Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1644

„Aber meine Herren, das haben ja wir bestellt", rief einer der
Börseaner.

„Bst!" machte Fritze. „Nich ans de Rolle fallen! Wer bet
bestellt hat, bet is unter Lumpen janz ejal."

„Warum bestellen Sie sich aber nicht selbst etwas?"

„Weil wir keen Jeld haben! Denn wer Jeld hat, is keen Lump,
und wenn er noch so een jroßer Lump wäre!"

„Sie sind unheimlich konsequent!" wurde geantwortet.

„Is bet nich Ballrejel?" fragte Fritze. „Steht nich in bet Pro-
jramm, bet die konsequenteste Maske jekrönt wird?"

Damit gaben sich die beraubten Räuber geschlagen und bestellten
sich lachend anderes Essen.

Fritze und August ließen sich ihre Mahlzeit prächtig schmecken,
dann erhoben sie sich, griffen zu ihren Besen und rückten dem Stadt-
rath Rumpler zu Leibe, der soeben mit seiner Zigeunerin zum Tanz
antreten wollte.

„Juten Abend, Herr Stadtrath", sagte August.

„Juten Abend, Frau Stadtrath", sagte Fritze, indem Beide
das Paar in die Mitte
nahmen.

„Was soll das?" rief
Rumpler ärgerlich; „hier bin
ich nicht Stadtrath, sondern
Maske."

„Janz recht — Scharf-
richter", erwiderte Fritze.

„Aber weil Du in Deiner
Amtswürde manchmal een
jestrenger Scharsrichter bist,
wenn nämlich een armer
Teufel eene Konzession ver-
langt, darum Hab' ick je-
jloobt, bet Du den Unter-
schied nich so janz jenau
nimmst. Hab' ick recht, Frau
Stadtrath?"

Die Gefragte, ein flot-
tes Mädchen mit dreisten
Manieren, lachte hell auf,

Rumpler zog sie ärgerlich
mit sich fort.

„Na, uff Wiedersehen!"
sagte Fritze.

Er ergriff Augusts Arm
und sie steuerten durch das
bunte Gewimmel dieses eigenartigen Balles, während rauschende Musik
ertönte und hier und da an den Tischen die Champagnerpfropfen
knallten. Die imposanten Figuren der beiden Straßenkehrer machten
überall Effekt.

„Wer seid Ihr denn eigentlich?" fragte ein neugieriger Haus-
besitzer.

„Bildhauer — möcht ick sein, bet ich Dir aushauen könnte",
antwortete August, der seine anfängliche Schüchternheit überwunden
hatte.

„Es sind Bildhauer", sagte Einer, der nur einige Worte aus
diesem Gespräch aufgefangen hatte. Man suchte ihre Gesellschaft
bot ihnen zu trinken an und sie waren nicht blöde.

Endlich nahte die Stunde der Preiskrönung; die Jury war
schon längst in Thätigkeit gewesen und ein Orchestertusch rief die
Masken zusammen. Es wurde feierlich verkündet, daß sowohl hin-
sichtlich korrekter Zusammenstellung der Tracht als in konsequenter
Durchführung der gewählten Rolle die beiden Straßenkehrermasken
den ersten Preis im Betrage von hundert Mark zuerkannt erhalten.

Fritze und August hatten kaum Zeit, sich von ihrer Ueberraschung
zu erholen, als sie zur feierlichen Ueberreichung des Preises herbei-
geholt wurden, begrüßt von Musik und jubelnden Zurufen.

„Det is der beste Jerichtshof, den ick bisher jesehen habe",
sagte Fritze.

Sie wurden höflich nach ihren Namen gefragt und gaben die-
selben richtig an.

„Und Ihr Stand?" hieß es weiter.

Da warf sich Fritze in die Brust, stampfte mit dem Schaft seines
Besens den Boden und rief:

„Wir sind Landschaftsmaler — janz plän-öhr, frei Licht bei
Tag und Nacht! Wir haben noch heute an eene Winterland-
schaft jemalt, die sich jewaschen hat."

„Also Maler von der Sezession"; damit gab man sich zufrieden
und die Preisgekrönten zogen sich vergnügt zurück und suchten das
Bierstübel aus, wo echtes Münchener verzapft wurde.

Hier trafen sie den Stadtrath Rumpler wieder, und zwar befand
sich derselbe in höchst ärgerlicher Stimmung, denn ein junger, flotter
„Taschendieb" hatte ihm seine schöne Hulda „abgezwickt" und war
mit ihr davongegangen.

„Wo is denn die Frau Stadtrath?" erkundigte sich Fritze.

„Lassen Sie mich doch
endlich in Ruhe", knurrte
Rumpler.

„Na, sein Se man nich
so", meinte Fritze, neben
Rumpler am Tische Platz
nehmend. „Wissen Se, ick
Hab' nämlich wat mit die
Frau Stadtrath zu reden,
und wenn ick se hier nich
treffe, denn müßt ick mir
morsen in Ihre Wohnung
die Ehre jeden."

„Was? in meiner Woh-
nung?" rief Rumpler mit
Entsetzen.

„Freilich", sagte Fritze
gemächlich. „Ick denke wie
Jöthe: „Jeh die Damen zart
entjejen, du jewinnst sie
dann sofort." Et is von-
wejen de Kneipkonzession in
der Wrangelstraße, die mir
der jestrenge Herr Rumpler
verweijert. Und weil mir
vorhin die Frau Stadtrath
so anjelacht hat, da möcht
ick se bitten, det se bei ihren Herrn Jemahl een jutes Wort vor mir
inlegt."

„Aber das ist ja Unsinn", rief Rumpler.

„Jedenfalls probir ick's", beharrte Fritze.

Rumpler überlegte, dann lenkte er ein. „Man kann nicht jedem
ersten Besten eine Konzession geben — allein, nachdem ich Sie hier,
in einer so respektablen Gesellschaft und im Verkehr mit hochan-
gesehenen Leuten gesehen habe, ändert das natürlich die Sache. Meine
früheren Bedenken sind geschwunden und ich werde Ihre Konzession
befürworten. Aber kommen Sie mir ja nicht in die Wohnung, denn
da ist kein Platz für Amtsgeschäfte."

„Unbesorgt, jetzt verlaß ick mir janz uff Sie! — Heute Abend
lassen sojar Scharfrichter mit sich reden."

* *

*

Beide verließen den Lumpenball mit großer Befriedigung und
legten bald ihre Besen nieder, denn die versprochene Konzession ließ
nicht lange auf sich warten und die neugegründete Wirthschaft florirte,
denn Fritze und August, der als „Oberkellner" angestellt wurde, wußten
die Gäste mit demselben Humor zu fesseln, mit welchem sie noch
immer den Unbilden des Schicksals Trotz geboten hatten.

„Wir sind Landschaftsmaler — janz plän-öhr."

1

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. —■ Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
Annotationen