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- 1522

$tu| an dm mtmatmalm Ärvcitcr-Äongreß m Zürich.

Von Max "Kegel.

HM egrüßt, gegrüßt, du freie Männerschaar,
VÜ Die sich vereint, im Schweizerland zu tagen,
Mo hoch sich in den Lüften wiegt der Aar,
Mo getfen stolz zum blauen Himmel ragen,
Mo eine Stätte hat das freie Mort,

Wo keiner Kriegslast Lisenfesseln drücken ■—
An dem erhab'nen Merke schafft ihr dort.

Die Alnft, die Völker trennt, zu Überdrücken.

Der Feind, der hier bekämpft wird, ist die Roth,
Die heute herrschet an der Arbeit Stätten,

Die Antergang dem Proletarier droht.

Die ihn gefangen hält in Sklavenketten.

Und sie zu bannen mit gewalt'gem Schlag,
Europas Völker gilt's zu alarmiren.

Als starke Schutzwehr den Achtstundentag
In allen Ländern gilt's zu proklamiren.

I An Zürichs Lee, im freien Schweizerland
| Den Freundesgruß sich die Nationen bieten,

| Zur Friedensarbeit reichen sich die Hand
Franzosen, Deutsche, Russen, Spanier, Briten,
j So soll es bleiben! Dieses Beispiel sei
j Den Mächtigen des Erdballs eine Lehre,
Wenn wieder toller Chauvinisten Schrei
Frech zu besudeln strebt der Menschheit Ehre.

Luch kümmert nicht der Lhauvinisten Kroll,
Ihr achtet nicht der Diplomaten Ränke,
Hernieder schauet ihr verachtungsvoll
Auf Rassen- und auf National -Kezänke.

Ihr schärfet nicht des Hasses blanken Stahl,
Ihr strebt, als Segens- und als Friedensspender
Den Bund zu einen international.

Den Bund der Proletarier aller Länder.

Sodann der Völker muthiger Protest
Zoll gegen Schlachtenrüstung sich erheben.

Daß ferner nicht des Wohlstands letzter Rest
Dem grimmen Moloch werde preisgegeben.
Wie der Philister auch die Kriegsmacht ehrt.
Und ihren Klang und Nimbus pflegt zu preisen —
Für die Aulturwelt hat sie nur den Werth
von bunten Lappen und von altem Eisen.

Indeß mit Stolz die Arbeitsmänner seh'n
Auf Eures Friedenswerkes froh' Kedeihen —
Die Streiter, dis voran den Völkern geh'n,
sind Brüder ja aus ihren eig'nen Reihen.
Die Arbeit ist es, die die Bahnen weist
Der Zukunft, daß sie glücksrcich sich gestalte.
Und über uns der Freiheit hehrer Seist
i Die starken Schwingen siegesfroh entfalte!

Berlin, Anfang Anjust.

Lieber Jacob!

Nu wird et aber beinah' so doll, bet ick et kanm anshalten kann.
Ick bin keen Kind von Traurigkeit, aber Fntternoth, bet halte der Deibel
ans, lieber Jacob — da kann ick bei'n besten Willen nich mit.

Warum haben mir nn bet liebe Vieh denn nu eijentlich keen Futter?!
Det seh ick ja nn ooch in, bet jrade in solchen Fall de Staatshilfe ivat
„Entsittlichendet" hat. Denn Staatshilfe det is eijentlich blos mat vor
janz hohe Beamte, so z. B. vor Herrn von Bötticher seinen Schwiejeroater,
wo doch eijentlich jede Jefahr ausjeschlossen is, det so'n Mann Sozial-
demokrat werden kann, aber vor andere Leite hat der Staat keen Geld,
indem et doch heit zu Dage icberhaupt kcenen Rcptilienfonds mehr jiebt,
aus den man eenen anständigen Menschen so hin un wieder mal unter
de Arme jreifen konnte. Aber, wie jesagt, wenn det Viehzeich keenen

Sand fressen will, na, dann bin ick ooch außer Stande zu helfen, wo
mir doch icberhaupt im Jrunde jenommen die janze Sache jarnischt an-
jeht, indem ick doch keen Jehcimrath bin un mir ieber Rejicrnngsanjclcjcn-
heiten nich im Mindesten meinen jeehrten Kopp zu zerbrechen habe.

Lieber Jacob, ick weeß ja, det ick mit meine Weisheit immer een
bisken zu spät komme, aber da oogenblicklich von wejen de russischen un
französischen Rüstungen doch ooch bald wieder 'ne neie Militärvorlage nfs't
Tapet kommen wird, hoffe ick mit meine neie Idee doch nich janz un jar zu
spät zu kommen. Sch mal, Jacob, ieberleje Dir mal Foljendct. Ick bin
nämlich der Meinung, det de Kriegsverwaltung de janze Jeschichte janz
verkehrt anfangt. Die sagt nämlich immer, wir brauchen so nn soville
Soldaten. Ick dajcjen, wenn ick Kriegsministcr wäre, ick würde janz ein-
fach fragen: Wie ville Zivilisten brauchen wir in Deitschland eijentlich,
um det bisken Erwerbsjeschichte un wat daran drum un dran bammelt,

VlihdraHf-Kieldiingei».

Berlin. Die Nekrulirungen auf Grund des neuen Mili-
tärgesctzcs werden eifrig vorbereitet, damit cs in der Zeit des
allgemeinen Futtermangels wenigstens an Kanonen-
futter nicht fehlt.

— Natioualliberale und konservative Politiker veranstalten
demnächst ein großes Distanz-Kriechen von Berlin nach
Friedrichsruhe.

Sachsen. Tie Iohauniswürmer haben Polizeistunde er-
halten und dürfen nur mehr bis Abends 10 Uhr leuchten.

Bayern. Die niederbayerischen Bauernbündler haben
von der Leitung des'Zentrums die Bannbulle erhalten.
Sie tranken dieselbe sofort auS.

Afrika. Endlich kommt über das Schicksal Emin Pascha's
eine Nachricht, welche glaubwürdiger ist, als alle anderen.
Demnach ist Emin Pascha auf dem Biktoria-See beim Schtitt-
schuhfahren eingebrochen und ertrunken.

Sic transit plana mundi!

„Einen besonderen Neiz übt die „Aumühle"
bei Friedrichsruhe auf Biele auch dadurch
aus, das; man dort täglich zwei Mal Gelegen-
heit hat, den Fürsten Bismarck, zu dessen
Besitz die „Aumühle" gehört, zu sehen. Der
Altreichskanzler macht um elf Uhr und um
sechs Uhr einen Spaziergang und erfreut Man-
chen durch eine liebenswürdige Ansprache."
(Reklame aus einem Hamb. Blatt.)

Allein Gott, Durchlaucht, wie sich die Zeiten ändern!
Was haben für die Macht Sie eingetanscht?

Wenn Durchlaucht sprach, so hat in allen Ländern
Erwartungsvoll man Ihrem Wort gelauscht.

Die Brust besät mit Orden und mit Bändern,
Von dem Gefühl der eignen Macht berauscht,
Regierten Sie mit scharfem, kaltem Blicke
Und einer Eiscnfaust der Welt Geschicke.

Jetzt ist Durchlaucht ein Journalist geworden
Und schreibt verdrossen sich die Finger wund;

Wer immer ihn besucht in seinem Norden,

Dem giebt er mündlich seine Meinung kund.

Durchlaucht sind reich, ja überreich an Worten
Für jeden Krieger-, jeden Sängerbund;

Doch Alles, was Sic schreiben oder sagen,
Gelassen wird's und mit Humor ertragen.

Sie lassen ihren Sohn im Reichstag bellen;

Er spricht von Fußvolk und von Reiterei,

Um nebenbei (für Jemand) festznstellen,

Was für ein Stümper doch Caprivi sei;

Doch kräuseln sich ein wenig nur die Wellen
Und machtlos rauscht der Redesturm vorbei.

Der Kanzler selbst läßt sich nur so weit rühren,
Den Sohn Durchlauchts ironisch abzusithren.

Sie zieh'n nicht mehr — das läßt sich nicht bestreiten
Und einem Kinderblick ist's offenbar.

Wie schnell die Todten heutzutage reiten,

Wird nun selbst Ihrem harten Schädel klar.

Der Mann, der einst in Kriegs- und Friedenszeiten
Der Herrschgewalt'ge, der Gebieter war —

Heut macht er selbst und sein berühmter Name
Für einen Bierwirth billige Reklame!

Aus Vädcrn und Kurorten.

Als die Herren Stumm, Ahlwardt, Kardorff,
Böckel und Genossen durch Annahme der Militär-
vorlage daS Vaterland „gerettet" hatten, vcr-
' schwanden sie aus Berlin, um sich in Bädern
und Kurorten von ihren Strapazen zu erholen.

Herbert Bisniarck, der Wildeste der Wilden,
die je im Reichstage waren, begab sich sofort in
ein Wildbad, um seine Wildheit zu bezähmen,
die er in der Militärdcbatte ganz ohne Zweck und
I Nutzen entfesselt hatte. Eugen Richter dagegen
[ begab sich in ein Seebad, was er eigentlich gar
nicht nöthig hatte, denn es sind ihm in letzter
Zeit so viele Hoffnungen zu Wasser geworden,
daß er darin ganz bequem herumschwimmen

i könnte. Aber er hat sich nun einmal daran ge-
wöhnen müssen, ans den Sand gesetzt zu werden,
und so sitzt er auf dem Sand der Düne und
predigt den Mecreswogcn das Evangelium des
Manchesterthums und der Sparsamkeit, weshalb
die Wellen sich am Ufer fortwährend brechen.

In Maricnbad sind die gesättigten Gestalten
der konservativen und natiouallibcralen Partei
versammelt. Sie möchten dort etwas an Körper-
gewicht abnehmen, nachdem sie dem Volke das
Geld abgenomMcn haben. Das nennen sie aus-
glcichcndc Gerechtigkeit in der göttlichen Wclt-
ordnung. Sic haben von den Rednern der äußer-
sten Linken „ihr Fett bekommen", und nun möchten
sie cs wieder los werden. Aber zu einer wirk-
samen Entfettungskur reicht Marienbad nicht aus,
j wenn der Wein auch noch so sauer ist und die
s Kurkapelle noch so schlecht spielt. Dazu wäre es
nöthig, daß. die dicken Stützen der Gesellschaft
einige Monate als Weber oder Strumpfwirker in
j Sachsen oder Thüringen arbeiteten und sich mit
der landesüblichen Kost begnügten. Dann würden
i ihre Magen so unzufrieden murren, daß die Herren
glauben könnten, sie hätten eine sozialdemokratische
Wählerversammlung im Leibe.

Nach den Stahlbädern begeben sich die zcr-
rüttcten, nervösen Naturen unserer Diplomaten
und Finanzgrößen. Das Stahlbad soll in solchen
Fällen heilsam sein, weshalb auch für zerrüttete
Staatswesen das Stahlbad des Militarismus an-
gewandt wird, um mit Blut und Eisen den or-
ganischen Verfall aufzuhalten, was aber bekannt-
lich eine vergebliche Mühe ist.

Die Schwefelbäder sind Heuer schwach be-
sucht, denn es ist in der politischen Diskussion
der letzten Monate schon viel zu viel „geschwefelt"
worden. Die Schlamm- und Moorbäder sind
dagegen fast überfüllt. Es tummeln sich darin
Reptilien und anderes Gethicr, welches alle frei-
 
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