumen ein?

Ach - nach strengeren Gesetzen
-Hegen ihn Ghilister schrei'».

Anö - öie Hahn öenr Hichio brachen.
Die gerungen rnit öer Macht,

Die für Recht unö Kreiheit sprachen,
Die jetzt ruhn in Kerkernacht -
Süllen etwa ihre Ketten?

-Hejfnet sich öer Kerker Khor,

Kenn öer Hhristnacht fromme Metten
Honen weihevoll im Hhor?

Aein! ein buntes Karktgetriebe,

Anö ein alter Hrauch öer Rest -
Aein, öas ist kein Kost öer Hiebe,
Das ist Kein Hrlöfungsfest!

Hst öie Kormel euch gerathen,

Kehlt öarinne« ösch öer -Heist -
chs verhöhnen eure Hhaten,

mit schönem Kort ihr preist.

Kann ?ur Wahrheit sich gestaltet,

Kas nur Achein jetzt inhaltsleer -
Ko öie Menschenliebe waltet,

Hiebt es keine Krnteu mehr. m. u.

Zeitgemäße

Betrachtungen.

Von I}. g.

Aoll öer Krieöe auf öer Hröen
Knö öie Hiebe ziehen ein,

Kuß befreit öie Menschheit weröen
öes Klenös <Kual unö

nsere Weihnachten sind ein schönes
1^51 fc , VI Fest, das kann Niemand leug-
VJA nen. Wir dürfen uns zu

> Weihnachten ein Licht —
ja sogar mehrere Lichter
anfstecken, ohne daß der Staats-
anwalt sich hineinlegü. Das kostet
sonst, wie die Bilanz der Sozial-
demokraten beweist, pro Jahr seine
achtzig Jahre Gefängniß, eine
Theuerung, die beinahe dazu ver-
leitet, es den Russen nachzumachen, welche das
Licht aufessen, anstatt damit zu leuchten.

Weihnachten giebt auch Anlaß zu erbaulichen
Betrachtungen. Wir hören von frommen Predigern,
daß der Welterlöser als Sohn eines Zimmer-
mannes auf die Erde gekommen ist. Deshalb

werden die Zimmerleute jetzt so sehr respektirt.
Sie erhalten hohe Löhne, sie werden nie gemaß-
regelt, und Jeder, der ihnen ein Unrecht zufngen
will, wird aus dem Loche entlassen, das von den
Zimmerleuten seit Jahrtausenden gemacht wird.
Solche Zustände herrschen leider noch nicht überall,
besonders nicht in Sachsen und den umliegenden
Ländern. Die Polizei in diesen gesegneten Distrikten
glaubt an keine Welterlösung mehr.
 
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