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Seit Jahren hat die Niesenschlange
Wit Äisenknoien dich umstrickt —
Nun, armes Nock, nun wird dir bange,
Dasi die Umarmung dich erstickt?

Du windest dich in ihren Ringen,

In Todesangst, in dumpfem «Lrau'n —
Wer aber soll dir Hilfe bringen,

Wem darfst du in der Noth vertrau'»?

Zu alb den Herren hochgeboren
Lagst du schon lange fpöttifch: „Nein!"
Wo sie dir Hilfe Mgeschworen,

Warst du geleimt von vornherein.

Du weiht MM Ttück, wohin sie sielen,
Das ritterliche, blaue Blut,

Und wenn sie gar den „Bauer" spielen,
Dann bist du doppelt auf der Hut.

- 1490 -

Zur Abstinrrnung.

Die schwarten und die braunen Kutten
Lind dir im Innersten fatal;

Dir scheint, es war' ein Ulrich Kutten
Um Blähe heut' wie dazumal?

Wan braucht dich schwerlich erstMmahnen,
Nach rechts und links dich umjulchau'n —
Äs war den Herrn Ultramontanen
Noch niemals übern Weg ju trau'n.

Nun kommst du in die linke Bficge
Vertrauensvoll. Doch sieh nur M!

Liht da reicht kahl gerupft aur Wege
Betrübt des Fortschritts Kakadu?

Im Winde treibt sein Bruchtgefiedcr —
Wann wird er wieder flügge sein?
Witteidig seht ihm hin und wieder
Äin Aederchen Herr Bayer ein.

Du hättest noch die Iudentäufer,

Die Äincn wild, die Andern Mhm,
Doch finden sie nur mühsam Käufer
Für ihren halbgewackten Kram.
Ärhandelst du an ihren Buden
Vertrauensvoll ein waschecht Nein,

So wirst du ärger als keim Juden
Betrogen und beschummelt sein.

Äs ist dir keine Wahl geblieben
In dieser unerhörten Noth;

Du bist MM Äeußersten getrieben,

So wähle denn, doch wähle roth!

Du sagst, du hast genug Soldaten —
Nun wohl, wir leisten Gegenwehr
Und wir verkaufen und verrathcn
Dich deinenDrüngern nimmermehr!

Kolk, werde hart!

ZWein Volk, laß dir von Niemand sagen.
Daß deine Pflicht die Knechtschaft sei!

Du sollst in diesen schweren Tagen
Beweisen, daß du stolz und frei.

Mir däucht, du wurdest zur Genüge
von frechen Junkern angeschnarrt
Auf ihre Nacken tritt im Ziege:

Volk, werde hart! Volk, werde hart!
**

Ls ist bestimmt zu deinem Glücke
Dies Lrdenrund, so blühend schön.

Aus ihm laß ruhen deine Blicke
Und du wirst seinen Zweck verstehn.

Was kümmert's dich, wo nach dem Tode
Du könntest werden eingepfarrt?

Hier streb' nach Freiheit und nach Brode!
Volk, werde hart! Volk, werde hart!

Ls ließ dir kaum das nackte Leben
Ausbeuterisch die Protzenschaft,

Sonst mußtest Alles du ihr geben
Und opfern deine Arbeitskraft.

Die, die in deines Hungers Nöthen
Mit Spar-Rezepten dich genarrt.

Sie sollen nimmer dich vertreten:

Volk, werde hart! Volk, werde hart!

Die rgeinisFen Patrioten.

Großes zeitgemäßes nationalliberales Rührstück in
fünf Akten.

Erster Akt.

(Im Verein der Eisen- und Stahl-Industriellen.)
Patriot Spiegelfechter.

Ich rus' euch auf, ihr deutschen Aktionäre,

Ihr seid die letzten Retter deutscher Ehre.

Ihr streichet ein fünfhundert Millionen
Pro Jahr; die dürft ihr jetzt nicht länger schonen!
O gebt freiwillig nur ein Fünftel her
Und schenkt Caprivi sie fürs Militär!

Ctznr der Industriellen.

Ja ja, die braven deutschen Aktionäre,

Sic sind die letzten Netter deutscher Ehre!

Zweiter Akt.

(Redaktiouslokal der „Kölnischen Zeitung".)

Chor der Aedakteure.

Großartig ist die patriotische Spende,

Doch wenn dabei man etwas sparen könnte
An beut kostspieligen Arbeiterschutz
Und gab' uns etwas mehr Arbcitertrutz,

So war' das Vaterland noch reich bedacht
Und doch dabei auch ein Geschäft gemacht.

Dritter Akt.

(Generalversammlung einer Aktiengesellschaft.)
Aktionär Gierig.

Groß ist die Noth der kleinen Aktionäre —
Ach, wenn die Zeit nur etwas besser wäre!
Ach, mit fünfhundert lump'gen Millionen
Kann sich die Industrie nicht richtig lohnen,
Und wenn wir opfern jetzt fürs Vaterland,
Gerathen wir an eines Abgrunds Rand.

Chor drr Aktionäre.

Drum lasset uns erklären rund und nett:

Von jeher machte Sclbcrcssen fett!

Alerter Akt.

(Verein der Eisen- und Stahl-Industriellen.)
Patriot Spiegelfechter.

Verrechnet Hab' ich mich, das seh' ich ein,

Denn der Gewinn ist doch etwas zu klein!

Bei allem Opfermuth, daß Gott erbarm!

Der arme Aktionär, er ist zu arm.

Chor drr Industrirllen.

Wohl rührt uns tief des Vaterlandes Noth,
Doch auch die Selbsterhaltung ist Gebot.

Sürrfter Akt.

(Ein Festessen der Nationalliberalen.)

Patriot Schlauch.

Ihr Freunde, seid nur emsig bei dem Kauen,
Gut mögt ihr für das Vaterland verdauen!
Wir leben ja in trüber, schwerer Zeit,

Drum nehm' ich der Pokale größten heut
Und leer' ihn ganz bis auf die Nagelprobe
Zu meines Vaterlandes Ruhm und Lobe.

Und wenn ich voll auch unter'n Tisch gesunken,
Hab' ich doch brav fürs Vaterland getrunken!

Chor drr Patrioten.

Wir thaten unsre Pflicht fürs Vaterland
Und jetzt, o Volk, ihn' Beutel auf und Hand!

Herberts Wahl-

A. : Welche Aussicht hat ivohl die Kandidatur
Herbert Bismarcks in Jerichow?

B. : Sehr große! Sein Sieg wird der einstigen
Eroberung Jericho's durch die Israeliten gleichen.

A. : Die Mauern werden also vor ihm einfallen?

B. : Ja. Herberts Intelligenz ist so groß, daß
man damit Wände cinrcnnen kann.

Den Mnti-Zemiten.

^hr hakt uns herb und bitterlich gegrollt,

Weil wir gelegentlich euch vorgehalten:

„Ihr wißt im Grunde selbst nicht, was ihr wollt —
Die erste große Trage wird euch spalten!"

Die Trage Kain und wie wir's ausgeöacht,
Gerade so ist es bei euch gekommen:

Der öiine hat den Salto mitgemacht,

Der Andre ist nach links davongeschwommcn.

Alcint ihr, baß man euch bas nicht übel nimmt?
Ihr sitzt nun in der schwärzesten der Tinten.
Was ist's, wenn ihr für mehr Soldaten stiinmt
And Alles das trotz Ahlwardts „Iudenslintcn"?

ööabt öaruin ihr ganz Deutschland alarmirt
And ihm vergällt den Trank von Alalz und Gopfen,
Am jetzt dem Löwen, den ihr dcnunzirt,

Noch ein Milliönchen in den Schlund zu stopfen?

Ihr wünscht ihm an den Äals die vestilenz
And füttert ihn, daß doppelt fett er werde —
And das, ihr Herrn, ist eure Konsequenz
And darum nennt ihr euch das Salz der Ärbe?

Die neue „freisinnige Volkspartei" läßt sich
eine Fahne anfertigen mit der Devise:

JEDER FÜR SICH
KEINER FÜR ALLE

und darunter eine Hand, die in eine fremde
Tasche greift.

Den Splendiden,

die freiwillige Beiträge für die Hceresvermehrung
leisten wollen.

Verzeiht mein spötlisch Gesicht,

Ich inusi ans Sprüchlein denken:

„Den Griechen trau' ich nicht,

Besonders wenn sie schenken."
 
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